Mülheim. . Nach dem Legionellen-Ausbruch einigte sich das Evangelische Krankenhaus in Einzelfällen auf Geldzahlungen. Was Patienten und Angehörige sagen.
Bis heute hat Monika Stehling „ein komisches Gefühl“, wenn sie das Evangelische Krankenhaus (EKM) betritt. Kürzlich lag ihre Tante dort auf Station, und bei einem Besuch kam alles wieder hoch: Die Erinnerungen an die schlimme Zeit vor rund zwölf Monaten, als sie selbst Patientin an der Wertgasse war und sich nach Tagen im Krankenhaus mit einem Mal eine Lungenentzündung entwickelte. Plötzlich sprach niemand mehr von ihrer Grunderkrankung, sondern jeder nur noch von Legionellen-Pneumonie.
Insgesamt 16 Menschen waren damals im Hospital daran erkrankt; die Bakterien konnten in der Trinkwasserinstallation und der klimatechnischen Anlage des Hauses nachgewiesen werden. Beim Duschen könnten sich die Patienten angesteckt haben, bis heute wäscht sich Stehling deshalb auch in Hotels nur mit höchst ungutem Gefühl.
Krankenhaus zahlte Patientin im Nachgang Geld
Rein rechtlich habe sie sich mittlerweile mit der Klinik geeinigt, außergerichtlich. „Es wurde ein finanzieller Ausgleich gezahlt, über die Konditionen aber Stillschweigen vereinbart“, sagt die 53-Jährige. Rein menschlich sei sie nach wie vor tief enttäuscht: „Von sich aus hat sich das Krankenhaus kein einziges Mal bei mir gemeldet.“ Tätig sei die Klinik erst geworden, nachdem ihr Anwalt in Erscheinung getreten und mit Klage gedroht habe. „Ein netter, kleiner Brief wäre schön gewesen. . .“
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Waltraud Heilker (58) hat ebenfalls vergeblich auf ein Wort der Entschuldigung gewartet: Ihr Freund, Robert-Georges Desfrennes, war Anfang September 2017 als Patient des Evangelischen Krankenhauses an Legionellen-Pneumonie erkrankt. Das Paar war überzeugt davon, dass er sich die Keime vor Ort zugezogen hatte, und entschied daher, einen Anwalt zu kontaktieren und sich über diese Zeitung auf die Suche nach Menschen mit gleicher Krankengeschichte zu machen. Sie alle zusammen, so der Plan, sollten das Hospital auf Schmerzensgeld verklagen.
Zur Schmerzensgeld-Klage kam es nicht
Daraus wurde nichts; Waltraud Heilker ist mittlerweile allein. Ihr Lebensgefährte ist am 28. März 2018 an Krebs gestorben, mit 67 Jahren. „Wir hatten so gehofft, dass er wieder gesund wird.“
Da sie als Freundin keinen Anspruch auf Schmerzensgeld habe und der in Frankreich lebende Sohn kein Interesse an der Fortführung des Rechtsstreits, sei die Sache abgeschlossen. Ins EKM, da ist Heilker sicher, geht sie nicht mehr, „zumindest nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt“.
Viel Verunsicherung bei Patienten und Angehörigen
Für Rita Korwes (71) ging es „nie um Geld“. Sie wollte unbedingt wissen, warum die geliebte Schwester am 24. August 2017 im EKM gestorben ist. Um eine offizielle Aufklärung anzustoßen, habe ihre Tochter, Christiane Korwes, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Duisburg erstattet. „Das Verfahren aber ist ja eingestellt worden“, bedauert Rita Korwes.
Oberstaatsanwältin Devrim Ermiş bestätigte, dass sich bei der verstorbenen Schwester von Rita Korwes, die wegen akuter Leukämie im EKM behandelt worden war, „eine schwere Lungenentzündung entwickelt“ habe. Diese sei aber bereits Mitte August aufgetreten, und damit zeitlich „deutlich vor der Festellung des Legionellen-Ausbruchs am 4. September“.
Hinterbliebene sind „immer noch wütend“
Selbst wenn man von einer großzügigen Inkubationszeit von zehn Tage ausgehe, passe dies zeitlich nicht mit den Vorwürfen überein. Der Todesfall habe zudem nicht näher überprüft werden können, da auch die Schwester von Rita Korwes eingeäschert worden ist.
Korwes und ihre Tochter sind trotzdem „immer noch wütend“ auf das Krankenhaus. „Was da gelaufen ist, war nicht in Ordnung.“ Man habe „versucht, alles unter den Teppich zu kehren, zu verheimlichen und verschleiern“, so die 71-Jährige. Sie vermisse ihre Schwester sehr, habe aber zwischenzeitlich beschlossen, nichts mehr zu unternehmen. „Es nützt ja alles nichts, sie kommt nicht zurück.“
Staatanwaltschaft hat Ermittlungen im Juni eingestellt
Nach dem Legionellen-Ausbruch am Evangelischen Krankenhaus (EKM) im Spätsommer 2017 hatte die Staatsanwaltschaft Duisburg Ermittlungen gegen die Klinik aufgenommen. Wie jetzt bekannt wurde, ist das Verfahren nach umfangreicher Prüfung bereits Ende Juni eingestellt worden: „Wir konnten der Klinik kein strafrechtliches Fehlverhalten nachweisen“, sagt Oberstaatsanwältin Devrim Ermiş.
Im Oktober 2017 war zunächst anonym gegen das Krankenhaus Anzeige erstattet worden, kurze Zeit später hatte auch die Mülheimerin Christiane Korwes bei der Behörde vorgesprochen: Ihre Tante war am 24. August 2017 im EKM gestorben und sowohl Christiane Korwes als auch ihre Mutter Rita waren überzeugt davon, dass die Verwandte sich eine Legionellen-Pneumonie in der Klinik zugezogen habe und daran auch gestorben sei.
Ermittlungsbehörde prüfte Anzeige von Hinterbliebenen
Laut Staatsanwaltschaft ist dieser Verdacht mittlerweile ausgeräumt. Selbst wenn man von einer großzügigen Inkubationszeit ausgehe, sei die Tante, beziehungsweise Schwester, zu früh verstorben, als dass ihr Tod im Zusammenhang mit dem Legionellen-Ausbruch stehen könne.
Nach monatelangen Ermittlungen, in deren Zuge unter anderem das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz ein umfängliches Gutachten erstellte, habe im Sommer festgestanden, dass von strafrechtlich relevantem Fehlverhalten nicht die Rede sein könne. Der Klinik sei „nicht mal ein Fahrlässigkeitsvorwurf“ zu machen. Man habe alles überprüft, so Oberstaatsanwältin Devrim Ermiş, und könne „nicht sagen, warum die Legionellen überhaupt ausgebrochen sind“.
Staatsanwältin: Keinerlei Organisationsverschulden
Die Klinik habe das Trinkwasser regelmäßig beproben lassen, letztmalig im März 2017. Zwei selten genutzte Räume seien dabei aufgefallen, diese habe man dann einer thermischen Desinfektion unterzogen. Es sei „keinerlei Organisationsverschulden“ erkennbar, so Ermiş. Die vier Todesfälle, die mit den Geschehnissen im Krankenhaus in Verbindungen gebracht worden waren, hätten nicht mehr näher überprüft werden können, da alle vier Leichen eingeäschert worden waren.
Letztlich sei es daher noch um die Frage gegangen, ob von (fahrlässiger) Körperverletzung gesprochen werden könne. Dafür aber habe es keinen dringenden Tatverdacht gegeben, weshalb das Verfahren eingestellt worden sei.