Herne. Bei der Wewole in Herne gärt es. Das Sozialunternehmen will seinen letzten angemieteten Standort aufgeben. Die Belegschaft will nicht umziehen.
Die Wewole kommt nicht zur Ruhe. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind geschockt, weil das Sozialunternehmen seinen Standort am Zechenring räumen und die Beschäftigten in die Zentrale holen will. Das kritisieren Betriebs- und Werkstattrat scharf. Tenor: Auf dem Stammgelände an der Langforthstraße sei viel zu wenig Platz, der Unternehmensführung gehe es allein darum, Kosten zu sparen. Die Bedürfnisse der Belegschaft habe sie dagegen nicht im Blick.
Die Wewole (früher WfB - Werkstatt für Behinderte) geriet zuletzt mehrfach in schwere See. Erst gab es Gewaltvorwürfe gegen Angestellte, die in einem Heim Bewohnerinnen und Bewohner gequält haben sollen, dann sorgten Pläne für eine Eingliederung der Gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft (GBH) in die Wewole für Proteste, und jetzt ging mit Rochus Wellenbrock aus gesundheitlichen Gründen auch noch der Geschäftsführer von Bord. Da kommt es zur Unzeit, dass auch noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Wewole Werken protestieren. Sie wollen nicht innerhalb von Horsthausen vom Zechenring an die Langforthstraße umziehen. Viele sind gefrustet, enttäuscht, entsetzt.
Herne: Kritik an „Überbelegung“
In einem Brief an die Geschäftsführung kritisieren Betriebs- und Werkstattrat von Wewole Werken die Umzugspläne des Unternehmens scharf - und fordern, dass diese zurückgenommen werden. Am Zechenring, sagen Vertreter der Gremien zur WAZ, arbeiteten rund 80 Menschen in einer angemieteten Halle. Neben einer Druckerei sei dort die Elektromontage untergebracht, dort würden unter anderem Steuerungen und Elektrokabel montiert. In der Zentrale, in die diese Bereiche nun bis Anfang Mai verlegt werden sollen, arbeiteten dann doppelt so viele Menschen - aber auf viel weniger Raum. Das sei nicht zu akzeptieren: „Wenn sie dort alle zusammenpferchen, kann das böse enden“, warnt Sina Borowy, 1. Vorsitzende des Werkstattrats, gegenüber der WAZ. Rüdiger Schleich (65), Mitglied des Betriebsrats, spricht von einer bevorstehenden „Überbelegung“ an der Langforthstraße, die nicht rechtens sei.
In der Halle am Zechenring, berichten die Vertretenden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sei dagegen ausreichend Platz für die Bedürfnisse der Belegschaft. Unter den Behinderten gebe es viele psychisch Kranke, darunter Missbrauchsopfer, die Ruhe und Raum sowie nicht zuletzt eine geschützte Atmosphäre mit bekannten Kolleginnen und Kollegen bräuchten. Dafür sei am Zechenring gesorgt. Dort seien sie eine Solidargemeinschaft, die sich gegenseitig helfe und stütze, aber durchaus auch anpacke. Nun fürchteten sie sich vor dem neuen Standort, hätten Angst vor einem „riesigen Ameisenhaufen“ und dem „Gewusel“ dort. Dabei gehe es aber nicht allein um Befindlichkeiten, so wichtig sie in einer solchen Einrichtung auch seien. An der Langforthstraße sei schlicht zu wenig Platz, dem widerspreche der Arbeitsschutz: „Das ist nicht tragbar.“
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Dem widerspricht die Wewole. „Sämtliche Veränderungen gestalten wir unter Berücksichtigung aller Arbeitsschutzmaßgaben und -regeln“, so Sprecherin Inci Wagner in einer schriftlichen Antwort auf Anfrage der WAZ. Die Frage zu der Größe der aktuellen und künftigen Räume sowie der Zahl der Menschen, die dort arbeiten, lässt sie unbeantwortet. Am Zechenring, bestätigt sie, fänden hauptsächlich Montage-Arbeiten statt, die am neuen Standort so weitergeführt werden sollen. Grund für den Umzug: Nach der Pandemie habe es einen Wechsel der Beschäftigten in Teilzeit gegeben: „Resultierend daraus vollziehen wir eine Umstellung auf moderne Arbeitszeitmodelle, hin zu einer Flexibilisierung der Arbeit.“ Das sei „ein Start in eine neue Form der Zusammenarbeit“.
„Es hat sich einiges getan, die Arbeitswelt der Zukunft hält auch Einzug in die Wewole“, so die Wewole-Sprecherin weiter. Diese Veränderungen hätten dazu geführt, dass es „effiziente Weiterentwicklungen auf dem Stammgelände“ gebe, weil es dort „Kapazitäten für den Produktionsstandort gibt“. Der Zechenring sei nach dem Auszug der letzte angemietete Produktionsstandort des Sozialunternehmens gewesen.
Manche Mitarbeitenden können ob der „Arbeitswelt der Zukunft“ nur mit dem Kopf schütteln. Das Personal habe Gehaltseinbußen hinnehmen müssen, auf der anderen Seite baue das Unternehmen ein unnützes Parkhaus am Stammsitz, lautet ein Vorwurf. Auch die Investitionen in neue Standorte wie im City-Center in Herne-Mitte oder in einen Bauernhof in Castrop-Rauxel lösten Kritik aus, heißt es weiter. Tenor hier: Das seien unnütze Investitionen, das Geld könne besser angelegt werden - etwa für die weitere Anmietung der Halle am Zechenring.
Kritik an der Wewole auch im Rat
Die Aufgabe der Halle war auch Thema in der Ratssitzung am Dienstag, 23. April. Dorothea Schule (Grüne) kritisierte das Vorgehen der Wewole: „Ich frage mich: Was ist da los?“ Menschen mit psychischen Erkrankungen würden nun an einen neuen Ort verfrachtet, um zu arbeiten, offensichtlich auf viel kleinerem Raum. Ebenfalls mit Blick auf die vielen Investitionen des Unternehmens stellte sie klar: An erster Stelle müssten bei der Wewole die Menschen stehen, die dort arbeiteten. Sie habe Zweifel, dass das so sei.
Selbstverständnis: Menschen umsorgen, behüten und beschützen
- Die Abkürzung Wewole steht für die drei Arbeitsbereiche Werken, Wohnen und Lernen. Nach Angaben des Sozialunternehmens von der Langforthstraße in Horsthausen gehen in den Werkstätten rund 950 Frauen und Männer mit Behinderungen ihren Aufgaben nach, begleitet von 200 angestellten Fachkräften. In den Wohnstätten fänden 300 Menschen mit Behinderungen ein eigenständiges Zuhause und ein selbstbestimmtes Leben. Unterstützt würden sie dabei durch 170 angestellte Fachkräfte.
- Gegründet wurden die Werkstätten für Behinderte GmbH im Jahr 1973. Die Wohnstätten für Behinderte GmbH folgte 1982. Beide hätten die Aufgabe übernommen, „Menschen mit Behinderungen aus Herne und Castrop-Rauxel zu umsorgen, zu behüten und in beschützten Werkstätten zu beschäftigen“, heißt es in einer Selbstbeschreibung.