Mülheim. Das Saarner Flüchtlingsdorf wird zum Jahresende geschlossen. Die Stadt will es weiter nutzen für Menschen, die nach Zwangsräumung obdachlos sind.
Die Flüchtlingsunterkünfte in Broich sind leergezogen und werden in den kommenden Monaten abgebaut. Auch der Betrieb im Saarner Flüchtlingsdorf soll am 31. Dezember enden. Abgebaut wird es, wie manche Saarner hoffen, aber nicht.
Das Haus Jugendgroschen in Holthausen wurde vor wenigen Tagen geschlossen. Dort soll die Junior-Uni einziehen. Aufgeben will die Stadt ebenfalls die Unterkünfte an der Eltener Straße 42-44 und 86-88 in Speldorf, an der Vereinsstraße 10-12 in Eppinghofen und an der Koloniestraße 18-20 in Broich. Das steht in einem Bericht des Sozialamtes für den Sozialausschuss.
Schon im Vorjahr wurden knapp 500 Plätze in Sammelunterkünften abgebaut
Hatte die Stadt bereits im Jahr 2018 knapp 500 Plätze in Sammelunterkünften abgebaut, kommen in diesem und im nächsten Jahr weitere hinzu. „Damit wird die von einem breiten politischen Konsens getragene Strategie fortgeführt, Geflüchtete nach dem obligatorischen Aufenthalt in der kommunalen Erstaufnahmeeinrichtung in angemieteten Wohnungen unterzubringen“, heißt es in dem Bericht.
Die Erstaufnahme ist zur Zeit in Saarn auf dem Kirmesplatz zu Hause. Dort kommen die Geflüchteten nach ihrer Zuweisung zuerst an. Nach dem Check aller Formalitäten werden sie auf andere Unterkünfte verteilt oder bleiben an der Mintarder Straße, bis sie einen anderen Platz zugewiesen bekommen.
Geflüchtete sollen nach Check der Formalitäten in Mietwohnungen ziehen
Jetzt hat die Sozialverwaltung beschlossen, den Vertrag mit den Malteser Werken Köln, der bis zum 31. Dezember läuft, nicht mehr zu verlängern. Die Anzahl der Geflüchteten, die Mülheim aufnehmen müsse, nehme weiter ab, weshalb der Betrieb in Saarn aufgegeben werden könne.
Zahlen sind stark gesunken
Nach aktuellen Zahlen der Sozialverwaltung werden in Mülheim derzeit noch 1358 geflüchtete Menschen betreut. Zum Vergleich: 2015 waren es 2215 Personen. Damals mussten 1231 Bedarfsgemeinschaften untergebracht werden, heute sind es noch etwa halb so viele: 626.
Entsprechend wurde auch die Zahl der Vollzeitstellen zurückgefahren, die für die Flüchtlingsbetreuung zur Verfügung stehen: von 70 auf 38 Stellen.
Außerdem müsse die Stadt weiter Kosten reduzieren. Gleichzeitig könnten die Kapazitäten um weitere 240 Plätze reduziert werden. Darüber soll der Rat in seiner nächsten Sitzung im November beschließen. Weil die Stadt die kommunale Erstaufnahme behalten muss, soll diese am Standort Klöttschen einziehen.
Erstaufnahme wird an den Klöttschen verlegt
Die Verfasser des jüngsten Flüchtlingsberichtes betonen: Das „Ankommen“ der Menschen in Mülheim, „ihre erste räumliche, soziale, auch erste sprachliche und berufliche Orientierung ist von elementarer Bedeutung. Durch das engagierte Wirken der Fachkräfte vor Ort ist die kommunale Erstaufnahme zum unverzichtbaren Bestandteil des Integrationsprozesses geworden.“
Im Gegensatz zu den anderen Sammelunterkünften für Geflüchtete will die Stadt die Holzhäuser, Metallhallen und die Infrastruktur an der Mintarder Straße weiter nutzen. In die Unterkünfte sollen – vorübergehend – Menschen ziehen, die bei Zwangsräumungen von so genannten Problemhäusern oder Schrottimmobilien plötzlich auf der Straße stehen, schlägt das Sozialdezernat vor.
