Herne. Als der BVB am Sonntag den VfL Bochum bezwang, jubelte ein besonderer Fan mit: Bernhard Lücke, ältester Herner. 105 Jahre.
Der schwarz-gelbe Fanschal liegt ordentlich gefaltet im Wohnzimmer - er ist ein Andenken an ein ganz besonderes Spiel. Am vergangenen Sonntag hat Bernhard Lücke den Derbysieg des BVB über den VfL Bochum live im Dortmunder Stadion miterlebt. Es ist ein weiteres Kapitel in Lückes langem Leben. Er ist mit 105 Jahren Hernes ältester Bürger. Der Herner WAZ hat er einige Kapitel erzählt.
Doch wo soll man anfangen bei mehr als einem Jahrhundert Lebenszeit? Vielleicht ganz vorne. Geboren wurde Lücke am 23. Dezember 1918 - exakt das Geburtsdatum des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Und auf Lückes Personalausweis steht „Geburtsort: Eickel“. Eben, er erblickte schon das Licht der Welt, bevor Wanne und Eickel ihre Städteehe eingingen, das geschah nämlich erst 1926. Und Bernhard Lücke dürfte zu den wenigen Menschen gehören, die die Hyperinflation noch selbst erlebt haben. An dieser Stelle kann Lücke eine dieser vielen Anekdoten erzählen: Als er zu einem 50. Geburtstag eingeladen war, habe er eine „Kleinigkeit“ geschenkt bekommen: einen 50.000-Mark-Schein.
Bernhard Lücke hat immer in Eickel gelebt
Apropos Geburtsort Eickel: Bis auf eine Zeit im Zweiten Weltkrieg habe er immer im Stadtteil gelebt, Lücke kann beinahe zu jedem Haus und jedem Stein eine Geschichte erzählen - und vor allem zu den Dingen, die dort früher waren oder eben nicht waren. Das Gelände der Hiberniaschule sei früher ein Kornfeld gewesen, auf dem er Handball gespielt habe. Auch wenn er Fußballfan sei, in seiner Jugend habe er eben Handball gespielt. Bei Arminia Holsterhausen. Damals flog der Ball noch nicht in der Halle, sondern unter freiem Himmel.
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Lücke sagt von sich selbst, dass er in ärmlichen Verhältnisse aufgewachsen sei und immer versucht habe, den noch Ämeren zu helfen. Das spiegelt sich in seiner beruflichen Karriere. Von Haus aus eigentlich Schmiedemeister, fing er 1945 bei den Wanne-Eickeler Stadtwerken an und wurde schon ein Jahr später in den Betriebsrat gewählt. Im Gespräch mit einer Zeitung schilderte er 1966, was das hieß: Er habe in der Anfangszeit der Belegschaft Schuhe und Strümpfe besorgen müssen. 1948 rückte er als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat auf. Doch Lücke packte auch an: So war er unter anderem maßgeblich am Wiederaufbau des Solbads beteiligt, ebenso am Bau des Hallenbads. In beiden Einrichtungen habe er später die technische Leitung gehabt, ebenso im Freibad in Crange. Außerdem sei er Arbeitnehmervertreter im Vorstand der AOK Wanne-Eickel gewesen, erzählt er.
Dieses Engagement wird auch in Zeitungsartikeln von 1974 erwähnt, die Bernhard Lücke in einer Mappe gesammelt hat. Damals überreichte ihm der damalige Wanne-Eickeler Oberbürgermeister Manfred Urbanski das Bundesverdienstkreuz.
Jeden Tag zweieinhalb Kilometer mit dem Rollator
Wenn Bernhard Lücke so in seinem Sessel sitzt und plaudert, wird man als Endfünfziger schon fast vorauseilend ein wenig neidisch: Zwar hört er nicht mehr ganz so gut, und beim Lesen benötige er bei kleineren Schriften manchmal eine Lupe, doch ansonsten ist er topfit. Jeden Tag drehe er - mit Rollator - eine Runde durch die unmittelbar angrenzende Kleingartenanlage, die Strecke sei etwa zweieinhalb Kilometer lang, ergänzt sein Schwiegersohn Siegfried Ebert. Da kommen manche Büroarbeiter auf weniger Schritte... Mit der WAZ hält er sich auf dem Laufenden, er kennt die Diskussionen um Künstliche Intelligenz, Handwerkermangel oder Klimawandel. Und hat seine Meinung: „Wir müssen die Luft doch so hinterlassen, dass die nächste Generation auch noch leben kann“, sagt er.
Mag er beim Tagesgeschehen schon bestens informiert sein, beim Fußball sei sein Schwiegervater so etwas wie ein wandelndes Lexikon, sagt Siegfried Ebert. Bevor am Samstagnachmittag der Fernseher angeht, kennt Bernhard Lücke schon alle Aufstellungen. Die Liebe zum BVB sei dadurch entstanden, dass er in Dortmund seine Meisterprüfung abgelegt habe. In seiner Jugend sei er öfter im Stadion Rote Erde gewesen, er sei von Eickel nach Dortmund mit dem Fahrrad gefahren. Auch beim legendären 4:4 gegen den FC Schalke vor wenigen Jahren sei er dabei gewesen.
Einladung zum 106. Geburtstag steht schon
Doch das Derby gegen den VfL Bochum sei etwas Besonderes gewesen. Denn Lücke konnte die Partie im VIP-Bereich verfolgen. Möglich machte das Arnold Plickert. Der kennt Lücke seit dessen 102. Geburtstag, weil er als Bezirksbürgermeister seitdem Blumen und Urkunde überbringt. „Ich hab‘ überlegt, ob man zum 105. nicht was anderes machen kann“, erzählt Plickert. Über alte Kontakte zur Signal Iduna ergatterte er Tickets für den VIP-Bereich - und dort war Bernhard Lücke der Star. Als sich die Nachricht herumgesprochen habe, dass ein 105-Jähriger unter den Gästen ist, musste Lücke für einige Selfies posieren. „Und ich selbst war so aufgeregt, dass ich gar nichts essen konnte, obwohl alles kostenlos war“, erzählt er.
Übrigens: Die Versicherung hat ihn schon zum 106. Geburtstag zum BVB eingeladen.