Herne/Israel. Als Kind musste sie 1939 aus Herne flüchten, ihre Eltern wurden ermordet. Aus Israel hat Esther Hocherman (92) nun eine Botschaft übermittelt.

Kurz vor dem Jahrestag des Gedenkens an die Opfer der Shoah hat Oberbürgermeister Frank Dudda Post aus Israel erhalten. Die Absender: Irit Matan und ihre Mutter Esther Hocherman, geborene Jankielewitz. Hochermann hatte im Februar 1939 ihre Heimatstadt Herne als siebenjähriges Mädchen ohne die Eltern verlassen müssen. In einem Kindertransport gelang ihr die Flucht zunächst nach Belgien und anschließend nach Frankreich. Ihren Vater und ihre Mutter sah sie nie wieder: Die Herner Juden Rosa und Hermann Jankielewitz wurden 1944 von den Nazis im KZ Stutthof ermordet.

Esther Hochermann ist 92 Jahre alt und lebt in Israel. In dem Brief an die Stadt Herne nimmt sie bzw. ihre Tochter Irit Matan Stellung zum Massaker der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel. Matans Bitte, den Brief bei der Herner Gedenkveranstaltung am Freitag, 26. Januar, zu verlesen, ist die Stadt nachgekommen. Eine Schülerin der Gesamtschule Wanne-Eickel verlas die deutsche Übersetzung der auf Englisch verfassten Stellungnahme. Der Brief im Wortlaut:

Esther Hocherman (rechts) und ihre Tochter 2021 in Ben Shemen (Israel).
Esther Hocherman (rechts) und ihre Tochter 2021 in Ben Shemen (Israel). © WAZ

„Meine Mutter, Esther Hocherman, wurde 1931 als Edith Jankielewitz in Recklinghausen geboren. Sie und ihre Familie lebten in Herne. Noch heute erzählt sie Geschichten aus der Kaiser-Wilhelm-Straße (heute: Viktor-Reuter-Straße). Sie kam gerade zur Schule, als das Nazi-Regime jüdische Menschen in die Vernichtungslager deportierte, um sie zu ermorden. Sie wurde allein gelassen. Ein 7-jähriges Kind in einer feindlichen Welt, das sich vor denen versteckte, die sie töten wollten. Warum? Nur weil sie Jüdin war.

Am frühen Morgen des 7. Oktober 2023, als wir schliefen, nachdem wir den letzten Tag des Sukkot-Festes gefeiert hatten, wurden wir von der Hamas und anderen arabischen Menschen aus Gaza angegriffen, die uns, das jüdische Volk in Israel, vernichten wollten. Ich werde nicht beschreiben, was wir an diesem Tag und von diesem Tag an durchgemacht haben. Jeder in Israel hat einen Freund oder ein Familienmitglied, das getötet, verwundet oder entführt wurde. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir seit der Gründung Israels in der Gefahr sind, vernichtet und ins Meer geworfen zu werden.

Im Jahr 2010 sprach meine Mutter bei der Einweihung des Shoah-Denkmals in Herne. Sie forderte das deutsche Volk auf, dem Land Israel zu helfen, es vor der iranischen Atombombe zu schützen. Sie sagte, dass es für die Sicherheit Israels verantwortlich sein muss.

Zur Einweihung des Herner Shoah-Denkmals am 29. Januar .2010 auf dem Willi-Pohlmann-Platz hielt Esther Hocherman (Mitte) eine Rede. Mit im Bild: Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Oberbürgermeister Horst Schiereck.
Zur Einweihung des Herner Shoah-Denkmals am 29. Januar .2010 auf dem Willi-Pohlmann-Platz hielt Esther Hocherman (Mitte) eine Rede. Mit im Bild: Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Oberbürgermeister Horst Schiereck. © WAZ FotoPool | Thomas Goedde

Heute möchte ich die Worte meiner Mutter noch einmal hervorheben. Die Reaktion des deutschen Volkes auf die Ereignisse vom 7. Oktober hat uns klargemacht, dass Deutschland bereit ist, die Verantwortung für die Shoah zu übernehmen. Deutschland leugnet nicht den Antisemitismus, der immer noch das jüdische Volk und Israel bedroht, und ist uns zur Seite getreten. Auch die Menschen in Herne. Wir haben diese Nachricht erhalten. Danke dafür.“