Mülheim/Ruhr. Mülheimer Theater-Chef Roberto Ciulli fordert Geld für notleidende Bühnen: "Es wäre es unglaublich pervers, wenn man Banken durch Steuergeld rettet – und Theater, die Kultur in die Pleite gehen ließe."
Eine Horrorvision schwebt Roberto Ciulli vor, wenn er über die Finanzsituation der Theater nachdenkt, nicht nur in der Region, sondern bundesweit. Der Intendant des Mülheimer Theater an der Ruhr hat aber auch die Vision, der Krise etwas entgegen zu setzen. Es geht um das milliardenschwere Rettungspaket der Bundesregierung für die Banken – sein Vorschlag: „Von dem Geld, das zur Rettung einer Bank investiert wird, sollten ein Prozent für ein Theater oder für eine andere Kulturinstitution abgeführt werden. Oder meinethalben für eine Zeitung zur Bewahrung demokratischer Verhältnisse.“
In Schwierigkeiten geratene Städte mit immer geringeren Steuereinahmen müssten mit einer Haushaltssperre rechnen. „Da kommt die Horror-Vision auf, dass 2010/11 kaum Geld da ist“, so Ciulli: „Es wäre es unglaublich pervers, wenn man Banken durch Steuergeld rettet – und Theater, die Kultur in die Pleite gehen ließe.“
Theaterlandschaft „Kulturerbe Theater”
In Nordrhein-Westfalen habe man die besondere Situation, dass die Theater Sache der Städte und Gemeinden sind. In Mülheim allerdings ist das nicht ganz so. Mit dem Theater an der Ruhr wurde vor fast 30 Jahren ein Alternativ-Modell entwickelt, das zwar auch Zuschüsse erhält, aber 30 Prozent Eigeneinnahmen erwirtschaftet: „Ein Modell ohne die Zwänge von Theatertarifverträgen und von hoher Flexibilität“, betont Ciulli. So ist das Mülheimer Ensemble oft auf Gastspiel-Reisen im In- und Ausland unterwegs – als Kultur-Botschafter, etwa in der arabischen Welt. Und zuhause in Mülheim haben Hartz IV-Empfänger freien Theater-Eintritt.
Die internationale Erfahrung zeigt Ciulli, dass die deutsche Theaterlandschaft, zumal die in NRW, „sehr gut entwickelt und differenziert aufgebaut ist“. Auf der ganzen Welt gebe es nichts Vergleichbares: „Man könnte sagen, die ganze Theaterlandschaft Deutschlands ist ein Kulturerbe. Wenn wir jetzt anfangen, uns von der Grundidee des deutschen Theaters zu verabschieden und amerikanische Verhältnisse schaffen, dann wird in einem Land, das eine tiefe Bildungskrise zu bewältigen hat, alles zusammenbrechen.“