Mülheim. . Die Pläne für ein Innovationszentrum auf dem Areal südlich vom Güterbahnhof in Speldorf liegen vorerst auf Eis. Es mangelt mal wieder am Geld.
Seit der Ansiedlung der Hochschule besteht auch die Hoffnung, dass aus der Wissenschaft heraus Firmen erwachsen und vor Ort neue, zukunftsträchtige Arbeitsplätze entstehen. Das Ziel bestehe fort, betont Kanzler Helmut Köstermenke. Noch sei die Saat aber zu frisch, um zu ernten. Planungen für ein Innovationszentrum nahe der Hochschule sind derweil in Wartestand geraten. Die Stadt hat ohne Förderung kein Geld.
Die Hochschule als Zentrum für Ausgründungen – eine solche Entwicklung hat Köstermenke schon einmal erlebt, bei seiner ersten Hochschulstation in Villingen-Schwenningen. „Es gab dort 18 Prozent Arbeitslosigkeit, für Baden-Württemberg ein fataler Wert“, erinnert er sich, dass seinerzeit auch in Villingen-Schwenningen hohe Erwartungen an die dortige Hochschulgründung geknüpft waren. „Es dauert aber 15 bis 20 Jahre, bis sich Ausgründungen etablieren“, sagt Köstermenke. Wenn allerdings einmal der Anfang gemacht sei, setze der Domino-Effekt ein. . .
Der Effekt von Ausgründungen
Mülheims Hochschule Ruhr West ist keine zehn Jahre alt, die jüngeren Studiengänge haben noch gar keine Absolventen auf den Markt der Möglichkeiten gespült. Es sei noch zu früh, auf den Effekt von Ausgründungen zu setzen, so Köstermenke. Gleichwohl sei man dabei, „den Nährboden zu bereiten“.
Die aus Informatikern und Finanzexperten bestehende Gruppe „Streamcake“ etwa feilt an einer solchen Geschäftsidee. Streamcake will einen Live-Streamingdienst bieten, der Zuschauern die Möglichkeit bietet, auf das Streaming-Erlebnis direkt Einfluss zu nehmen und es nach seinen eigenen Wünschen zu gestalten.
Eine überschaubare Gründer-Community
Das klingt dynamisch – genau jene Dynamik will die Hochschulleitung befördern. Hochschulpräsidentin Prof. Dr. Gudrun Stockmanns will potenziellen Gründern „viel strategische Unterstützung“ bieten, nach dem Aufbau der Studiengänge sei man zunehmend dabei, die Studenten für das Gründer-Thema zu sensibilisieren. Noch existiert nur eine überschaubare Gründer-Community unter dem Dach des Projektes „Starbuzz“ auf dem Tengelmann-Areal. Das Thema Gründung sei aber schon in der Lehre etabliert, zudem rufe die Hochschule zum Gründerwettbewerb auf. „Das Thema ist vermehrt in der Pipeline, man muss eine Kultur dafür entwickeln“, sagt Gudrun Stockmanns.
Gelände südlich des alten Speldorfer Güterbahnhofs
„Wenn wir hier vermehrt Gründungsaktivitäten haben, müssen wir schauen, wo die Gründer unterkommen können, wenn sie fliegen“, sagt sie. Eine Lösung könnte ein Steinwurf weit entfernt entstehen, an der Liebigstraße. Dort, südlich des alten Speldorfer Güterbahnhofs, ist die Stadt dabei, Baurecht zu schaffen, das die Möglichkeit für eben ein Innovationszentrum und die Ansiedlung hochschulnahen Gewerbes ermöglicht.
Zurzeit haben im Verfahren die Gutachter das Heft in der Hand. Altlasten sind umfangreich rund um das ehemalige Schrottplatz-Gelände festgestellt. Am Güterbahnhof stellen Denkmalschützer die Frage, ob der alte Ablaufberg, eine alte Rangierhilfe, nicht erhaltenswert sein könnte. . . „Nächstes Jahr könnte Baurecht geschaffen sein“, so Planungsamtsleiter Felix Blasch.
Umsetzung erst einmal verschieben
Ein Innovationszentrum wird wohl noch länger auf sich warten lassen. Jüngst ließ Oberbürgermeister Ulrich Scholten beim Arbeitnehmerempfang die Katze aus dem Sack: „Wir müssen die weitere Umsetzung erst einmal verschieben und zusammen mit der Hochschule diese Phase mit Bordmitteln überbrücken“, sagte er da mit Blick auf den drastischen Gewerbesteuereinbruch, der Anfang des Jahres eine Haushaltssperre hervorgerufen hatte.
Die Wirtschaftsförderung habe zwar mit der Hochschule ein erstes Konzept für das Zentrum erarbeitet, das nicht nur Unternehmensgründern Raum zur Entfaltung und hoch qualifizierte Arbeitsplätze bieten, sondern auch Industriebetriebe „zum Mitmachen“ einladen soll. Doch das Geld fehlt offenbar. Scholten sagte beim Arbeitnehmerempfang, die Detailplanungen und Verhandlungen mit dem Land über eine konkrete Förderung und Unterstützung lägen vorerst auf Eis.
Mehrere Betreibermodelle sind denkbar
Chef-Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier betonte zuletzt gegenüber dieser Zeitung, dass es „noch keinen konkreten Zeitplan“ für den Bau eines Innovationszentrums gebe und verwies auch hinsichtlich möglicher Investitions- und Betreiberkonzepte auf „interne Diskussionen“.
Der Baugrund an der Liebigstraße, auf dem das Zentrum angedacht ist, gehört dem Mülheimer Wohnungsbau. Die Genossenschaft ist nicht unerfahren, mit der Stadt gemeinsam Immobilienprojekte zu stemmen. So entstand das Haus der Wirtschaft an der Wiesenstraße, das neben der städtischen Wirtschaftsförderung reichlich Fläche für junge Firmen bietet. Die Stadt sicherte dem MWB dereinst als Sicherheit für die Investition zu, über viele Jahre bei Leerständen Mietausfälle zu ersetzen. Der MWB konnte so risikolos Geld in die Hand nehmen.
Mögliche Beteiligungen von Land und Stadt
Eine solche Partnerschaft wäre auch für ein Innovationszentrum an der Liebigstraße denkbar, sollte die Politik erneut mitspielen. „Es sind unterschiedliche Formen denkbar“, sagt Wirtschaftsförderer Schnitzmeier. Es könne auch ein öffentliches Innovationszentrum, an dem Land und Stadt beteiligt seien, geschaffen werden. Es könne rein privat bleiben. Oder auch als öffentliche-private Partnerschaft organisiert werden. Die örtliche „Stärkungsinitiative Industrie“ (Stadt, Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Organisationen) sitzt mit im Boot.
In Aalen betreiben Hochschule und Stadt das Zentrum
Dabei sollen auch Referenzprojekte wie in Aalen oder Hamm besichtigt werden. In Aalen betreiben Hochschule und Stadt das mit EU-Mitteln geförderte Innovationszentrum, das über Labore und gar eine Maschinenhalle für Großgeräte verfügt. In Hamm entsteht ein Innovationszentrum als Bindeglied zwischen der dortigen Hochschule und Fraunhofer Zentrum auf der einen und der Wirtschaft auf der anderen Seite.
Betreiberin ist die Wirtschaftsförderung Hamm. Die EU trägt 80 Prozent der Finanzierung von Bau und Betrieb des Zentrums. Ende 2017 flossen 8,7 Millionen Euro dafür vom Land nach Hamm.