Mülheim. . Zum geplanten Stellenabbau bei Siemens laufen Sondierungsgespräche. Mülheims Betriebsratschef fordert politische Initiative für Industriekonzept.

Noch heute sind die rund 4500 Siemens-Beschäftigten in Mülheim aufgerufen zur Betriebsratswahl. Dessen Vorsitzender Pietro Bazzoli hofft auf eine noch einmal stärkere Beteiligung. „Es ist wichtig, Rückendeckung zu bekommen“, sagt er mit Blick auf die laufenden Sondierungsgespräche mit der Arbeitgeberseite zum Abbau von weit mehr als 700 Jobs am Standort.

Vor vier Jahren war die Wahlbeteiligung laut Bazzoli schon von 60 auf 67 Prozent geklettert. „Meine klare Erwartung ist, das zu toppen, ich hätte gerne eine Sieben vorne“, sagt der langjährige Chef des Betriebsrates. Die Pläne zum Stellenabbau beträfen alle Funktionen, gingen quer durch den Standort, macht Bazzoli noch mal die Tragweite der laufenden Sondierungsgespräche deutlich.

741 Stellen stehen auf der Streichliste

741 Stellen stehen ohnehin auf der Streichliste der Konzernspitze. Zudem ist Mülheim betroffen von Überlegungen, die IT mit externen Partnern auszulagern. Bazzoli rechnet derzeit damit, dass zusätzlich zur Zahl „741“ ein Viertel der rund 80 IT-Jobs vor Ort akut gefährdet ist.

Siemens-Betriebsratsvorsitzender Pietro Bazzoli
Siemens-Betriebsratsvorsitzender Pietro Bazzoli

Zwei Sondierungsgespräche zwischen Arbeitnehmer-und Arbeitgeberseite zum umfangreichen Stellenabbau in der Kraftwerkssparte von Siemens sind gelaufen. Der Standort Mülheim soll bisher nicht Thema gewesen sein. Ohne auf Gesprächsinhalte näher eingehen zu wollen, wertet Bazzoli allein den Umstand, dass der Gesprächsfaden nicht abgerissen sei und man im April wieder zusammensitze, als positives Zeichen.

Siemens-Vorstand Joe Kaeser hatte jüngst am Rande der Hauptversammlung aufhorchen lassen, als er für das von der Schließung bedrohte Turbinenwerk in Görlitz (Sachsen) den Ausweg in Aussicht stellte, dass zur Rettung der rund 1000 Arbeitsplätze dort ein „Industriekonzept Oberlausitz“ denkbar sei.

Bazzoli fordert Alternativen zum Stellenabbau

„Kaeser hat seine Mannen damit erheblich unter Zugzwang gesetzt“, sagte Bazzoli zu dieser Zeitung. Er sieht Rückenwind für eine schon ältere Forderung aus Mülheim. Kaesers Überlegungen zu Görlitz könnten „eine Blaupause auch für Mülheim“ sein. Bazzoli fordert eben auch Alternativen zum bloßen Stellenabbau. In Nordrhein-Westfalen sei Fachkräftemangel schon jetzt ein Thema. Die Frage sei, auch mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen bei RWE und Eon, ob mit Hilfe der Landespolitik ein Netzwerk zu schaffen sei, um Ideen zu entwickeln, wie man gemeinsam „etwas Sinnvolles“ aus der Situation macht.

Großes Thema: Speichertechnologien

Als großes gemeinsames Thema macht Bazzoli die Speichertechnologien aus. Mit der Netzstabilität bei der Stromversorgung gebe es zunehmend Probleme. E-Mobilität, Klimaschutz und Digitalisierung seien weitere Aufgabenfelder, die es zu beackern gelte. „Die Politik muss die Ankerfirmen an einen Tisch bringen und eine Agenda für die Zukunft schaffen. Es gibt genügend Geschäftsfelder, auf dem man gemeinschaftlich was zustande bringen könnte“, ist sich Bazzoli sicher, dass aus einer konzertierten Aktion Perspektiven auch für Mittelständler der Ruhr-Region erwachsen könnten.

<<<VORSTAND WILL EINIGUNG BIS ZUM SOMMER

Bis zum Sommer, so war das Ziel des Konzernvorstandes, soll eine Einigung mit den Arbeitnehmervertretern zum Abbau von 6900 Stellen in der Kraftwerkssparte erzielt sein.

„Bis Sommer ist noch Zeit“, sagt dazu Betriebsratschef Pietro Bazzoli, doch stellt er fest: „Ich halte es aus heutiger Sicht für schwierig. Es ist die Frage, wie viel Bewegung jetzt in die Verhandlungen kommt.“

Siemens verdient weiter gutes Geld mit Turbinen und Generatoren, die Ergebnismarge war zuletzt aber von 12,0 auf 7,6 Prozent zurückgegangen.