Herne. Schon kurz nach dem Bezug ihrer Wohnungen in einem Herner Neubau mussten Senioren wieder raus. Drei Wohnungen wurden sogar versiegelt.
Bereits zweimal wurde der Erstbezug von 44 neuen Seniorenwohnungen an der Vinckestraße in Herne-Mitte verschoben. Als es dann endlich so weit war, mussten einige Mieter schon wenige Tagen nach dem Einzug ihr neues Zuhause wieder verlassen - auf Anordnung der städtischen Bauordnung, die die Wohnungen anschließend versiegelte. Der Eigentümer spricht von „einer Verkettung unglücklicher Umstände“. In einem Fall stellt die Räumung aufgrund eines Pflegefalls eine ganz besondere Herausforderung dar.
„Wohnen mit Service“: So bewarb das Diakonische Werk die nur wenige Minuten von der Herner Fußgängerzone entfernte Wohnanlage, in der sie künftig diverse Dienstleistungen anbieten will. Der Service reicht von der persönlichen Wohnbegleitung über einen Hausmeister- und Reinigungsdienst bis hin zu zusätzlichen hauswirtschaftlichen und pflegerischen Leistungen. Gebaut und vermietet werden die zwischen 49 und 94 Quadratmeter großen Wohnungen von der Boksteen und Tappe GbR (Bottrop), die auch beim anstehenden Bau von Seniorenwohnungen und Senioren-WGs an der Kronenstraße in Constantin mit dem Wohlfahrtsverband kooperiert (wir berichteten).
Nach der Verschiebung des Einzugstermins erhielten die ersten Mieterinnen und Mieter zum 1. März die Schlüssel für ihre neuen Wohnungen. Für insgesamt drei Mietparteien im dritten Obergeschoss sowie im Staffelgeschoss darüber war die Freude aber nur von kurzer Dauer: Am vergangenen Donnerstag, 14. März, klingelte die städtische Bauordnung an der Tür und forderte sie dazu auf, ihre Wohnungen zeitnah zu verlassen.
Die beiden Geschosse seien noch gar nicht freigegeben worden und „hätten demnach nicht bezogen werden dürfen“, erklärt Stadtsprecher Christoph Hüsken auf Anfrage. Grund: Die Aufstellfläche für den Drehleiterwagen der Feuerwehr, die für die oberen beiden Stockwerke als zweiter Rettungsweg diene, sei noch nicht fertiggestellt bzw. befestigt worden. Die unteren Stockwerke seien nicht betroffen, da für sie tragbare Leitern der Feuerwehr reichten.
Von einem „Missverständnis“ spricht Eigentümer Ricardo Boksteen gegenüber der WAZ. Jede Stadt im Ruhrgebiet habe andere Anforderungen; in Herne würden die Vorgaben offenbar streng ausgelegt. Und: Der erste Abnahmetermin sei von der Stadt aus Krankheitsgründen abgesagt worden. Einen Vorwurf wolle er hier jedoch auf keinen Fall erheben. „Ich muss das am Ende akzeptieren“, sagt er und bittet die WAZ, ihn „nicht zu zerreißen“.
Am Donnerstag, 21. März, werde die beanstandete Fläche hinter der (fast komplett vermieteten) Wohnanlage geschottert. Bereits am Freitag, 22. März, finde der Abnahmetermin mit Bauordnung und Feuerwehr statt, kündigt Boksteen an. Anschließend könnten die drei vorübergehend in Herner Hotels untergebrachten Mietparteien ihren Wohnungen wieder beziehen. „Für sie tut es mir sehr leid“, sagt er.
Pflegebedürftige Hernerin muss vorerst in der Reha-Klinik bleiben
Für Neumieter Rainer Kubitza stellte die Aufforderung zum Verlassen der Wohnung ein riesiges Problem dar, wie der Anwalt und Notar im (Fast-)Ruhestand auf Nachfrage schildert. Denn: Just an jenem Tag sollte - nur wenige Stunden nach der Ansage des Bauordnungsamtes - seine pflegebedürftige Frau nach fünf Monaten Krankenhausaufenthalt und Reha in Hattingen endlich wieder nach Herne zurückkehren und in die neue gemeinsame Wohnung einziehen. Den Krankentransport nach Herne habe er ebenso noch stoppen können wie den ersten Einsatz des Pflegedienstes am Abend.
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„Die Reha-Klinik hat glücklicherweise grünes Licht gegeben: Meine Frau konnte zunächst dort bleiben“, sagt der 68-Jährige. Und er betont: „Ich suche keinen Schuldigen, sondern nach einer Lösung.“ Stand jetzt wird dieser Wunsch wohl in Erfüllung gehen und seiner Frau bleibt eine zusätzliche Belastung - Zwischenaufenthalt in einer Kurzzeitpflege - erspart. Der Bauleiter habe ihm signalisiert, dass sie am Freitag nach der Abnahme durch die Stadt die Wohnung beziehen könnten, so Kubitza.
Für Vermieter Ricardo Boksteen steht derweil fest: „So etwas passiert mir in Herne kein zweites Mal.“ Möglicherweise kann er dies in Zukunft nicht nur an der Kronenstraße unter Beweis stellen. Er habe am Freitag mit „hochrangigen Gästen“ einen Termin beim Oberbürgermeister: „Mal schauen, was wir anschließend in Herne investieren können.“
Nachtrag: Rainer Kubitza und seine Frau konnten am Freitag nach Abnahme der geschotterten Fläche hinter dem Haus durch die Stadt ihre Wohnungen beziehen.