Holzhäuser für Menschen nutzen, die nach Zwangsräumungen auf der Straße stehen
Bei den begonnenen Überprüfungen solcher „Problemimmobilien“ Ende Juli in Styrum und Ende August in Eppinghofen mussten die Bewohner sofort ausziehen, weil das Ordnungsamt die Nutzung der Häuser zumindest teilweise untersagt hatte. Vier Familien aus Styrum musste die Stadt Obdach gewähren. Sie haben nach drei Wochen neue Wohnungen finden können. Eine Familie aus Eppinghofen fand nach der Zwangsräumung in der Nachbarschaft eine Unterkunft.
Da Zwangsräumungen auch in Zukunft nicht auszuschließen seien, brauche die Stadt in Saarn Unterbringungsmöglichkeiten. Sie steht bei Räumungen in der Pflicht, bei solchen ungewissen Fällen sofort ein Obdach vorzuhalten. Begründung: „Die vorhandenen Notschlafstellen sind dafür nicht ausgelegt. Sie haben kaum Kapazitäten, und sie verfügen über keine Möglichkeiten, Familien unterzubringen.“
Notschlafstellen sind nicht geeignet, Familien aufzunehmen
Bei einer gemischten Nutzung der städtischen Unterkünfte durch Geflüchtete und Räumungsopfer sehen die Sozialarbeiter und -pädagogen „Konfliktpotenzial“. In solchen Notfällen kann städtisches Personal, „unmittelbar und möglichst für eine kurze Zeit“ das Dorf an der Mintarder Straße in Betrieb nehmen.
Wie die Nutzung der anderen, aufzugebenden Unterkünfte aussehen soll, darüber steht nichts in dem Bericht. Über die Fläche neben dem Steinbruch spekulierte bereits die Nachbarschaft. „Dort sollen teure Häuser gebaut werden. Den Park mit dem Minigolfplatz sehen wir nicht mehr wieder.“ Im Technischen Rathaus will sich dazu niemand äußern.
Bereits im Juli hatten sich Mitglieder der SPD-Rats und -Bezirksfraktion über den Stand der Aktivitäten im Saarner Flüchtlingsdorf informiert. Auffällig damals: Der Willkommensgruß auf Arabisch und Deutsch draußen am grünen Zaun ist verschwunden. Dahinter, zwischen den langen Holzhausreihen, ist kaum ein Mensch zu sehen. „Gerade leben nur etwa 90 Personen bei uns“, sagt Stefanie Dietz. Sie arbeitet im Migrationsbüro des Malteser Werkes Köln. Damals waren nur wenige Geflüchtete anzutreffen. Fortbildungen und Deutschunterricht wie noch in 2018 gab es nicht mehr vor Ort.
SPD-Vorschlag: Auch Unterkünfte an Oberheidstraße und Klöttschen schließen
Weil in Zukunft nur noch wenige Geflüchtete in Mülheim erwartet werden, geht die SPD noch einen Schritt weiter. Sie will wegen schwacher Auslastung auch die Unterkünfte an der Oberheidstraße und am Klöttschen schließen. Daher fragte sie im Sozialausschuss, welche „organisatorischen und finanziellen Konsequenzen“ sich für die Stadt daraus ergeben – als Alternative zur Schließung des Dorfes in Saarn.
In Saarn könnten städtische Kräfte ab 1. Januar 2020 dort den Betrieb fortführen. Für die Grundstücke in Dümpten und Eppinghofen ließe sich „zeitnah eine gewerbliche Nachnutzung oder eine Wohnbebauung realisieren“, lautet die Begründung. Diese Möglichkeit gebe für das Kirmesgelände in Saarn nicht.