Herne. . Stellt der „spontane“ Hausbesuch des Jobcenters eine Verletzung der Privatsphäre oder eine gerechtfertigte Kontrolle dar? Darum geht es in einem Streit zwischen einer Frau aus Herne und der Behörde. Die Frau hatte sich einem Hausbesuch verweigert und spricht von “Schikane“.
Verletzung der Privatsphäre oder gerechtfertigte Kontrolle? Wenn der Außendienst des Jobcenters einen Hausbesuch bei Hartz-IV-Empfängern durchführen möchte, kann es zu Konflikten kommen – so wie bei einer Hernerin (Name der Redaktion bekannt), die deshalb einen Anwalt eingeschaltet hat.
Ins Jobcenter ist die Frau vorgeladen worden. Es müsse geprüft werden, „ob und inwieweit ein Anspruch auf Leistungen für Sie ... vorliegt“, so hieß es in dem Brief der Behörde. Im Jobcenter sei sie dann damit konfrontiert worden, so berichtet sie, dass der Außendienst mit ihr sofort zu ihrer Wohnung fahren wolle, um zu kontrollieren, ob sie dort auch wirklich ohne Partner lebe. Die Frau weigerte sich.
Unverletztbarkeit der Wohnung
„Wir sind doch nicht im Überwachungsstaat“, sagt der Mann der aus Osteuropa stammenden Hartz-IV-Empfängerin. Er lebe inzwischen getrennt von seiner Ehefrau, begleite sie aber immer noch bei Ämtergängen, weil sie bei komplizierten Sachverhalten Verständigungsprobleme habe.
So auch in diesem Fall. Als sie sich dem Hausbesuch verweigert habe, sei sie vom Jobcenter mit der Androhung von Leistungskürzungen unter Druck gesetzt worden. „Das ist Schikane“, sagt der Herner.
Monika Stefanski, Vize im Jobcenter, will und darf sich zum Einzelfall nicht äußern. Aber: „Hausbesuche sind in besonders begründeten Fällen zulässig“, sagt sie. Wenn sich der Sachverhalt nicht anders klären lasse, könne der - gesetzlich vorgeschriebene - Außendienst eingeschaltet werden. Das Jobcenter sei verpflichtet, in begründeten Verdachtsfällen zu ermitteln. „Das ist auch im Sinne der Steuerzahler.“
Rechtsprechung nicht einig
Fest steht: Ohne Einverständnis des Leistungsbeziehers darf das Jobcenter auf den Hausbesuch wegen der im Grundgesetz verankerten Unverletzlichtkeit der Wohnung nicht bestehen. Arbeitslosenberaterin Dagmar Spangenberg-Mades vom Zeppelinzentrum hält es grundsätzlich für bedenklich, wenn es zu „überfallartigen Hausbesuchen“ kommen sollte. Der Betroffene müsse zunächst die Gelegenheit erhalten, auf den Verdacht des Jobcenters zu reagieren und in Ruhe seinen Standpunkt darzulegen. Es gebe zwar eine grundsätzliche „Mitwirkungspflicht“ des Arbeitslosen. Die Rechtsprechung sei sich aber nicht einig darin, ob dazu auch zähle, die Behörden auf Wunsch in die Wohnung zu lassen.
Und wie reagiert das Jobcenter, wenn Arbeitslose Behörden nicht in die Wohnung lassen? Wenn Beweise fehlten, dürften keine Leistungskürzungen vorgenommen werden, so Monika Stefanski. Nach Ablauf der Bewilligung von Hartz IV – in der Regel nach sechs Monaten-- könnten aber im Zuge der Neubewilligung Leistungen wegen „fehlender Mitwirkungspflicht“ gekürzt oder komplett gestrichen werden.
Außendienst recht selten aktiv
Gemessen an der Zahl der Leistungsbezieher werde der Außendienst in Sachen „Verdacht auf Leistungsmissbrauch“ recht selten tätig, so das Jobcenter. Von Januar bis November 2012 sei dies in 485 Fällen geschehen. In wie vielen Fällen tatsächlich Missbrauch nachgewiesen wurde, kann das Jobcenter nicht beziffern. Die Arbeitslosenberatung des Zeppelinzentrums berichtet, dass es zu dieser Problematik nicht häufig Beratungsbedarf gebe.