Mülheim. . Ein Mann gegen die Rennbahn: Michael Wasnick stellt sich mit seinen Drohungen im politischen Mülheim ins Abseits. Aber die Nervosität ist hoch.
„Jetzt hab’ ich alles, was ich brauche!“ Michael Wasnick grinste, machte aber doch einen Schritt zurück, um dem wutschnaubenden FDP-Fraktionschef Peter Beitz am Donnerstagabend nach der Sitzung des Hauptausschusses ein wenig zu entkommen. Wasnick will mit allerlei Strafanzeigen dem Rennbahn-Betrieb am Raffelberg den Garaus machen und damit den Weg ebnen für Gewerbeansiedlungen am Raffelberg. Damit hat er die Politik im Hauptausschuss in aufgeregte Empörung versetzt.
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Michael Wasnick droht den Vorständen von altem und neuen Rennverein mit Strafanzeigen wegen mutmaßlicher Insolvenzverschleppung, darunter auch Alt-OB Dagmar Mühlenfeld als ehemaliger Präsidentin. Gegenüber Mühlenfeldäußert Wasnick gar den Verdacht der Untreue, weil sie nichts unternommen habe gegen den steten Werteverfall der Anlagen, insbesondere des Gutshofgebäudes. Auch die Politiker, die im Januar dem Rettungsplan für den Rennbahnbetrieb zugestimmt haben, glaubt Michael Wasnick am Schlafittchen zu haben. Sie würden im Zweifel für finanzielle Schäden, die die Stadt genommen habe, persönlich haften müssen, glaubt er.
Wasnick macht seine Strategie gegen den Rennbahn-Betrieb an einem Paragrafen des Erbbaupachtvertrages zwischen Stadt und Betreibern aus dem Jahr 2004 fest, der mit politischer Zustimmung im Januar eins zu eins auf den neuen Rennclub übergegangen ist. Darin heißt es, dass der Pächter verpflichtet ist, „das Erbbaugrundstück sowie die Gebäude und Anlagen nebst Zubehör ihrer Bedeutung entsprechend zu unterhalten. Die zu diesem Zweck erforderlichen Ausbesserungen und Erneuerungen sind jeweils unverzüglich auf eigene Kosten vorzunehmen.“
Anträge überraschend auf öffentlicher Tagesordnung
Wasnick, ehemals als sachkundiger Bürger in einigen Ratsauschüssen tätig, ließ nun von Lutz Zimmermann von der Ein-Mann-Ratsgruppe „Mülheim 5 vor 12“ zwei Anträge im Hauptausschuss platzieren, bei deren brisantem Inhalt samt Begründung angedrohter Strafanzeigen und Vertragsdetails es verwundert, dass sie es auf die Tagesordnung der öffentlichen Sitzung geschafft hatten. Zimmermann wollte für Wasnick eine Befreiung von dessen Schweigepflicht erreichen und stellte darüber hinaus erneut kritische Fragen zur Rennbahn-Rettung, nachdem ihm Kämmerer Frank Mendack zuvor in nicht-öffentlicher Sitzung im Mai laut Protokoll, das dieser Zeitung vorliegt, nur sehr spärlich Antworten gegeben hatte.
Zimmermann wollte nun wissen, warum die Stadt weiter nicht erklärt habe, ob und zu welchem Zeitpunkt sie eine rund 8000 Quadratmeter große Fläche rund um den alten, höchst sanierungsbedürftigen Gutshof aus dem Pachtgelände für eine Wohnbauentwicklung rausnehmen werde. Die Politik hatte im Januar beschlossen, dass hierzu bis Ende Juli ein Beschlussvorschlag erarbeitet sein sollte; es war Teil des Rettungsplans.
Gutshof-Frage ist immer noch nicht geklärt
Mendack berichtete nun, dass sich die Sache schwierig gestalte. Einerseits sei nicht klar, welche Fläche genau zur Heraustrennung zur Verfügung stehe. Andererseits sei immer noch nicht klar, ob für den Gutshof der Denkmalschutz greife. Das kläre sich aber wohl noch in diesem Jahr. Ein Grundstück mit marodem Denkmal dürfte schwer zu vermarkten sein. Aus den Erlösen will die Stadt allerdings neue Mietboxen für den Rennclub finanzieren. Ein Minusgeschäft soll ausgeschlossen sein.
