Herne. Ein zum Verkauf stehendes Herner Kirchengebäude ist auf private Initiative unter Denkmalschutz gestellt worden. Die Gemeinde klagte - und verlor.
Ende 2020 beantragte die Herner Bürgerin Irmgard Müller-Schuitz bei der Stadt, die Friedenskirche der Evangelischen Freikirchlichen Gemeinde an der Hauptstraße 127 unter Denkmalschutz zu stellen. Die Untere Denkmalbehörde der Stadt stimmte dem Ansinnen im Juni 2021 zu und trug das gesamte Gebäudeensemble in die Denkmalliste ein. Die Gemeinde bzw. der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden als Grundstückseigentümer legte Widerspruch ein und zog letztlich vors Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - ohne Erfolg.
Am 7. Dezember habe das Gericht die Klage abgewiesen, bestätigte Wolfgang Thewes, Richter und Pressedezernent am Verwaltungsgericht, auf Anfrage. Gegen das Urteil könne noch bis Mitte Januar Berufung eingelegt werden. Ein Vertreter der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde wollte gegenüber der WAZ nicht Stellung nehmen. Begründung: Man habe die weitere Vorgehensweise noch nicht abgestimmt, da das schriftliche Urteil bislang nicht vorliege.
Kirche entstand 1965 in Wanne-Eickel hinter der ehemaligen Reichsbank
Das Ensemble entstand Mitte der 60er-Jahre in Wanne-Süd Mitte. Die Ev. Freikirche erwarb damals das straßenseitige Gebäude der ehemaligen Deutschen Reichsbank und späteren Landeszentralbank und baute zur Hofseite eine Kirche an. Nach der Fusion zwischen den Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden Herne und Wanne-Eickel im Jahr 2018 wurde die Friedenskirche an der Hauptstraße von den Baptisten offiziell aufgegeben, wird aber bisweilen noch für diverse kirchliche Veranstaltungen zur Verfügung gestellt.
In dem Gebäude befinden sich zahlreiche Kirchenfenster des Wanne-Eickeler Künstlers Edmund Schuitz, die er einst im Auftrag der Gemeinde erstellt hatte. Der Schutz dieser in drei unterschiedlichen Techniken hergestellten und mit einer Ausnahme abstrakten Buntglasfenster sei nicht der einzige Grund für ihre Denkmal-Initiative gewesen, sagt dessen Tochter Ingeborg Müller-Schuitz im Gespräch mit der WAZ. „Ich fand dieses Objekt aus den 60er-Jahren auch insgesamt schützenswert und außergewöhnlich. Das ganze Paket lag mir am Herzen.“
Mit Recht, wie die Denkmalpfleger des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) nach einer Begutachtung und anschließend die Untere Denkmalbehörde der Stadt be- und entschieden. „Die im funktionalen Zusammenhang stehende Gebäudegruppe ist für Herne aus religions-, wirtschafts- und sozialgeschichtlichen sowie städtebaulichen und künstlerischen Gründen bedeutend. So unterstreicht die ehemalige Reichsbank beispielsweise den enormen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt durch den Bergbau“, begründet Stadtsprecher Christoph Hüsken die Unterschutzstellung.
Aufmerksam geworden sei sie auf die Verkaufspläne durch eine Immobilienanzeige, berichtet Müller-Schuitz. Die Friedenskirche sei von einem Makler für 770.000 Euro angeboten worden. „Ich habe mir gedacht: Das kann doch nicht sein, dass das Gebäude verkauft und dann abgerissen wird“, sagt die 75-Jährige. So sei der Stein ins Rollen gekommen.
„Aus Sicht der Gemeinde ist es natürlich sehr ärgerlich, dass das Gebäude nun nicht so ohne Weiteres verkauft werden kann, weil es unter Denkmalschutz steht“, so Müller-Schuitz. In der zweieinhalbstündigen mündlichen Verhandlung am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sei der Freikirche ein Kompromissangebot auf eine „Teil-Unterschutzstellung“ gemacht worden, das diese jedoch abgelehnt habe. Ihre stille Hoffnung sei, dass sich jemand findet, der dieses Gebäude „zu einem Zentrum des sozialen Miteinanders“ entwickeln könnte: „Der Standort Wanne-Süd ist bestens geeignet“, sagt Müller-Schuitz.
Auch die Politik war bereits einmal involviert. Nach der Kommunalwahl habe er mit der Gemeinde über die Zukunft der Immobilie gesprochen, sagt Martin Kortmann, Stadtverordneter der SPD in Wanne-Süd. Auch Bezirksbürgermeister Adi Plickert und der SPD-Bezirksverordnete Michael Wippich hätten an dem Treffen teilgenommen. Die Gemeinde habe ein Riesenproblem: Mit dem Denkmalschutz werde es wohl noch viel schwieriger werden, die Immobilie zu verkaufen. Und für den Stadtteil sei zu befürchten, dass das Gebäude „den Bach runtergeht“.
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Ingeborg Müller-Schuitz kämpft bekanntlich auch an anderer Stelle um das künstlerische Erbe ihres Vaters. Im ehemaligen Hallenbad Eickel befindet sich das zweiteilige Wandmosaik „Hochzeit von Amphitrite und Poseidon“, das allerdings nicht unter Denkmalschutz steht. Nach Bekanntwerden der NSDAP-Mitgliedschaft von Edmund Schuitz nahm die Stadt Abstand davon, Fördermittel für den Erhalt zu beantragen. Die Entscheidung über die Zukunft des Mosaiks liegt derzeit auf Eis: Zunächst muss die Frage beantwortet werden, ob das Gebäude des Hallenbads erhalten und umgebaut werden soll oder es einem Neubau mit Lehrschwimmbecken weichen soll.
Fotos der Schuitz-Fenster sind online dokumentiert
- Die Kirchenfenster von Edmund Schuitz in der Friedenskirche sind allesamt vom Verein „Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts“ fotografiert und dokumentiert worden.
- Die Bilder sind online zu sehen auf https://www.glasmalerei-ev-web.de/pages/de_ueber.shtml.