Mülheim. . Vito Piepoli arbeitet seit 54 Jahren in der „Walkmühle“, seit 1978 ist er auch Inhaber des Traditionslokals im Rumbachtal. Zum Jahreswechsel will der 73-Jährige aufhören.

  • Gastronom Vito Piepoli betreibt das Restaurant „Walkmühle“ seit Jahrzehnten
  • Vor 56 Jahren kam er als einer der ersten „Gastarbeiter“ ins Ruhrgebiet
  • Zum Jahresende hört der 73-Jährige auf, was aus der Walkmühle wird, ist noch offen

„Il piccolo“ (der Kleine) wurde Vito Piepoli von seinen Arbeitskollegen genannt, als er seine erste Stelle als Kellner in Deutschland antrat. Weil er als Süditaliener klein von Statur und mit 17 Jahren auch noch blutjung war. Mittlerweile kann der feine, freundliche Mann, der in Apulien aufwuchs, auf 56 Jahre in der Gastronomie zurückblicken – 54 davon in der „Walkmühle“ im Rumbachtal. 1978 übernahm er zusammen mit seiner Frau Anne das Restaurant im denkmalgeschützten Fachwerkhaus. Nun, mit 73 Jahren, plant er aufzuhören, im Januar 2017 soll Schluss sein.

„Damals, als ich ein junger Mann war und in Italien die Hotelfachschule besuchte, hatten viele von uns den Wunsch, nach England oder Deutschland zu gehen. Deutsche Arbeitgeber boten uns sogar in der Schule Arbeitsverträge an“, erinnert sich der 73-Jährige. Er beschloss, in Deutschland sein Glück zu versuchen, alleine, und landete 1960 als einer der ersten „Gastarbeiter“ zunächst in Essen – als Nachwuchskellner in den Seeterrassen am Schloß Baldeney.

Der Start war schwer

„Ich konnte kein Wort Deutsch, der Start hier war schwer. In meiner Freizeit versuchte ich, mit einem Buch, das mir ein italienischer Geistlicher gegeben hatte, die Sprache zu erlernen. Ich hatte auch Glück und einen super Oberkellner, der mir geduldig beibrachte, mit den Gästen zu reden. Nach drei Monaten hatte ich die wichtigsten Ausdrücke drauf“, berichtet Vito Piepoli.

Nach einem kurzen Intermezzo bei „Müller-Menden“ kam der junge Italiener 1962 in die „Walkmühle“. „Gemeinschaftlich mit Inhaber und Chefkoch Herbert Storks habe ich die Restauration aufgebaut. Wir haben gemeinsam neue Gerichte entwickelt, ausgefallenere Sachen als Frikadellen und Heringsfilets – ohne aber die Bodenständigkeit so ganz zu verlieren“, erklärt der Gastronom.

Die Speisekarte wurde international, überwiegend italienisch. Pizza und Pasta, die Piepoli privat gerne mal isst, standen nicht darauf, dafür gehobenere Fleisch- und Fischgerichte – und feinere Nudelvariationen. „Natürlich gibt es bei uns nur Speisen, die ich selber mag, andere kommen mir nicht auf die Karte“, sagt Piepoli schmunzelnd.

In seinem Restaurant legt er auch Wert auf traditionelle Zubereitungsarten und einen ausgesuchten Service. „Wir flambieren am Tisch, filetieren und tranchieren die Speisen.“ Die Tische sind edel eingedeckt, es gibt keine Plastikpflänzchen, sondern immer frische Blumen. „Die liebe ich, sie machen gute Laune“, sagt der Chef.

45 junge Leute ausgebildet

15 Mitarbeiter hat Piepoli zu Hochzeiten beschäftigt, heute sind es noch elf. Seine Frau (eine Deutsche, ursprünglich Bürokauffrau) und von Zeit zu Zeit auch seine Tochter (heute 44) arbeiteten im Betrieb mit. „In der ganzen Zeit hier in der Walkmühle habe ich außerdem etwa 45 junge Leute ausgebildet“, berichtet der Gastronom. Höhen und Tiefen habe es im Laufe der Zeit gegeben. Starke Umsatz-Einbrüche verkraften musste der Betrieb 1998/99, als die Walkmühlenstraße wegen Kanalbauarbeiten lange gesperrt war oder nach der Euro-Einführung im Jahre 2002 und nachdem das Rauchverbot erlassen wurde (2006). Zum Glück gab und gibt es regelmäßig Gesellschaften und eine Reihe an Stammgästen, die seit Jahrzehnten kommen und denen Vito Piepoli herzlich dankt.

„Gastronomie ist mein Leben, ich kenne nur Gastronomie“, sagt er. Etwa 14 Stunden am Tag ist er (immer noch) im Dienst. Neben der Arbeit hat er sich nur ein wenig Urlaub im Jahr gegönnt – in Italien und gerne auch auf den Kanaren. Mit gemischten Gefühlen sieht der Inhaber der „Walkmühle“ deshalb dem Ruhestand entgegen. „An Freizeitgestaltung zu denken, wird ganz neu und auch etwas schwer für mich sein“, sagt er. Seinen Beruf, so sagt er, würde er „immer wieder ergreifen“.

Walkmühle gibt es seit über 600 Jahren

Das Traditionslokal „Walkmühle“ im Rumbachtal befindet sich in einem über 600 Jahre alten Fachwerkhaus. „Es wurde 1385 zum ersten Mal urkundlich erwähnt“, berichtet Vito Piepoli. In früheren Zeiten war die Walkmühle eine Wassermühle. „In einem Teich, in den das Wasser vom Rumbach abgeleitet wurde, hat man damals Stoffe gewalkt“, so der Gastronom.

Im Teich wurden Stoffe gewalkt

Eine Art Schankraum war das schöne alte Gebäude wohl schon im 18./19. Jahrhundert. Richtig los mit einer (noch eingeschränkten) Gastronomie ging es erst um 1900. „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden hier Butterbrote und Getränke verkauft“, weiß Piepoli. 1956 richtete man im Haus eine Kegelbahn ein, sie existierte bis 1989. Zum richtigen Restaurant wurde die Gastwirtschaft aber erst in den 60ern.

Ob die „Walkmühle“ mit ihren 120 Plätzen im Haus und 60 im Garten auch weiterhin als Gaststätte betrieben wird, ist noch offen. „Ich würde das begrüßen“, sagt Vito Piepoli. Es gebe Interessenten, aber noch keinen Nachfolger. Die Erben des Hauses sind sich über die weitere Nutzung wohl noch nicht richtig einig, überlegen noch, ob es auch weiterhin an einen Gastronomen verpachtet wird.

Schankraum seit 18./19. Jahrhundert

Die Eheleute Piepoli werden erstmal in der Nähe bleiben, sie wohnen nämlich im vorderen Trakt des Walkmühlen-Gebäudes. Vielleicht können sie zukünftig ja selber mal essen gehen in „ihrer“ Walkmühle.