Folglich ist der marode Gutshof weiter Bestandteil des Pachtvertrages. „Wenn der Gutshof weiterhin beim Rennclub bleibt, müssen laut Pachtvertrag die notwendigen Sanierungen unverzüglich vorgenommen werden“, sagte Zimmermann. Für ihn ist das Gutshofgelände über Jahre „rechtswidrig nicht saniert“ worden. Wenn nun auch der neue Rennclub finanziell nicht in der Lage sei, unverzüglich zu sanieren, könne dieser gezwungen sein, Insolvenz anzumelden.
Kämmerer: Rennclub setzt Prioritäten bei Investitionen
Kämmerer Frank Mendack verwies in einer Reaktion darauf, dass der Rennclub seinerzeit dem Insolvenzverwalter, der Sparkasse als Hauptgläubigerin (1,5 Millionen Euro) und der Stadt einen Wirtschafts- und Investitionsplan vorgelegt habe, der die Fortführung des Rennbahn-Betriebes samt Bewirtschaftung aller Gebäude ermögliche. „Es obliegt dem Rennclub, eine Priorisierung der vorgesehenen Investitionen vorzunehmen“, so Mendack.
Hendrik Dönnebrink als Chef der Beteiligungsholding stützte diese Sicht, wobei Wirtschafts- und Investitionsplan unter Verschluss sind. Der neue Rennclub habe trotz Einstiegs in den alten Pachtvertrag nicht zu befürchten, wegen Insolvenzverschleppung belangt zu werden. Der Club sei laut Vertrag eben gehalten, die Anlagen und Gebäude „ihrer Bedeutung entsprechend“ zu erhalten. Der Club wolle zuvorderst Rennen austragen und habe seine Priorität folgerichtig auf die Ertüchtigung von Rennbahn und Tribünen gelegt. Die vertragliche Festlegung, Mängel seien unverzüglich zu beheben, sei mit Blick auf den maroden Gutshof „nicht überzubewerten“, „die Bedeutung des Gutshofes hat für den Rennclub C-Priorität“, so Dönnebrink.
Zimmermann verweist auf miserable Haushaltslage
Zimmermann gab sich damit nicht zufrieden, seine Sicht ist eine andere: „In unserer finanziellen Situation müssen wir einmal kreativer mit unseren städtischen Grundstücken umgehen, aber auch darauf achten, dass Unterhaltungspflichten von Pächtern eingehalten werden.“ Das gelte insbesondere für den vorliegenden Fall, bei dem das verpachtete Grundstück mit Krediten belastet werde, die im Grundbuch zu Lasten der Stadt abgesichert sind.
Die Duisburger Staatsanwaltschaft gab am Freitag die Auskunft, dass ihr in der Sache noch keine Strafanzeigen vorlägen. Allein von Amts wegen werde man nicht tätig, nur weil die Vorwürfe öffentlich gemacht worden seien.
Spliethoff (SPD) zweifelt an Wasnicks Glaubwürdigkeit
Lutz Zimmermann und Michael Wasnick ernten für ihr Bestreben, dem Rennbahn-Betrieb am Raffelberg den Dolchstoß zu verpassen, politische Entrüstung.
Er sei „entsetzt von einem solchen Handeln“, ging SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff Initiator Wasnick im Hauptausschuss persönlich an und stellte dessen Glaubwürdigkeit in Frage. Spliethoff verwies darauf, dass Wasnick im Internet mit allerlei Verschwörungstheorien unterwegs sei, so zu einem angeblichen Völkermord der Alliierten an Deutschen 1945 in den Rheinwiesen oder dazu, dass die Anschläge vom 11. September 2001 eine Lüge seien. „Ein Hobby“, sagt Wasnick.
Beitz (FDP): Rennbahn hat „Wucht und Qualität“
Zur Sache, zu den Unterhaltungspflichten des Pachtvertrages, äußerte sich Spliethoff ebenso wenig wie Hermann Stollen (Grüne) und Peter Beitz (FDP). Stollen und Beitz hoben das Engagement des jungen Rennclubs hervor, in dem sich „das Who is who“ der deutschen Galopprennszene versammelt habe, um Mülheims Rennbahn wiederzubeleben. „Wir brauchen da absolut kein Gewerbegebiet“, sagte Beitz, der Wasnick nach der Sitzung noch einmal lautstark eine Standpauke hielt. Als Bürger müsse man „die Wucht und Qualität der Rennbahn“ sehen. Stollen sprach von einem „Stück Naherholungsgebiet“, bei Plänen für eine gewerbliche Entwicklung müsse man „gegenhalten“.
