Mülheim. . Die Grünen wollten es wissen: Welches Ausmaß hat ein Selbstverschulden Mülheims an der Schuldenmisere? Stadtkämmerer Mendack war gefragt.

Mehr als zwei Milliarden Euro Schulden hat Mülheim in unvergleichlich rasantem Tempo angehäuft, die Pro-Kopf-Verschuldung von mehr als 11.000 Euro übersteigt gar jene von Oberhausen, dem einstigen Sorgenkind der Düsseldorfer Finanzaufsicht. Auf Antrag der Grünen versuchte sich Stadtkämmerer Frank Mendack nun an einer Erklärung: Was sind die Ursachen? Was ist hausgemacht?

Kurz vor der heutigen Ratssitzung präsentierte Mendack jüngst den Finanzpolitikern des Rates Zahlen dazu. Seine Antwort auf die Grünen-Anfrage kam derart prompt, dass man vermuten könnte, Mendack hätte die Präsentation schon in der Schublade gehabt. Hierzu schmunzelte der Kämmerer auf Nachfrage nur. . .

Zins und Tilgung der Investitionskredite

Die Fakten: Die Gesamtverschuldung der Stadt taxierte Mendack auf, in Zahlen: 2.013.000.000 Euro. Mehr als die Hälfte der Kredite dienen der Liquiditätssicherung, auf knapp 900 Millionen Euro summieren sich die Investitionskredite. Zins und Tilgung der Investitionskredite belasten natürlich den Haushalt, ebenso Pflichtaufgaben, die Bund oder Land der Stadt aufzwängen, ohne für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen. An vier Beispielen machte Mendack nun fest, in welcher Ausprägung Mülheims Schulden nicht hausgemacht seien, der Sozialetat etwa weise für 2018 einen Fehlbetrag von alleine mehr als 100 Millionen Euro aus.

Beispiel Hilfen zur Erziehung: Hier fehlen der Stadt in den Jahren 2014 bis 2019 insgesamt knapp 178 Millionen Euro zur Gegenfinanzierung. Beispiel Kosten der Unterkunft: Jedes Jahr bleibe die Stadt auf 40 Millionen Euro der Kosten selbst sitzen, so Mendack. Beispiel Asyl: In den drei Jahren seit 2016 musste die Stadt 61,5 Millionen Euro aus eigener Tasche zahlen. Für den Solidarpakt Ost entstehen der Stadt seit 1992 bis Ende nächsten Jahres Kosten in Höhe von 193,3 Millionen Euro. Nicht umsonst existieren seit Jahrzehnten die Forderungen nach einer auskömmlichen Finanzierung der Kommunen.

Sehr starker Nachholbedarf beim ÖPNV

„Schwieriger“ ist es laut Mendack, die hausgemachten Ursachen der Mülheimer Rekordverschuldung zu benennen – „man tritt häufiger in Fettnäpfchen“. Einen „sehr starken Nachholbedarf in der Konsolidierung“ sieht Mendack bekanntlich beim ÖPNV. Allein in den vergangenen zehn Jahren habe sich eine Finanzierungslücke von 295 Millionen Euro aufgetan.

Auch seinen vergleichsweise hohen Standard bei der Betreuung im Offenen Ganztag lässt sich Mülheim einiges kosten. Je Betreuungsplatz schießt die Stadt im Jahr 2235 Euro zu; Duisburg etwa zahlt keinen Cent extra, Essen nur 548 Euro pro Platz und Jahr. Mülheims Extra-Standard bringt in zehn Jahren fast 41 Millionen Euro neues Defizit. Das sei ja in Ordnung, wenn man den Standard als gesellschaftliche Norm für alle ansehe – dann aber entsprechend etwa über die Grundsteuer die Gegenfinanzierung sicherstelle, so Mendack.

Auch bei Personaleinsparungen hat sich Mülheim im Vergleich zu anderen Städten schwer getan. Zehn Jahre hat es gedauert, um eine Einsparung von 16 Millionen Euro zu erzielen. Laut Mendack wiederum 160 Millionen Euro Schulden, die sich die Stadt bei entschiedenerem Handeln hätte ersparen können.

„Wir sind noch nicht im Sparmodus“

Weitere hausgemachte Schuldentreiber sieht Mendack in den missratenen Finanzgeschäften seines Vorgängers Uwe Bonan (Wettgeschäfte, Franken-Kredite), in den im Städtevergleich ungewöhnlichen, mittlerweile zurückgefahrenen Defiziten im Betrieb von Seniorenwohnheimen (2008-2017: 21,7 Millionen Euro), auch in den Bauprojekten der Hauptfeuerwache und der ÖPP-Schulen. Letztgenanntes Projekt wird am heutigen Freitag das Landgericht Duisburg beschäftigen. Nicht alle Zahlen nannte Mendack in öffentlicher Sitzung des Finanzausschusses; er verwies auf das Geschäftsgeheimnis.

„Wir sind noch nicht im Sparmodus, wir müssen endlich beginnen zu sparen“, schrieb der Kämmerer den Kommunalpolitikern ins Hausaufgabenheft. Ob sie ihm folgen werden, zeigt sich heute bei der Etatsitzung des Stadtrates.