Herne. Mediensucht, Übergewicht, Angst vorm Tod: Herner Kinderärztinnen beobachten weiter Folgen der Pandemie. Die Lage habe sich aber etwas verbessert.
Mediensucht, Schlafstörungen, Übergewicht: Die Corona-Pandemie macht Kinder krank – nicht nur die Infektion mit dem Coronavirus selbst. Doch die Situation der Kinder und Jugendlichen habe sich im Vergleich zu der Zeit nach dem Lockdown etwas gebessert, sagt Dr. Anja Schulenburg, Obfrau der Herner Kinderärzte. Dennoch gibt es auch weiter einige Missstände.
Die Inzidenz bei den Fünf- bis 14-Jährigen liegt in Herne laut Robert Koch-Institut am Freitag bei 4690. Damit sind die Kinder und Jugendlichen die Altersgruppe, die am stärksten von der aktuellen Welle betroffen ist. Was macht das mit ihnen? Wie geht es den Kindern im Moment?
Herner Kinderärztin: Kindern geht es etwas besser
„Ganz viele Kinder, ganz viele PCRs, ganz viele Schnelltests“, so beschreibt Schulenburg ihren Praxisalltag im Moment. Die meisten Kinder hätten Erkältungssymptome, nur selten seien sie schwer krank. Eine Alternative zum derzeitigen Weg sieht sie deshalb nicht: „Ich sehe keine andere Möglichkeit als das gebremste Durchseuchen“, sagt sie. Die Folgen des harten Lockdowns seien zu schwerwiegend für die Kinder gewesen. Inzwischen stelle sich für sie weniger die Frage, ob die Kinder Corona bekommen, sondern eher wann.
Die Kinderärztin habe das Gefühl, dass es den Kindern inzwischen wieder etwas besser gehe, sie weniger isoliert seien, der Alltag nach dem Lockdown zurückgekehrt, die Mediensucht rückläufig sei. Auch die Fälle von Long-Covid seien zuletzt in ihrer Praxis etwas weniger geworden. Wie sich das aber in den kommenden Wochen bei der starken Zunahme von Infektionen bei Kindern im Moment entwickele, müsse man erst noch abwarten. Probleme wie das Übergewicht blieben länger. Und natürlich sei auch eine Corona-Erkrankung „nicht gesundheitsförderlich“, sagt sie.
Omikron-Erkrankung nicht unterschätzen
Omikron abzutun und zu sagen, dass die Verläufe bei Kindern sowieso nur schwach seien, hält die Kinderärztin Dr. Renate Vahldieck für falsch. „Leute, vertut euch nicht!“, warnt sie. Derzeit sei viel zu wenig über die medizinischen und auch psychischen Langzeitfolgen einer Erkrankung bei Kindern bekannt. Sie erlebe schon jetzt fünfjährige Kinder, die sich intensiv Gedanken über den Tod machten und ihrer Mutter die Frage stellten, ob Kinder in dem Alter auch schon sterben könnten.
„Die Kinder kennen das unbedarfte Leben nicht mehr“, sagt Renate Vahldieck. Übernachtungen oder Treffen mit Freunden, bei Jugendlichen abendliches Weggehen, vieles sei derzeit nur sehr eingeschränkt möglich. „Für Kinder und Jugendliche ist das die totale Überwachung“. Und bei jedem Treffen, bei jedem Schulbesuch schwinge das Gefühl mit, dass der nächste Schnelltest positiv sein könnte. „Was das für Folgen bei den Jugendlichen hat, werden wir erst noch sehen“, so die Kinderärztin.
Bedrohung wird für Kinder sichtbarer
Die Wanne-Eickeler Kinderärztin beobachte weiterhin Kinder, die sich total zurückziehen, die Entwicklung von Mediensucht, manche würden depressiv, einige hätten Schlafstörungen. Sie hat das Gefühl, dass die Lage ähnlich schlecht wie vor einem Jahr sei – oder sich durch die Dauer der Pandemie sogar noch verschlechtere. Dass inzwischen fast jede Familie von Infektionen betroffen sei, schüre Ängste bei Kindern. „Die Bedrohung ist jetzt sichtbarer.“
Die Diskussion über die Impfpflicht könne sie nicht verstehen, sagt Vahldieck. Niemand würde die Masern-Impfpflicht in Frage stellen; bei keiner anderen Kinderimpfung sei sie je von Eltern gefragt worden, wie sich ein Impfstoff zusammensetzt – warum sei das bei der Corona-Impfung anders? „Ich kann das nicht verstehen!“, betont sie. Der Impfstoff sei in Deutschland hergestellt und „sowas Gutes“. „Ich verstehe nicht, warum die Leute weiter Kutsche fahren wollen, obwohl ein Ferrari bereitsteht.“
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>>>WEITERE INFORMATIONEN: Kinderimpfungen:
• Impfungen für Kinder zwischen 5 und 11 Jahren können ohne Termin an den Standorten im City Center an der Bahnhofstraße 7a (jeweils Sonntag, Montag, Mittwoch, Freitag) und an der Hauptstraße 221 in Wanne nahe dem Buschmannshof (jeweils Samstag, Dienstag, Donnerstag) zwischen 13 und 18 Uhr wahrgenommen werden. Außerdem bieten die niedergelassenen Kinderärzte Impfungen nach Terminabsprache an.
• Bei genesenen Kindern empfiehlt die Kinderärztin Anja Schulenburg nach drei Monaten eine Impfung. Damit gilt das Kind dann als „vollständig geimpft“.