Herne. Immer mehr junge Frauen, meist aus islamischen Familien, wenden sich an das Herner Frauenhaus. Hin und wieder kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen ihnen und den „traditionellen“ Bewohnerinnen.
Eine neue Generation von Frauen zieht in die Frauenhäuser ein und mit ihnen ungewohnte Herausforderungen. Über Jahrzehnte hatten sich in der Mehrzahl Frauen aus gewalttätigen Beziehungen dorthin geflüchtet, oft mit ihren Kindern. Jetzt klopfen immer mehr junge Frauen an, die kaum volljährig sind. „40 Prozent unserer Frauen im letzten Jahr waren zwischen 18 und 25 Jahre alt“, sagt Beate Kaupen bei der Vorstellung des Jahresberichts. Sie ist eine der vier Mitarbeiterinnen des Herner Frauenhauses. „Wir haben jeden Tag mindestens drei Anrufe von Mädchen unter 20, die es zu Hause nicht aushalten.“
Zu Hause, das sind für diese Mädchen meistens islamisch geprägte Elternhäuser, in denen Vater und Brüder einen Druck ausüben, den die hier aufgewachsenen Mädchen nicht mehr akzeptieren wollen. Manchmal ist körperliche Gewalt im Spiel, in anderen Fällen wird eingesperrt, kontrolliert, Geld entzogen. „Diese Mädchen haben das berechtigte Bedürfnis, ihr Leben zu leben“, sagt Beate Kaupen deutlich. Aber: „Mit der ursprünglichen Idee eines Frauenhauses hat das nicht mehr viel zu tun.“
Konflikte zwischen den Bewohnerinnen
Wo im Alltag die Konflikte liegen, erklärt Hildegard Lichtner-Weisinger, Beate Kaupens Kollegin, an Beispielen. Beide Gruppen seien in einer „ganz anderen Lebenssituation“, sagt sie. Während die Jüngeren, oft mit abgebrochener Schullaufbahn, lange schlafen und abends ausgehen könnten, beschwerten sich die Familienmütter, wenn sie für die anderen mitputzen oder ihnen in der Nacht die Tür öffnen müssten. Auch dass sich einige von ihren Freunden an die Tür begleiten lassen, mache denen Angst, die schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht haben.
Einen altersbedingt besseren Zugang zu den jüngeren Bewohnerinnen erhofft sich das Team von seiner neuen Mitarbeiterin Michelle Gimmini (24). Die Sozialarbeiterin hat, nachdem Olga Kornev für Marlies Reinke kam, Mitte des letzten Jahres als vierte Kraft im Frauenhaus begonnen. Ermöglicht durch die rot-grüne Landesregierung, die die einst von der CDU und FDP gestrichene Stelle wieder finanziert. Doch auch Michelle Gimmini wird die Problematik nicht lösen, an der auch Frauenhäuser in anderen Städten kranken, die schon ganze Etagen in „Jugendherbergen“ umgewandelt haben, wie Beate Kaupen weiß.
Wer kein Einkommen hat, kann eigentlich nicht aufgenommen werden
Eine im übrigen auch finanzielle Herausforderung, denn wer weder ein Einkommen hat noch Hartz IV, wie bei den jüngeren Frauen oft der Fall, kann eigentlich nicht aufgenommen werden. Der Tagessatz liegt in Herne bei vergleichsweise niedrigen 7,40 Euro pro Nacht und Person, und den muss das Haus verlangen. Neben Schülerinnen haben auch Zuwanderinnen aus der EU seit Februar keinen Anspruch mehr auf Unterstützung - ein weiteres neues Problem. Früher hatten sie vom so genannten „Fürsorgeabkommen“ profitiert, das schon für die später beigetretenen osteuropäischen Staaten nicht mehr galt. Nun dreht eine „Geschäftsanweisung“ der Bundesagentur für Arbeit allen den Hahn zu, auch der Frau aus Bulgarien, die im Herner Frauenhaus Unterschlupf fand. „Es ist strittig, ob die Anweisung der Arge rechtsgültig ist“, sagt Beate Kaupen. Ob die betroffenen Frauen die Kraft haben, gerichtlich dagegen zu kämpfen ist eine andere Frage.
So muss momentan für jede Frau ohne Hartz IV oder eigenes Einkommen eine Lösung her, auch Flüchtlingsfrauen sind betroffen. Mal findet sich dann doch noch eine Geldquelle, mal eine private Unterbringung. Lieber wäre dem Team „ein einzelfallunabhängiges Landesfinanzierungsgesetz“. In den Koalitionsvereinbarungen hat Rot-Grün den Frauenhäusern Hoffnung gemacht.