Mülheim. Die Demo gegen die Grundsteuer-Erhöhung auf dem Rathausmarkt ist laut, aber friedlich verlaufen. Redner stellen die Finanzpolitik an den Pranger.

So voll war der Rathaumarkt selten: 650 Mülheimer haben nach Schätzungen der Polizei am Donnerstagnachmittag dort gegen die Erhöhung der Grundsteuer um 39 Prozent protestiert. Damit hatten sich mehr als dreimal so viele Teilnehmer versammelt, als Veranstalter Alexander Kocks angemeldet hatte. Die Demonstranten taten ihren Unmut mit lauten Pfiffen und Bu-Rufen kund, protestierten aber insgesamt friedlich.

„Wir sind heute hier, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen, den die Politiker vor die Wand gefahren haben“, sagte Kocks. Er kritisierte die finanzielle Lage der Stadt, wie zuvor auch schon in einem offenen Brief an die Fraktionen im Rat. Das Geld, was in Schulen geflossen sei, werde nicht nach außen sichtbar, und für 2019 rechnet er nicht mit einem ausgeglichenen Haushalt. „Der Glaube daran mag Berge versetzen, aber keine Holzhäuser“, spottete der Vater einer neunjährigen Tochter, die an seiner Seite war, mit Blick auf die angeschafften und teilweise nicht mehr benötigten Flüchtlingsunterkünfte.

Personal- und Transferkosten werden kritisiert

Die Forderung der Demonstranten: Die Rücknahme der Erhöhung der Grundsteuer B.
Die Forderung der Demonstranten: Die Rücknahme der Erhöhung der Grundsteuer B. © Martin Möller

Wie er glauben auch Inge Ketzer (Initiative zum Erhalt der VHS) und Sven Weisenhaus (Initiator einer Petition), dass Geld verschwendet wird. Und die Bürger müssten für alles aufkommen. „Die Steuererhöhung ist nur entschieden worden, damit uns kein Sparkommissar ins Haus gesetzt wird“, erinnerte Sven Weisenhaus. Er bemängelte auch die hohen Personalkosten der Stadt: „22 Prozent der Steuerausgaben gehen dafür drauf.“ Über einen sozialverträglichen Personalabbau sollte die Politik nachdenken.

Mülheimer demonstrieren gegen Grundsteuererhöhung

weitere Videos

    Er stellte den Rat zudem für die sprunghaften Anpassungen der Grundsteuer innerhalb weniger Jahre an den Pranger: „2011 waren es 530 Punkte, 2015 dann 640 und 2019 nun 890. Wie viele sollen es dann 2020 oder 2021 sein?“, frotzelte er. Außerdem kritisierte Weisenhaus die Steigerung der Transferleistungen: „Wenn die Wirtschaft so sehr wächst, wie können sie dann so sehr steigen?“ Inge Ketzer nannte noch einige Beispiele, für die in ihren Augen Geld verschwendet wurde, unter anderem den oft stillstehenden Fahrradaufzug am Radschnellweg oder kostspielige Kreisverkehre.

    Applaus und hämisches Lachen der Demonstranten

    Teilweise hatten die Demonstranten Transparente und Plakate gebastelt. Sie taten mit Pfiffen und Bu-Rufen ihren Unmut gegenüber der erhöhten Grundsteuer kund.
    Teilweise hatten die Demonstranten Transparente und Plakate gebastelt. Sie taten mit Pfiffen und Bu-Rufen ihren Unmut gegenüber der erhöhten Grundsteuer kund. © Martin Möller

    Die Zuhörer reagierten an vielen Stellen der Reden mit Applaus und das ein oder andere Mal auch mit hämischem Lachen – denn die Vortragenden zogen die Politik einige Male ins Lächerliche. Manche hatten Transparente und Schilder gebastelt. Darauf standen etwa Botschaften wie „Grün, Schwarz und Rot sind Mülheims Tod“ oder „Freie Fahrt für sinnfreie Beschlüsse“. Manche forderten wie der Demoveranstalter schlicht die Rücknahme der Grundsteuererhöhung. Einige Demonstranten trugen gelbe Westen.

    Es gab keine Zwischenfälle, wie die Polizei bestätigte. Aufregung kam nur auf, als sich die Fraktion der Grünen in Shirts auf der Rathaustreppe zeigten. Aufdruck: „Der Sparkommissar würde die Grundsteuer auf über 1000 Punkte erhöhen. Isso.“ Kocks forderte die Grünen auf, die Rathaustreppe, von wo aus die Redner zur Menge sprachen, zu verlassen. Ein paar Ordner und Demoteilnehmer stellten sich vor die Grünen, diese zogen sich danach zurück.

    Steigerlied für die Demonstration ungeschrieben

    Die Petitionssteller Sven Weisenhaus (1.v.l.) und Joscha Schröder (3.v.r) übergaben die Unterschriften an OB Ulricgh Scholten und Kämmerer Frank Mendack. Loreley Kocks überreicht symbolisch einen goldenen Sargnagel.
    Die Petitionssteller Sven Weisenhaus (1.v.l.) und Joscha Schröder (3.v.r) übergaben die Unterschriften an OB Ulricgh Scholten und Kämmerer Frank Mendack. Loreley Kocks überreicht symbolisch einen goldenen Sargnagel. © Martin Möller

    Während der Demonstration sangen die Organisatoren das Steigerlied, was auf die finanzielle Situation der Stadt umgeschrieben worden war. „Der Rat ist dreist, wie jeder weiß. Da plündert die rote Laternenstadt das Geld von Kind bis Greis“, heißt es etwa darin. Dann forderte das Team die Bürger auf, zur Ratssitzung zu gehen und sich danach noch gegen die erhöhte Grundsteuer zu wehren. „Nehmt eure Möglichkeiten wahr, schreibt E-Mails und Briefe. Es muss etwas geschehen“, forderte Sven Weisenhaus.

    >>>Petitionen mit rund 10.000 Unterschriften

    Nach der Erhöhung der Grundsteuer sind im Internet zwei Petitionen gestartet worden. Zusammengerechnet wurden sie knapp 10.000-mal unterschrieben und vor der Ratssitzung dem OB und Kämmerer übergeben.

    8424 Unterschriften hat Joscha Schröder auf der Plattform Open Petition erhalten, 7884 davon aus Mülheim.

    Sven Weisenhaus sammelte über die Internetseite Change 1434 Unterschriften.