Die Politik verweigerte Wasnick die Entbindung von der Schweigepflicht, die er beansprucht hatte, um Strafanzeigen gegen alte Vorstände von Rennverein und Rennclub sowie Alt-OB Dagmar Mühlenfeld zu prüfen. Rechtsdezernent Frank Steinfort verglich Wasnick mit Whistleblower Edward Snowden, „der auch nicht wusste, was er machen sollte“. Wasnick habe trotz Hinweises aus dem Rechtsamt auch „nicht erklärt, wo eigentlich seine Probleme sind“. Laut Steinfort kann Wasnick zwar seine Strafanzeigen stellen, aber nicht als Zeuge „über nicht-öffentliche Vorgänge in der Verwaltung“ aussagen, wenn er keine Befreiung von der Schweigepflicht habe. Die sei ihm nur als „ultima ratio“ zu gewähren, wenn „zunächst die gesetzlichen Möglichkeiten einer Beanstandung rechtswidriger Beschlüsse durch den OB sowie eines Einschaltens der Aufsichtsbehörde ausgeschöpft worden sind“. Steinfort nannte Wasnicks Vorwürfe „relativ diffus“, für sie seien keine Anhaltspunkte erkennbar.
BAMH: Vereine strafrechtlich nicht zu belangen
Mit Blick auf die Investitionsverpflichtung zum Erhalt von Anlagen und Gebäuden auf dem Rennbahngelände sagte BAMH-Fraktionschef Jochen Hartmann, ein Staatsanwalt, dass sich seiner Meinung nach die Rennvereine höchstens wegen Vertragsverletzungen zivilrechtlich, aber keinesfalls strafrechtlich zu verantworten hätten. Strafrechtliche Relevanz könne der Fall allenfalls für Mitglieder des Verwaltungsvorstandes entfachen, „weil sie nicht auf die Einhaltung des Vertrages geachtet haben“. Hartmann blieb von der Verwaltungsspitze unwidersprochen.
Wasnick und Zimmermann haben bei der Politik, der die Rennbahn wie vielen Bürgern am Herzen liegt, einen empfindlichen Nerv getroffen. Den Schlusssatz nach aufgeheizter Debatte machte OB Ulrich Scholten: „Wir sollten dafür sorgen, dass uns die Rennbahn erhalten bleibt und dem Rennclub Erfolg wünschen.“ Die Verwaltung sei bereit, Rechtsfragen „zu begleiten“.
>> DAS IST MICHAEL WASNICK
Wer ist der Mann, der wild entschlossen ist, dem Rennbahn-Betrieb ein Ende zu setzen, um vor Ort ein Gewerbegebiet möglich zu machen?
Michael Wasnick (48) lebt seit 1979 in Mülheim, hat nach eigener Auskunft im Betrieb seiner Eltern, beim ehemaligen Fordhändler Deterding in Styrum, eine kaufmännische Ausbildung gemacht und ein Studium als Kfz-Betriebswirt angeschlossen. Heute ist Wasnick Privatier, lebt als „Immobilienbewirtschafter“ von den Mieteinnahmen seines Eigentums.
Kommunalpolitisch aktiv sei er durch Zufall geworden, als er vor rund zwei Jahren mit Ratsherr Lutz Zimmermann, damals noch für die AfD-Abspaltung Alfa unterwegs, bei einer Wahlwerbe-Aktion ins Gespräch gekommen sei, sagt Wasnick. Als sachkundiger Bürger war Wasnick einige Zeit in Ausschüssen tätig.
Wasnick hält Kontakte zu Mülheims AfD
Zuletzt wollte er sich der Fraktion vom Bürgerlichen Aufbruch anschließen, fand dort nach eigenem Bekunden aber keine Unterstützung für seine Anti-Rennbahn-Haltung. Kontakte hält Wasnick auch zu Mülheims AfD, die sich bislang zu Versammlungen an geheim gehaltenen Orten trifft; offenbar aber einigen Zulauf hat, wovon Fotos in sozialen Netzwerken zeugen.
Im Netz agitiert er mit rechtspopulistischen Posts und hanebüchenen Verschwörungstheorien. Eine politische Zukunft in Mülheim sieht Wasnick nicht mehr: „Mich wird niemand mehr haben wollen. In zwei Jahren weiß niemand mehr, wer Wasnick ist. Damit kann ich leben. Aber einmal tue ich jetzt das Richtige.“