Mülheim. Verbindungen zur rechten Szene? Mitorganisatorin des Protestes steigt aus. Auch SPD-Fraktionschef gerät unter Druck – wegen einer Schülergruppe.

Vor der Demonstration gegen die Grundsteuer-Erhöhung am Donnerstag um 15 Uhr auf dem Rathausmarkt ist die Unruhe groß. Aus dem Organisationsteam der Demo zog sich am Dienstag eine Mitstreiterin zurück, um deren politische Gesinnung im Netz eine Debatte entbrannt war.

Allein die Polizei gibt sich entspannt. Man werde die Demo mit kleinem Aufgebot aus dem Bezirksschwerpunktdienst begleiten, hieß es. 200 Demonstrationsteilnehmer hat Organisator Alexander Kocks angemeldet. Die Polizei geht davon aus, dass es einen friedlichen Protest geben wird.

Mitorganisatorin werden Verbindungen in die rechte Szene nachgesagt

Aufregung gibt es um Demo-Mitorganisatorin Sandra Wenzel. Ihr werden Verbindungen in die rechte Szene nachgesagt. Von ihr existieren Bilder, die sie 2013 als Teilnehmerin einer Kundgebung von „Pro NRW“, einer als verfassungsfeindlich und rechtsextrem eingestuften Kleinpartei, zeigen. Mit ihrem Facebook-Profil folgt sie Seiten mindestens rechtspopulistischer, wenn nicht rechtsextremer Propaganda wie „Mein Deutschland“ oder „Deutsche Patrioten“. Auch eine Nähe zur AfD wird deutlich. Wenzel sagte dazu auf Anfrage, es sei ihre Privatsache, welche Seiten sie abonniere und welchen sie folge. Sie sprach von „Verleumdung, Rufmord“. Später am Mittwoch verkündete sie ihren Rückzug aus dem Demo-Organisationsteam.

Debatte in sozialen Netzwerken

In der Gruppe „Du weißt, dass du aus Mülheim kommst“ wurde die Personalie Wenzel seit Dienstag debattiert – mit dem Appell eines Administrators an Mülheims Bürger: „Schaut bitte ganz genau nach und informiert euch bitte, vor wessen Karren ihr euch da spannen lassen wollt!“

Demo-Organisator Alexander Kocks reagierte und verwies darauf, dass er als Anmelder der Demo keinerlei Verbindungen zu politischen Organisationen habe und nicht in eine „politische Ecke“ gedrängt werden wolle. „Am Samstag habe ich vor dem Forum den Anhängern der AfD klargemacht, dass sie gerne als Bürger kommen können, aber sollte ich ein Plakat oder auch nur einen Flyer von denen sehen, werde ich die persönlich vom Platz begleiten“, so Kocks, der sich „eine Demo von Bürgern für Bürger“ wünscht.

Kurzfristig abgesagt hatte bereits am Dienstagmorgen ein Mitglied aus dem Demo-Organisationsteam die Teilnahme an einem „Streitgespräch“, für das diese Redaktion auch Stadtkämmerer Frank Mendack für den Tag vor der geplanten Demonstration eingeladen hatte.

Rund 30 Schüler wollen im Ratssaal Platz nehmen

Für Aufregung sorgt auch, dass sich für die Ratssitzung eine rund 30-köpfige Schülergruppe der Willy-Brandt-Gesamtschule als Besucher angekündigt hat. Da der Ratssaal nur 48 Besuchern Platz bietet, werden wohl nur wenige Demonstranten den möglichen Auftritt von Demo-Organisator Kocks auch sehen können.

Aus Kreisen der Demo-Organisatoren wird unterstellt, dass der Schülerbesuch genau zu diesem Zweck politisch organisiert sei. Im Fokus der Kritik dabei: SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff. Über seine Arbeitgeberin, die Caritas-Sozialdienste, ist er direkt an jenem Projekt der Offenen Ganztagsbetreuung zur „Demokratieförderung“ beteiligt, das unter Federführung der Friedrich-Ebert-Stiftung am Donnerstag und Freitag mit den Willy-Brandt-Schülern stattfindet. Ein Programmpunkt des Projektes ist der Besuch der Ratssitzung.

Spliethoff: Ganz üble Nummer

Wie Spliethoff betonte auch die Schulleiterin der Willy-Brandt-Schule, Karin Rinn, gegenüber dieser Zeitung, dass das Projekt lange geplant sei. Spliethoff sagte, ursprünglich sei ein Besuch der Ratssitzung im Dezember vorgesehen gewesen, man habe das Zwei-Tages-Projekt aber verschieben müssen. Diese Aussage stützte am Mittwoch Christian Steg von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Er legte dieser Redaktion einen Schriftverkehr vor, der zeigt, dass Spliethoff eine erste Anfrage für das Projekt bereits im Sommer 2018 an die Stiftung gerichtet hatte.

Spliethoff bezeichnete die Vorwürfe, die seine beruflich und politisch-ehrenamtliche Arbeit zu verquicken suchten, als „ganz üble Nummer“.

Stadt plant Live-Übertragung der Debatte

Die Stadtverwaltung plant eine Übertragung der Ratsdebatte zur Grundsteuer-Erhöhung am Donnerstag auch in den Flur vor dem Ratssaalmindestens mit Ton, vielleicht auch via Bildschirm, so Stadtsprecher Volker Wiebels.

„Es sollen alle, die wollen, die Ratssitzung verfolgen können“, sagt er. Seit Jahren schon gibt die Stadt für Besucher der Ratssitzungen keine Platzkarten mehr aus. Am Donnerstag wird ein Ordnungsdienst eingesetzt.