Mülheim. Zentralrat der Juden und Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen appellieren an Roberto Ciulli, Leiter des Theaters an der Ruhr, das Fassbinder-Stück "Der Müll, die Stadt und der Tod" abzusetzen. Auch die Neuinszenierung stelle Juden zu klischeehaft dar, "geradezu menschenverachtend".

Der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Jüdische Gemeinde Dusburg-Mülheim-Oberhausen appellieren an Theaterleiter Roberto Ciulli, das umstrittene Fassbinder-Stück "Der Müll, die Stadt und der Tod" abzusetzen. Das geht aus der folgenden Stellungnahme des Zentralrates der Juden hervor:

"Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen, Jacques Marx, der Geschäftsführer Michael Rubinstein und der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, führten am 15.09.09 in Mülheim mit dem Regisseur des Theaters an der Ruhr, Dr. Roberto Ciulli, und dem Dramaturgen Helmut Schäfer ein Gespräch hinsichtlich der Kontroverse um die geplante Aufführung des Fassbinder-Stücks „Der Müll, die Stadt und der Tod“. Die Vertreter der jüdischen Gemeinschaft nahmen das Angebot wahr, an einer der Proben der noch nicht ganz fertiggestellten Aufführung für die geplante Premiere des Stückes am 01.10.09 beizuwohnen.

Karikaturen statt Charaktere

Der Versuch von Regisseur Dr. Roberto Ciulli im Rahmen seiner Neuinszenierung einen mahnenden Charakter gegen Antisemitismus und die Verbreitung von Klischees und Vorurteilen gegenüber Juden aus dem Fassbinder-Stück zu gewinnen, ist jedoch nach Ansicht von Generalsekretär Kramer, trotz erkennbarer Anstrengungen, gescheitert. „Das Fassbinder-Stück“, so Kramer, „stellt Charaktere schablonenhaft und mit den üblichen Klischees behaftet dar und auch die Neuinszenierung entlarvt diese Klischees nicht. Die Reduzierung von Menschen auf Karikaturen, wie Fassbinder es bezweckt, ist in der geplanten Aufführung durchgängig vorhanden und zutiefst unmenschlich, ja menschenverachtend.“

„Trotz aller Bemühungen des Regisseurs, das Gegenteil zu bewirken, bleibt der Zuschauer mit dem Bild eines reichen, raffgierigen und zerstörerischen Juden zurück, der sein Werk noch dazu auf dem Fundament des Schuldvorwurfs gegen Deutschland vor dem Hintergrund des Holocausts heimtückisch verrichtet“, so Kramer.

"Eine Beleidigung aller Toten"

„Der auf der Bühne gesprochene Satz: ,Hätte man ihn doch vergast, ich könnte heute ruhiger schlafen', ist auch heute noch eine Beleidigung aller Toten und unerträglich für die Überlebenden der Shoa, des nationalsozialistischen Massenmordes“, so Generalsekretär Kramer. Daran ändert auch die aufklärerische Absicht des Regisseurs Dr. Ciulli im Gesamtkontext nichts. „Der Zweck heiligt noch lange nicht die Mittel“, meint Jacques Marx.

„Es bleibt das Geheimnis des Regisseurs, worin sich die Absicht begründet, ausgerechnet mit diesem Stück einen Beitrag zum Kampf gegen Antisemitismus leisten zu wollen, einem Stück, das zu einem der größten Kulturkämpfe in der deutschen Nachkriegsgeschichte geführt hat und seinerzeit bei der geplanten Aufführung 1985 in Frankfurt/Main bei der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland auf massivem Widerstand stieß“, so Generalsekretär Kramer. Damals hatte auch der spätere Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis sel. A. mit Empörung auf die geplante Aufführung des Fassbinder-Stückes reagiert.

"Schockiert und wütend"

„Allein die Tatsache, dass Juden heute auf diese Zusammenhänge und vor allem die Gefühle der Überlebenden und ihrer Angehörigen im Angesicht einer solchen Aufführung hinweisen müssen, lässt uns schockiert und wütend zurück“, kritisiert Jacques Marx.

„Der Versuch, dem von Fassbinder geschriebenen Stück, das er selbst als Parabel der politischen Realitäten bezeichnete, eine aufklärerische Zielsetzung zu verleihen, die Antisemitismus entlarvt und damit bekämpft, muss als gescheitert angesehen werden. Das Theater an der Ruhr sollte sich dies eingestehen und aus Respekt vor den wenigen Überlebenden des Holocaust und der Millionen von Toten auf die Aufführung verzichten“, sind sich Marx und Kramer einig.