Mülheim. . Mülheimer besuchen meist nicht freiwillig Erste-Hilfe-Kurse. Könnte ich im Notfall helfen? Diese bange Frage stellen sich wohl viele.
- Sieben Teilnehmer sind zum Ausbildungszentrum desDeutschen Roten Kreuzes (DRK)gekommen
- Freiwillig sind sie alle nicht hier: Entweder sie sind betrieblicher Ersthelfer oder Führerscheinanwärter
- Dabei wäre es im Ernstfall so wichtig zu wissen, wie Wiederbelebung funktioniert
Plötzlich knallt es vor einem – ein Verkehrsunfall, und nun muss Erste Hilfe geleistet werden. Bei vielen Menschen liegt der letzte Erste-Hilfe-Kurs lang zurück. Verblasste Erinnerungen an den Lehrgang für den Führerschein werden wach. Könnte ich im Notfall helfen? Diese bange Frage stellt sich wohl so mancher. Doch freiwillig besucht kaum jemand Erste-Hilfe-Kurse.
Sieben Teilnehmer kommen zum Ausbildungszentrum des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) an der Hansastraße. Sie nehmen an einem Erste-Hilfe-Kurs teil, der von Andreas Hahn geleitet wird. Seit rund 20 Jahren erklärt er ihnen, wie im Notfall geholfen werden kann. Auf dem Lehrplan steht heute, was bei Wunden, Kreislaufproblemen, Herzinfarkten und Verkehrsunfällen zu tun ist. „Nur wenige kommen freiwillig. Die meisten müssen sich berufsbedingt als betriebliche Ersthelfer ausbilden lassen oder sie brauchen den Kurs für den Führerschein“, erklärt Hahn.
Alle Teilnehmer sind nicht ganz freiwillig hier
Und tatsächlich: Alle erschienenen Teilnehmer sind nicht ganz freiwillig hier. Ein junger Mann braucht den Kurs, um seinen Führerschein machen zu können. Eine Lehrerin, eine Apothekerin, eine Fitnesstrainerin und ein Mitarbeiter vom Schrottplatz frischen ihr Erste-Hilfe-Wissen für den Betrieb auf. Alle zwei Jahre müssen sie den Kurs aufs Neue besuchen.
Der Teilnehmer, der auf dem Schrottplatz arbeitet, findet die regelmäßige Kurswiederholung wichtig: „Auf dem Schrottplatz kann immer mal was passieren.“ Seine Frau und er hätten auch an dem Erste-Hilfe-Kurs am Kind teilgenommen. Die Apothekerin und die Lehrerin sind sich sicher, dass sie nach dem Kurs sicherer Erste Hilfe leisten können. „Wahrscheinlich ist der Schockmoment kürzer, wenn etwas passiert, und man kann dann die einzelnen Punkte, die zu tun sind, abspulen“, meint die Lehrerin.
„Es ist normal, dass Rippen brechen“
„Vor drei Wochen nahmen Leute an dem Kurs teil, die bei einem Verkehrsunfall einen Verletzten wiederbeleben mussten, ihre Hilfe jedoch zu spät kam“, berichtet Andreas Hahn. Um noch einmal zu lernen, wie Wiederbelebung funktioniert, seien sie in seinen Kurs gekommen. Der Ausbilder spricht Klartext: „Es ist normal, dass Rippen bei der Herzdruckmassage brechen.“
Ginge es nach Hahn, müssten mehr Menschen ihr Wissen über die richtige Hilfe im Notfall auffrischen: „Vor allem Lkw-Fahrer sollten verpflichtet sein, an Erste-Hilfe-Kursen teilzunehmen.“ Alle Bürger zu „zwingen“, regelmäßig einen Lehrgang über lebensrettende Sofortmaßnahmen zu absolvieren, sei keine Lösung. Auch an der Kursgebühr scheitere es nicht, dass so wenige freiwillig an den Kursen teilnehmen. „Früher waren die Kurse kostenlos und da kamen auch nicht mehr Leute“, meint Hahn. Das freie Wochenende sei für viele zu wertvoll, um an einem Erste-Hilfe-Lehrgang teilzunehmen, dabei „sollten die Maßnahmen bei den Helfern wie ein Film im Kopf ablaufen“.
Erste-Hilfe-Kurse am Kind sind beliebt
Auch bei den Mülheimer Johannitern werden Erste-Hilfe-Kurse angeboten. „Die Leute kommen mit unterschiedlicher Motivation zu unseren Kursen“, sagt Dennis Bohnen, Ausbildungsleiter bei den Johannitern. Ein Großteil bräuchte einen Schein für den Führerschein oder als betrieblicher Ersthelfer. „Ich denke, dass ein Drittel der Teilnehmer freiwillig kommt, also ohne einen Schein zu brauchen“, so Bohnen. Darunter seien Leute, die beispielsweise Erste-Hilfe-Kurse am Kind belegen. „Es gibt aber auch Teilnehmer, die schon einmal Ersthelfer waren und beim nächsten Notfall besser vorbereitet sein wollen“, erklärt Bohnen.
Bei den Mülheimer Maltesern ist die Teilnehmerzahl an den Kursen in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. „Die aus- und fortgebildeten Absolventen kommen in nur zehn Prozent der Fälle aus eigenem Interesse, der andere Anteil erfüllt die Pflicht als Führerscheinerwerber oder als Betriebshelfer“, so Jan Stamm, Pressesprecher der Malteser. Erworbenes Wissen verkümmere über die Jahre und Jahrzehnte und entspräche nicht mehr dem aktuellen Stand.
Viele Leute haben Angst, etwas falsch zu machen
Angst, etwas falsch zu machen. Das hätten viele Leute, meint auch Thomas Franke. Weil ihnen die Routine fehle. „Aber es ist besser, irgendwie zu helfen, als nicht zu helfen“, sagt er. Franke ist Leitender Arzt der Zentralen Notaufnahme im Marien-Hospital sowie Ärztlicher Leiter im Rettungsdienst der Stadt. Er fährt selbst immer wieder zu Notfällen und erlebt unterschiedliche Ersthelfer: „Die Hilfsbereitschaft ist da. Ich kann nicht sagen, dass es in Mülheim eine Ignoranz bei Notfällen gäbe. Einen Zwang zu Erste-Hilfe-Kursen hält Franke ebenfalls für falsch: „Besser ist es, an die Vernunft der Menschen zu appellieren.“