Herne. Der Unfall im Herner Werk des Chemieunternehmens Evonik hat Fragen und Kritik ausgelöst. Nun hat Evonik Ursache und Konsequenzen genannt.

Aufregung, Ungewissheit, Verwirrung und wohl auch ein wenig Angst: Das spiegelt in etwa die Gefühlslage am 16. April in Eickel rund um das Herner Evonik-Werk wider. Ein Unfall im Werk hatte einen stundenlangen Einsatz der Werksfeuerwehr und der Herner Berufsfeuerwehr ausgelöst. Am Donnerstag nahm das Unternehmen ausführlich Stellung zu dem Zwischenfall, erläuterte die Ursache - und die Schlussfolgerungen, die aus dem Geschehen gezogen werden.

Es war fast ein minutiöses Protokoll, das Evonik-Standortleiter Rainer Stahl den Mitgliedern der Bezirksvertretung Eickel und einigen Anwohnern (siehe Info) darlegte.

Mitarbeiter entdeckten erste Ablagerungen bei Routinekontrollen

Stahl berichtete, dass der Unfall an jenem Dienstag eine Vorgeschichte hatte: Mitarbeiter hätten bei ihren Routinerundgängen durch die Anlagen - die permanent stattfinden - bemerkt, dass sich unter einer Verbindung an einer Destillationsanlage eine Ablagerung gebildet hatte. Das sei dokumentiert worden, der Schichtführer habe am Montag einen Arbeitsauftrag erteilt und eine Isolationsfirma kommen lassen, um nachzuschauen, was die Ursache für diese Ablagerung ist. Dafür sollte die Isolierung entfernt werden. Dies habe am Dienstagmittag die Firma gemacht - und dabei sei es zu der Leckage mit dem Austritt der Flüssigkeit gekommen. Die sei in der sogenannten Tasse unter der Anlage komplett aufgefangen und durch Regenwasser verdünnt worden, die Mitarbeiter der Firma hätten sich in Sicherheit gebracht.

Betriebsleiter Christian Speyerer (vorne rechts) erläutert Mitgliedern der Bezirksvertretung Eickel, wie es an der Anlage zur Leckage kommen konnte und was daraufhin passiert ist.
Betriebsleiter Christian Speyerer (vorne rechts) erläutert Mitgliedern der Bezirksvertretung Eickel, wie es an der Anlage zur Leckage kommen konnte und was daraufhin passiert ist. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die Sensoren hätten die Leckage sofort erkannt und gemeldet, woraufhin die Werksfeuerwehr sofort ausgerückt sei und die Herner Berufsfeuerwehr informiert habe. Die Mitarbeiter der Firma seien versorgt und zwei von ihnen vorsorglich ins Krankenhaus gebracht worden, zusätzlich sei ein Wasserschleier gebildet worden. Dann sei die Leckage verschlossen und die aufgefangene Flüssigkeit in einen Behälter abgepumpt worden. Die Herner Berufsfeuerwehr und das Landesamt für Umwelt- und Naturschutz (LANUV) habe Schadstoffmessungen außerhalb des Werks durchgeführt.

Ursache für die Leckage waren korrodierte Schrauben

Als Ursache für die Leckage seien durch wissenschaftliche Untersuchungen korrodierte Schrauben ausgemacht worden. Die Schrauben hätten beim Einbau den Vorgaben entsprochen und seien auch korrekt eingebaut worden, so Stahl. Doch es habe wahrscheinlich eine winzige Leckage gegeben - die dafür gesorgt habe, dass die Schrauben nach und nach korrodiert seien, weil in der Flüssigkeit Phosphorsäure gewesen sei. Dass diese Korrosion vorher nicht aufgefallen sei, liege daran, dass es bei allen Wartungen und Revisionen keinerlei Verdacht in diese Richtung gegeben habe.

Als Konsequenz habe man das komplette Material unter die Lupe genommen und sich entschlossen, nur noch Edelstahlschrauben zu verwenden. Darüber hinaus würden alle vergleichbaren Rohrleitungen im Werk im Zuge der derzeitigen Revision überprüft. Zusätzlich habe man einen unabhängigen Gutachter beauftragt, um zu sehen, ob der noch weitere Erkenntnisse liefern kann. Evonik habe auch die Leckage und deren Umstände bereits international in der Branche mitgeteilt. Stahl: „Erkenntnisse zur Sicherheit werden unabhängig vom Unternehmen geteilt.“

Evonik-Standortleiter Rainer Stahl: „Eine relativ einfache Ursache hat zur Leckage geführt.“
Evonik-Standortleiter Rainer Stahl: „Eine relativ einfache Ursache hat zur Leckage geführt.“ © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Stahls Fazit: Es sei eine relativ einfache Ursache gewesen, die zur Leckage geführt habe. Die sei mit eineinhalb Kubikmetern relativ gering gewesen. Stahl betonte, dass die Mitarbeiter der Isolierungsfirma nichts falsch gemacht hätten und dass die Messungen ergeben hätten, dass keinerlei Schadstoff außerhalb des Werks gemessen worden sei. Dies bestätigte Marco Diesing, Chef der Herner Feuerwehr, und ergänzte, dass diese vorsorglichen Messungen gesetzlich vorgeschrieben seien.

Stahl räumte ein, dass die Information für die Bürgerinnen und Bürger klarer hätte sein können. Der Grund: Evonik hatte nach Abschluss aller Maßnahmen mitgeteilt, dass die Störung beendet sei. Dies sei in der Öffentlichkeit, die auch über die Warn-App Nina alarmiert worden war, als Entwarnung aufgefasst worden. Doch eine amtliche Entwarnung kann nur die Herner Berufsfeuerwehr geben. Die aber gab erst am Abend Entwarnung. Viele Bürgerinnen und Bürger waren deshalb verunsichert und fragten sich: Welche Entwarnung gilt denn nun?

>>> Sitzung der Bezirksvertretung Eickel fand im Evonik-Werk statt

Die Sitzung der Bezirksvertretung Eickel fand in der Kantine des Evonik-Werks statt. Nach dem Unfall hatte Bezirksbürgermeister Arnold Plickert zunächst angefragt, ob ein Unternehmensvertreter in die BV kommen kann, um Auskunft zu erteilen, Evonik hatte darauf die BV eingeladen, im Werk zu tagen. Vor Sitzungsbeginn konnten die Politiker das Werk besichtigen. Möglich wurde dies durch eine große Revision und den damit verbundenen Stillstand der kompletten Anlage.