Herne. Braucht Herne eine Debatte über Nazikunst und Nazikarrieren nach dem Krieg? Weshalb die Grünen dies weiterhin fordern und wen sie attackieren.
„Mit Entsetzen“ reagieren die Grünen auf die Ablehnung ihrer Forderung nach einer öffentlichen Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Nazikunst in Herne“. Der Kulturausschuss hatte einen entsprechenden Grünen-Antrag mit den Stimmen von SPD, CDU und AfD in der letzten Sitzung des Jahres zurückgewiesen (wir berichteten). Hintergrund ist die Diskussion um den Erhalt der von Edmund Schuitz im Jahr 1954 gefertigten Wandmosaiken im Hallenbad Eickel, die durch die erst kürzlich öffentlich gewordene NSDAP-Mitgliedschaft des Künstlers eskaliert war.
Peter Liedtke, kulturpolitischer Sprecher der Grünen, greift in seiner nach der Ausschusssitzung veröffentlichten Stellungnahme nicht nur den politischen Gegnern an, sondern auch den Herner Künstlerbund. Dieser hatte kritisiert, dass die Stadt den Erhalt der Putzmosaike ablehne. Der Künstlerbund ignoriere dabei völlig „die zumindest fragwürdige politische Haltung“ von Schuitz, so Liedtke. Der Künstler sei schließlich von 1936 bis 1945 Mitglied des NSDAP gewesen.
In der Entnazifizierungsakte von 1946 habe die damals zuständige britische Militärkommission Schuitz als „nominellen Nazi“ bezeichnet. In der Entnazifizierungsakte von 1948, die von einer „voraussichtlich überwiegend mit Laienrichtern“ besetzten Spruchkammer erstellt worden sei, werde der Künstler dann der Kategorie „Mitläufer“ zugeordnet. Der Grünen-Stadtverordnete verweist – wie auch in der Vergangenheit der Herner Stadthistoriker Ralf Piorr – darauf, dass viele ehemalige Nazis nach dem Krieg in Entnazifizierungsverfahren einen „Persilschein“ erhalten hätten. Mit zusätzlicher Unterstützung alter Kameraden oder von Seilschaften hätten sie in der Bundesrepublik (erneut) Karriere machen können.
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Fakt ist allerdings auch, dass es jenseits der Parteimitgliedschaft bisher keinerlei Hinweise auf eine aktive politische Rolle von Schuitz in der Nazi-Zeit gibt. Der Künstler lebte von 1934 bis zu seiner Einberufung 1940 in Italien.
Solange in Herne keine wirkliche öffentliche Debatte über „Nazikunst“ und auch über NSDAP-Mitglieder in öffentlichen Ämtern geführt werde, so Liedtke weiter, „vergrößern wir nur ein informatives Vakuum“. Hier helfe „nur öffentliche Information und Diskussion und kein Aussitzen“. Der Grüne verweist darauf, dass sich die SPD im Bezirk Eickel lange für den Erhalt der Putzmosaike eingesetzt habe. Die Sozialdemokraten täten gut daran, so der Politiker, „sich zu dem Irrtum zu bekennen und dies auch zu begründen“.
Bezirksvertretung Eickel befasste sich nicht mit den Hallenbad-Mosaiken
Gegenüber der WAZ hatte Eickels Bezirksbürgermeister Arnold Plickert (SPD) im September 2022 erklärt, dass er davon ausgehe, dass die Verwaltung den Sachverhalt im Bezirk umfassend darstellen werde, damit die Politik sich selbst ein Bild machen könne. In der Sitzung der Bezirksvertretung am 8. Dezember stand das Thema „Mosaike“ dann jedoch nicht auf der Tagesordnung. Weder erstattete die Verwaltung einen Sachstandsbericht noch stellte die SPD einen entsprechenden Antrag.
Die Grünen führen einen weiteren Punkt an: Durch eine Vermischung mit dem Streit um den Erhalt des Hallenbads Eickel entstehe eine Verquickung von Dingen, „die vornehmlich nichts miteinander zu tun haben“. Die besagten Putzmosaike seien Dekorelemente des ehemaligen Hallenbades. Bei einem Abriss würden diese verschwinden, bei einem Erhalt bleiben. Damit seien diese Werke „geradezu eine Einladung zur Instrumentalisierung mit anderen Interessen“, betont Liedtke.
Zu der von Ingeborg Müller-Schuitz – Tochter des 1992 verstorbenen Künstlers – erhobenen Forderung an die Stadt, die Putzmosaike im Falle eines Abrisses des Hallenbads zu erhalten, stellen die Grünen fest, dass dies mit Kosten in Höhe von etwa 100.000 Euro verbunden wäre. Das sei „eine Menge Geld“ und erfordere eine besondere Rechtfertigung. „An welcher Stelle soll man dieses Geld einsparen? Bei den Zuschüssen für Kunst- und Kulturvereine?“, fragt Peter Liedtke. Neben der „fragwürdigen Urheberschaft“ der Werke bleibe nicht zuletzt auch die Frage nach der Qualität der Mosaike. Die Kulturverwaltung hege hier offenbar „erhebliche Zweifel“. loc