Mülheim. Der Sanierungsplan steht offenbar, Mitte Januar können die Gläubiger abstimmen. Kündigungen gab es nicht. Ganztagsbetreuung ging aber verloren.

Gut ein Jahr ist vergangen, seit die Awo Mülheim Insolvenz anmelden musste. Das Wohlfahrtsunternehmen ging in ein „Eigenverwaltungsverfahren“, um auf diesem Wege wieder Boden zu gewinnen. Nun kündigt Sanierungsgeschäftsführer Volker Schreck, der seither neben Lothar Fink am Ruder sitzt, ein baldiges Ende des Verfahrens an: „Die Sanierung“, so teilt er auf Anfrage dieser Zeitung mit, „wird in den kommenden beiden Monaten erfolgreich beendet sein.“

Mitte Januar könne die Gläubigerversammlung über den nunmehr vorliegenden Insolvenzplan abstimmen. Wenn dieser Zustimmung findet, muss er noch durch das Amtsgericht Duisburg bestätigt werden. Dass dies gelingen wird, daran hat offenbar auch Geschäftsführer Lothar Fink kaum mehr Zweifel. Er erklärt: „Die Awo Mülheim wird im Februar 2018 aus dem Verfahren entlassen sein.“

Gewerkschaft meint: Es läuft

Nach Angaben der Geschäftsführung befindet sich das Unternehmen wieder in einer stabilen wirtschaftlichen Lage. „Alle Lieferanten werden weiterhin pünktlich bezahlt, und auf weitere Fremdfinanzierungsmittel konnte verzichtet werden.“ Entspannt wird die Situation auch bei der Gewerkschaft betrachtet: „Es läuft“, sagt Verdi-Sekretär Björn Jadzinski. „Zwischenzeitlich hat es Umstrukturierungen gegeben, aber wir sehen keinen Grund zur Aufregung.“

Die wohl größte Veränderung besteht allerdings darin, dass die Awo sowohl die Ganztagsbetreuung als auch die Schulsozialarbeit im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes (BuT) an einigen Mülheimer Grundschulen verloren hat. Im Neujahrsgruß 2018 von Awo-Vorstand und Geschäftsführung, der in der hauseigenen Zeitschrift veröffentlicht wurde, heißt es, dies zähle „zu den Ärgernissen, die den Erfolg des Verfahrens immer wieder erschweren“. Nach Auskunft von Volker Schreck sind diese Maßnahmen durch die Stadt neu ausgeschrieben wurde. Die Awo habe daran teilgenommen, die Träger auch fachlich überzeugt, doch den Zuschlag hätten andere Anbieter bekommen – wegen des laufenden Insolvenzverfahrens.

Für die Durchführung der offenen Ganztagsschule hatte der Awo-Kreisverband 2017 noch insgesamt 900 000 Euro an städtischen Zuschüssen erhalten. Hier bricht also ein erheblicher Posten weg, der künftig durch andere Einnahmequellen aufgefangen werden muss.

Insgesamt hatte die Stadt Mülheim im Vorjahr knapp 2,2 Mio. Euro an die Awo gezahlt. Alle anderen Leistungen, etwa die Schuldnerberatung oder die Jugendarbeit, laufen auch 2018 ohne nennenswerte Einschränkungen weiter. Allerdings wurde mit der Stadt eine Vereinbarung getroffen, wonach die Zuschüsse nur noch monatlich im Nachgang gezahlt werden, es keine Vorschüsse mehr gibt. „Dies wird auch so bleiben, bis das Verfahren abgeschlossen ist“, erklärt Sozialdezernent Ulrich Ernst. „Danach wird die Awo wieder genauso behandelt wie alle anderen auch.“

Berufliche Fortbildung anbieten

Um sich erfolgreich sanieren und zukunftsfähig aufstellen zu können, muss die Awo Mülheim zwingend neue Aufgabenbereiche erschließen. Sobald das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist, sollen zum einen bestehende Geschäftsfelder ausgebaut werden, kündigt Sanierungsgeschäftsführer Volker Schreck an: „Dazu gehört beispielsweise die Weiterentwicklung des Begegnungs- und Servicezentrums für Senioren und die Wohneinrichtung für Menschen mit psychischer Erkrankung.“

Neu einsteigen will die Awo in Arbeitsmarktdienstleistungen, etwa Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Auftrag der Arbeitsagentur. Doch auch hier muss man abwarten, bis das Verfahren beendet ist, da insolvente Unternehmen von den meisten Ausschreibungen ausgeschlossen sind.

Die internen Vorbereitungen für künftige Arbeitsmarktdienstleistungen laufen aber offenbar schon: „Für das neue Geschäftsfeld“, erklärt Schreck, „hat sich die Awo personell verstärkt.“

Keine Kündigungen aufgrund der Insolvenz

Während des Insolvenzverfahrens gab es keine Kündigungen. Darauf sei er „stolz“, sagt Awo-Geschäftsführer Lothar Fink.

Wie die Gewerkschaft Verdi bestätigt, haben auch alle rund 220 Awo-Mitarbeiter Ende 2017 ihr Weihnachtsgeld bekommen, 83 Prozent des Bruttomonatslohns. Im Neujahrsgruß der Unternehmensleitung heißt es, der Kreisverband sei nun „zum ersten Mal seit Jahrzehnten“ wieder in der Lage, die Gehälter aus eigener Kraft zu zahlen und nicht aus Krediten.