Herne. Im Ramadan essen und trinken Muslime tagsüber nichts. Wie schaffen das junge Menschen, die zur Uni oder zum Sport gehen? Drei Herner erzählen.

Einen Monat lang tagsüber nichts essen und nichts trinken - sogar Wasser ist tabu. Das ist für tausende Musliminnen und Muslime derzeit Alltag. Im Fastenmonat Ramadan essen und trinken sie erst nach Sonnenuntergang und das letzte Mal vor der Morgendämmerung.

Wie ist das für junge Menschen machbar? Sie gehen zur Schule, in die Uni, machen Sport und sind im Alltag aktiv. Braucht der Körper dabei nicht zumindest Flüssigkeit, um vernünftig arbeiten zu können? Die WAZ hat mit zwei Muslimen und einer Muslimin gesprochen, die verraten, dass der Alltag im Ramadan eigentlich recht einfach ist.

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Ozan, Akif und Havle gehören zur Islamischen Gemeinde Röhlinghausen in Herne. Das erste Mal gefastet haben sie etwa mit elf bzw. zwölf Jahren. In jungen Jahren müssten Kinder nicht fasten, erklärt Havle. Irgendwann starte man langsam - mal einen halben Tag, dann einen ganzen. „Viele Kinder wollen freiwillig schon die gesamte Zeit mit fasten. Das geht aber natürlich nicht.“ Gerade in der Schule sei es auch für Lehrerinnen und Lehrer wichtig, dass die Kinder ihr Frühstück essen.

Fasten ist in der Winterzeit leichter als im Sommer

Für sie selbst - die drei sind Anfang 20 - sei der Ramadan keine große Herausforderung. „Vor allem in der Winterzeit ist es einfacher“, sagt Akif. Schließlich geht jetzt die Sonne deutlich früher unter als im Sommer. Der Fastenmonat hat am 10. März mit Erscheinen der Neumond-Sichel begonnen. Der islamische Kalender richtet sich nach dem Mond. Deshalb variiert der Zeitpunkt des Ramadans von Jahr zu Jahr. So kann es auch vorkommen, dass er in den Sommer fällt - dann, wenn sie Sonne erst um 22 Uhr untergeht. „Da können die Tage schon sehr lang werden“, sagt Ozan. Im Winter sei es hingegen sehr einfach. Wenn man nachmittags aus der Schule, aus der Uni oder von der Arbeit komme, sei schon fast die Zeit des Fastenbrechens angebrochen.

Ozan, Akif und Havle (v.l.) von der Islamischen Gemeinde Röhlinghausen berichten über ihre Erfahrungen während des Ramadans.
Ozan, Akif und Havle (v.l.) von der Islamischen Gemeinde Röhlinghausen berichten über ihre Erfahrungen während des Ramadans. © Lea Wittor | Lea Wittor

Ozan absolviert derzeit ein duales Studium, Havle studiert und Akif arbeitet bei der Deutschen Bahn. „Häufig ist so viel zu tun, dass man vergisst, dass man noch gar nichts gegessen hat“, sagt Ozan (23). Doch braucht man nicht Zucker fürs Gehirn, wenn mal wieder eine wichtige Prüfung in der Uni ansteht? Nein, sind sie sich einig. Der Körper gewöhne sich schnell daran, dass er nichts bekommt, er arbeite auch ohne Essen und Trinken sehr gut. Vielmehr noch: „Ich habe das Gefühl, dass ich in dieser Zeit sogar noch fokussierter bin“, sagt die 20-jährige Havle.

Und auch beim Sport stelle der Ramadan sie vor keine große Herausforderung. Wenn man mal einen trockenen Mund habe, könne man ihn sich mit Wasser ausspülen. „Hauptsache man schluckt dabei nichts runter“, sagt Havle und lacht. Körperliche Beschwerden beim Sport hätten die drei noch keine durchs Fasten gehabt. Nur Akif: „Ich habe beim Handballspielen während des Ramadans mal ein bisschen zu viel Gas gegeben. Das war im Hochsommer.“ Da habe er gemerkt, dass der Körper schwächer war als sonst.

In ihrer Schulzeit seien ihre Mitschülerinnen und Mitschüler respektvoll mit dem Ramadan umgegangen. „Es gab niemanden, der extra vor uns gegessen hat, um uns zu ärgern“, sagt Akif. Im Gegenteil: Manche seiner Mitschüler hätten sogar aus Solidarität mit ihm mit gefastet.

Islamische Gemeinde sammelt Spenden

Generell sind kranke Menschen, bei denen keine Chance auf Heilung besteht, vom Fasten ausgenommen. Aber auch diejenigen, die akut erkrankt sind, müssten nicht fasten. Das sei gerade in der Coronazeit oft vorgekommen. „Wenn man so krank ist, ist es natürlich wichtig, dass man isst und trinkt“, sagt Havle. Auch während der Periode müsse man nicht fasten. „Diese Tage kann man dann zu einem späteren Zeitpunkt nachholen.“ Diejenigen, die aufgrund von körperlichen Beschwerden gar nicht fasten können, zahlen Geld, das dann gespendet wird. Aktuell habe die Gemeinde drei Ziele, an die das Geld gehe: in Uganda, in Gaza und in Afghanistan.

Während des Ramadans hat der Tag für die Musliminnen und Muslime eine gewisse Struktur. Es gibt mehrere Gebete am Tag, abends kommt noch ein längeres Gebet hinzu. Wie und wo sie täglich das Fasten brechen, sei ihnen selbst überlassen. Oft geschehe das in der Gemeinschaft, innerhalb der Familie, bei Freunden. Oder einfach draußen. Da gebe es keine Vorgaben, erklären die drei. Und dann heißt es, Bauch vollschlagen? „Nein“, sagt Havle. Zum einen sei das nicht der Sinn des Ramadans. Man solle sich in der Zeit in die Situation von Menschen versetzen, die nicht viel haben. Zum anderen sei der Körper gar nicht mehr an große Mengen gewöhnt. Schon nach ein paar Löffeln sei man häufig satt. „Man stellt sich oft tagsüber vor, was man alles essen könnte und schafft dann abends doch nur wenig“, sagt sie und lacht.

Der Ramadan endet mit dem sogenannten Zuckerfest, ein hoher Feiertag für Muslime. Dieser besondere Tag wird am 10. April auch in Röhlinghausen gemeinsam mit einem Fest gefeiert.