Mülheim. . 60 Mitarbeiter in den Rennställen sehen sich ihrer Existenz beraubt. Präsident führt Verhandlungen mit Trainern, die Betrieb übernehmen wollen.
- Unter den 60 Mitarbeitern in den Rennställen am Raffelberg herrscht Entsetzen: Wo sollen wir hin?
- Der Rennverein hat allen Pferdebesitzern gekündigt und stellt den Trainingsbetrieb ein
- Vereinsmitglieder vermissen Transparenz und fragen sich: Wo bleiben die Gelder des Vereins?
Der Galopp-Rennverein am Raffelberg hat jetzt allen Pferdebesitzen, die auf der Anlage die Ställe belegen und deren Tiere dort trainiert werden, die Kündigung zum 31. März 2018 geschickt. Sollte es keine Lösung geben, wie der defizitäre Trainingsbetrieb geführt werden kann, wird es dort nach 125 Jahren keine Pferdestätte mehr geben, sondern nur noch drei Renntage im Jahr. Unter den 60 Mitarbeitern in den Rennställen herrscht Entsetzen: „Wo sollen wir hin? Warum beraubt man uns unserer Existenz?“, fragt Axel Baumann im Namen der Mitarbeiter der Mülheimer Galopp-Trainingszentrale.
Der Schritt sei für den Vorstand des Vereins unumgänglich gewesen, erklärt Vereinspräsident Hans-Martin Schlebusch und verweist auf die prekäre finanzielle Situation. Unbezahlte Rechnungen über 100.000 Euro lägen auf dem Tisch des Vereins, 1,4 Millionen Euro betrage das gesamte Defizit, und die Pferdehalter seien nicht bereit gewesen, höhere monatliche Kosten zu tragen. Ihnen fehlte die Nachvollziehbarkeit.
„Wo sind die Einnahmen des Rennvereins hin?“
Schlebusch versichert, dass er bereits begonnen habe, mit den Trainern Gespräche zu führen, die den Betrieb in Eigenregie übernehmen wollen. Diese hatten erklärt, dass sie es besser, kostengünstiger und für den Rennverein erfolgreicher durchführen können. „Wir werden uns natürlich deren Vorstellungen und Zahlen sehr genau ansehen“, sagt Schlebusch.
Das Tischtuch zwischen dem Vorstand und vielen Vereinsmitgliedern ist zerschnitten. Seit Jahren gibt es Querelen: Dem Vorstand wird erneut vorgeworfen, dass er die Anlage vernachlässigt habe: „Der Rennverein hat seit Jahren nichts Wesentliches mehr investiert. Wohnungen, Stallungen, Trainingsanlage – all das wurde in Eigenregie bestmöglichst instand gehalten“, so Baumann. Enorme Summen hätten die Mitglieder investiert und würden sich fragen: „Wo sind die Einnahmen des Rennvereins hin? 120 Rennpferde bringen pro Monat 18.000 Euro Mieteinnahme, hinzu kommen Wohnungsmieten, Veranstaltungen.“
Die vom Vorstand erklärte Transparenz erreicht längst nicht jeden. Das Misstrauen gegenüber der Vereinsspitze ist groß, ebenso die Sorge, dass die Golfer als Untermieter und mit immer mehr „eingeschleusten Mitgliedern“ im Rennverein die Oberhand gewinnen könnten. „Geht alles mit rechten Dingen zu?“, lautet denn auch eine zentrale Frage vor dem 22. August, wenn die nächste Mitgliederversammlung mit Neuwahl des kompletten Vorstandes erfolgen soll.
Politische Überlegungen
Die Stadt als Eigentümer und Verpächter der Anlage hält sich aus der aktuellen Krise heraus. „Sollte jedoch der Verein pleite gehen, tritt das Heimfallrecht in Kraft. Die Stadt müsste sich wieder in Gänze um die Anlage kümmern“, sagt Stadtsprecher Volker Wiebels. Ein Interesse daran hat im Rathaus niemand angesichts der anstehenden notwendigen Investitionen.
In der Politik machen jedoch bereits Überlegungen die Runde, bei einem Aus für den Rennverein das Gelände neu zu ordnen und anders zu nutzen: Von Gewerbeansiedlungen ist die Rede, von Wohnbebauung, von einem guten Geschäft für die Stadt. Doch davon, so sieht es der Vorsitzende des städtischen Planungsausschusses, Dieter Wiechering, sei man noch weit entfernt. „Wir müssen bedenken, dass es auf dem großen Gelände teilweise Landschaftsschutz gibt.“ Außerdem sei die Galopp-Rennbahn in der Mülheimer Bevölkerung sehr beliebt. „Veränderungen dürften auf große Widerstände stoßen.“
Diagnose: Mangelnde Kompetenz des Vorstands
Die FDP hat inzwischen beantragt, dass die Krise des Rennvereins Thema im nächsten Hauptausschuss wird und dass ein Vertreter des Vereins Rede und Antwort steht. Fraktionschef Peter Beitz betont, dass die Dauerkrise sich nicht auf die Rennbahn und auf die ansässigen Trainer auswirken dürfe. Mit einer Diagnose steht er nicht alleine da: „Der aktuelle Vorstand scheint nicht mehr in der Lage zu sein, den Verein sach- und fachgerecht zu führen.“
In den letzten Tagen sollen Freunde des Galoppsports versucht haben, noch Mitglied im Verein zu werden. Doch für die nächste Sitzung, so Schlebusch, werde dies wohl keine Wirkung mehr haben. „Die Frist ist verstrichen.“
In Kürze soll Konzept vorliegen
Ralf Schmitz, Vizepräsident des Vereins und Eigentümer der Golfanlage und damit Untermieter, hält aktuell mit seiner hohen Pachtzahlung und mit einer Bürgschaft den Rennverein noch über Wasser. Allerdings lässt Präsident Schlebusch durchblicken, dass die Kritik an seinem Vize wegen möglicher Interessenskonflikte auch an ihm nicht spurlos vorübergeht: „Natürlich muss man Herrn Schmitz auch auf die Finger gucken.“
Die Trainingszentrale will in Kürze noch einmal ein Konzept für die Übernahme des Trainingsbetriebes samt der Stallungen vorlegen. Baumann: „Wenn der Rennverein dies ablehnen sollte, wird aus bösen Vermutungen wohl bittere Wahrheit“ – das Ende einer traditionsreichen Stätte in Mülheim.