Berlin. . Erneut sorgt die umstrittene Aktion eines Jobcenters für Aufregung: Nun sollen freiwillige Arbeitslose 40 Tage lang dokumentieren, wie viel sie laufen. Ziel ist mehr Fitness für einen Job.

Erst sorgten die Jobcenter in Dortmund und im Kreis Unna für Wirbel mit Erfolgsprämien für Hartz-IV-Empfänger. Nun liefert das Jobcenter in Brandenburg an der Havel neuen Zündstoff: Mit einem Schrittzähler-Wettbewerb will man Arbeitslose motivieren, sich mehr zu bewegen.

Seit Montag tragen 18 Probanden 40 Tage lang einen Schrittzähler am Gürtel. Wer zuerst 8848 Meter zurücklegt, was der Höhe des Mount Everests entspricht, erhält einen Preis. Dahinter steckt der Gedanke, dass der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben auch von der Fitness abhängt. Die Aktion sei ein kleiner Baustein für die Rückkehr, so der Leiter der Jobagentur, Christian Gärtner, der den Wettbewerb initiiert hat. Die Aktion solle helfen, ältere Langzeitarbeitslose in Lohn und Brot zu bekommen.

Immerhin ist der Wettbewerb in Brandenburg freiwillig. „Es gibt keinen Zwang und keine Sanktionen“, sagte Gärtner dieser Zeitung. Bei einer Aktion in Nienburg war dies vor kurzem noch anders. Dort hatte das Jobcenter Hartz-IV-Bezieher zu einem Vortrag zur Raucherentwöhnung eingeladen und mit Sanktionen gedroht, falls man ohne triftigen Grund fernbleibe.

Sturm der Entrüstung

Dies war nicht nur vor dem Hintergrund pikant, dass die Sanktionen gegen Bürger, die Hartz IV beziehen, in diesem Jahr erstmals die Millionenmarke knacken werden. Nach einem Sturm der Entrüstung sprach man im Jobcenter von einem „bedauerlichen Fehler“. Die Strafandrohung sei nicht zulässig gewesen. Ähnlich äußerte sich nun die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken, die dieser Zeitung vorliegt. „Das Handeln des Jobcenters Nienburg dürfte aus Sicht der Bundesregierung ein bedauerlicher Einzelfall sein“, heißt es dort.

Gleichwohl befürwortet die Regierung Gesundheitsprävention im Zusammenhang mit der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Ihr komme eine „erhebliche Bedeutung“ zu. Damit zeichne die Regierung „ein Bild des unsportlichen, stark suchtgefährdeten erwerbslosen Menschen, den es erst einmal gilt, verwertbar für den Arbeitsmarkt zu machen“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Sabine Zimmermann. Von den Aktionen der Jobcenter in Nienburg und Brandenburg hält sie nichts: „Dass Raucherentwöhnungskurse oder Schrittzähler mit einer Integration in den Arbeitsmarkt zu tun haben sollen, ist arbeitsmarktpolitischer Unfug und ein Armutszeugnis.“

„Die Aktion scheint mir etwas skurril“, meinte auch die Arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Anette Kramme, zum Schrittzähler-Contest. „Solange die Arbeitslosen freiwillig mitmachen, ist es aber okay.“