Mülheim. . Folgen der Digitalisierung werden in Mülheim ausgeprägter sein als anderswo. Der Wirtschaftsförderer appelliert an Betriebe, aktiv zu werden.
Die Digitalisierung, so die Befürchtung, wird in Mülheim im Vergleich zu umliegenden Städten besonders viele bestehende Arbeitsplätze gefährden. Chef-Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier appelliert daher an heimische Unternehmer, insbesondere an die kleinen und mittelgroßen Betriebe, verstärkt nach Innovationen Ausschau zu halten, die helfen könnten, die Entwicklung abzufedern.
Automatisierung, Robotik, 3D-Druck. . . Die zunehmende Technisierung wird die Arbeitswelt grundlegend ändern. Mit Blick auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zur Substituierbarkeit herkömmlicher beruflicher Tätigkeiten durch Computer und Co. sehen die hiesige Arbeitsagentur und die Wirtschaftsförderung eine besondere Herausforderung auf Mülheims Wirtschaftsstandort zukommen.
Digitalisierung wird in Mülheim spürbar werden
Denn was bisher stets als besondere Stärke des Standorts herausgestellt wurde, könnte jetzt zur Belastung werden. Dass in Mülheim weiter nahezu ein Drittel der Arbeitsplätze an die gewerblich-industrielle Produktion gebunden sind, wird bei der Digitalisierung spürbar werden. Das IAB hat festgestellt, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt nirgends so einschlagen wird wie in diesem Wirtschaftszweig.
Mehr als 70 Prozent aller Tätigkeiten in Fertigungsberufen könnten durch Technik ersetzt werden. Insgesamt seien von der Digitalisierung theoretisch 11 300 bis 13 100 Arbeitsplätze in Mülheim betroffen, verweist Schnitzmeier auf eine vom IAB für Mülheim prognostizierten Quote, nach der 19 bis 22 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Jobs Gefahr laufen, von der Digitalisierung aufgefressen zu werden. „Das ist kein Automatismus, dass es so kommt“, sagt Schnitzmeier. „Aber es ist das Risiko, das wir haben.“
Laufende Geschäfte haben Vorrang vor Innovationen
Ob ein Großer wie Siemens oder der kleine Mittelständler: Alle Betriebe würden sich der Digitalisierung stellen müssen. Die Wirtschaftsförderung hält es für notwendig, dass in neue Produkte und Arbeitsplätze investiert wird. Dafür gelte es zu sensibilisieren. Denn: „Zwei Drittel der kleinen und mittelständischen Unternehmen räumen ein, dass die laufenden Geschäfte Vorrang vor Innovationen haben“, so Schnitzmeier. Gerade im Ruhrgebiet sei die Innovationskraft unterdurchschnittlich ausgeprägt. „Man muss was tun“, sagt er.
Die Wirtschaftsförderung sieht zumindest die Rahmenbedingungen in Mülheim geschaffen, viel sei in Wissenschafts- und Forschungsinfrastruktur reingesteckt worden, siehe Hochschule oder Max-Planck-Institute. Auch der Breitband-Ausbau sei weiter fortgeschritten als anderswo, dazu gebe es mit dem „Ruhr-Hub“ eine zentrale Plattform, die die regionale Wirtschaft fit machen soll für die Digitalisierung.
Zu wenige Mittelständler nehmen Angebot an
Nur, so Schnitzmeier: Noch zu wenige Mittelständler nähmen die Angebote wahr, das gelte auch für das neue Hochschul-Labor zum „Internet der Dinge“, wo 3D-Drucker zum Test bereitstehen, Produktionsabläufe simuliert oder Werkstoffe getestet werden können. Die Wirtschaftsförderung will mit der Forschungs- und Transferstelle der Hochschule sowie Zenit auf Mittelständler und Industriebetriebe zugehen und dafür werben, die Angebote zu nutzen.
Darüber hinaus will sich „Mülheim & Business“ im Verbund des westlichen Ruhrgebiets um eine Projektförderung aus dem Landestopf „Regio.NRW – Innovation und Transfer“ bewerben. Es soll dann in einem ersten Schritt eingehend analysiert werden, wo das westliche Ruhrgebiet Nachholbedarf in der Infrastruktur hat, die Innovationen und Wissenstransfer unterstützen kann. Die Pläne für ein neues, hochschulnahes Innovationszentrum in Broich hat Oberbürgermeister Ulrich Scholten bekanntlich aus Geldmangel auf Eis gelegt. Die Wirtschaftsförderung bleibe aber dran, so Schnitzmeier.
Der Wirtschaftsförderer sieht zu wenig Dynamik
„Wir leben sehr aus der Substanz, Innovationen sind dringend nötig“, sagt Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier.
In diesem Zusammenhang verweist er auf mangelnde Dynamik. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf sei in jüngerer Vergangenheit in Mülheim wesentlich weniger gewachsen als in anderen Städten aus der Nachbarschaft.