Herne. Herne macht ab diesem Jahr wohl riesige Schulden. Immerhin bleibt die Stadt handlungsfähig: Die Haushaltsgenehmigung ist da.
Im Herner Rat ist Ende 2023 der Haushalt für dieses Jahr mit breiter Mehrheit beschlossen worden. Nun wurde er von der Bezirksregierung auch genehmigt - trotz drohender, riesiger Millionenlöcher.
Zum Hintergrund: Zum ersten Mal seit vielen Jahren plant die Stadt Herne wieder Verluste ein. Und was für welche: 58 Millionen Euro Miese erwartet Stadtkämmerer Hans-Werner Klee für 2024. Bis 2027 soll es sogar noch schlimmer werden. Erst 68, dann 73 und schließlich 77 Millionen Euro Verlust prognostizierte er vor der Haushaltsabstimmung für die kommenden drei Jahre. So groß wäre das Haushaltsdefizit seit zehn Jahren nicht mehr. Grund dafür seien die vielen Krisen in der Welt, etwa die Folgen des Ukrainekriegs in Form von Inflation, Tarifsteigerungen beim städtischen Personal und gestiegenen Kreditzinsen, teilte der Kämmerer der Politik im Vorfeld schriftlich mit. Hinzu komme unter anderem die schwächelnde Konjunktur in Deutschland.
Hernes Kämmerer: „Das Einzige, was uns hilft, ist Geld von Bund und Land“
„Das Einzige, was uns hilft, ist Geld von Bund und Land“, sagt der Kämmerer (65) am Rande der Ratssitzung im November zur WAZ. Sie hätten das Geld, um die Kommunen so auszustatten, dass sie keine neuen Schulden machen müssten. Schon im September, als er den Haushalt dem Rat präsentierte, sagte ein frustrierter Kämmerer: Bund und Land schöben sich die Verantwortung für die Finanzierung der Städte zu – „und wir drohen dazwischen zermahlen zu werden“. Angesichts dieser Lage sei er nicht nur ratlos, sondern er verspüre auch „eine gewisse Resignation“. Einmal mehr fordert er deshalb aus Berlin und Düsseldorf eine bessere Finanzausstattung, um marode Straßen und Schulen zu sanieren, Kitas bauen sowie Geflüchtete versorgen und integrieren zu können. Auch müssten, endlich, die Altschulden übernommen werden.
Apropos Altschulden: Wegen der neuen Millionenlöcher muss Herne jetzt neue Kredite aufnehmen. Dadurch beschleunige sich der Anstieg der Gesamtverschuldung rasant: um 40 Prozent bis 2027. Schon jetzt liege diese bei knapp einer halben Milliarde Euro. Angesichts massiv gestiegener Zinsen belaste das den Haushalt zusätzlich weiter.
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Mit Steuererhöhungen will der Kämmerer die Haushaltslöcher aber nicht stopfen – zumindest zunächst nicht. Er habe ohnehin nur zwei Stellschrauben, sagte er zuletzt zur WAZ: die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer. Erstere sei aber gerade erst angehoben worden, mehr wolle er den Bürgerinnen und Bürgern nicht zumuten. Die Gewerbesteuer wolle er auch nicht erhöhen, weil er sonst Unternehmen vergraule. Dabei bleibe er.
Einfach Miese machen darf die Stadt freilich nicht. Damit der städtische Finanzplan von der Bezirksregierung genehmigt werden kann, muss das Rathaus ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen. Das soll über zehn Jahre laufen, also von 2024 bis 2034. Fast im kompletten Zeitraum plant Klee jährlich zweistellige Millionenverluste ein. „Erst hier und zwar im Jahr 2034 gelingt es, ein positives Jahresplanergebnis zu erreichen“, schaut er optimistisch nach vorn. Und erklärt: „Für den Erhalt der Haushaltsgenehmigung reicht dieser Zeitpunkt aber gerade eben noch aus.“ Nur durch besagtes Haushaltssicherungskonzept bleibe Herne handlungsfähig, sprich: könne auch weiter in freiwillige Bereiche wie den Sport investieren.
Rot-schwarze Ratskoalition stimmt für den Haushalt
In der Politik kam angesichts dieser Zahlen keine Freude auf. Im Gegenteil. Die rot-schwarze Koalition, die im Rat eine große Mehrheit bildet, stimmte dennoch für den Haushalt – eben damit Herne handlungsfähig bleiben könne. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Udo Sobieski schaute in seiner Haushaltsrede trotzdem pessimistisch nach vorn. „Wir stehen am Abgrund“, kommentierte er. Und fragte: Wie in aller Welt soll die seit Jahren am finanziellen Limit agierende Stadt den Herausforderungen der Zukunft begegnen? Die Stadt, stellt auch er klar, brauche dringend Geld aus Berlin und Düsseldorf. Von dort aber werde Herne „im Regen stehen gelassen“. Eine Altschuldenregelung etwa drohe in immer weitere Ferne zu schwinden.
Ähnlich äußerte sich CDU-Fraktionschef Christoph Bußmann. „Ein langer schwarzer Tunnel“ – so nannte er die kommenden zehn Jahre, in denen sich Herne „im Würgegriff des Haushaltssicherungskonzeptes“ befinden werde. Bußmann kündigte an, dass die Union „alles“ dafür tun werde, um den Ausgleichszeitraum zu verkürzen. Das, so sagte auch er, gehe nur dann, wenn Bund und Land „die immer wieder bestellte Musik“ auch bezahlten, also Geld immer dann überweisen, wenn sie die Kommunen durch neue Gesetze finanziell belasten. Bußmann lobt, dass der Kämmerer die Grund- und Gewerbesteuer nicht erhöhen will: „Noch mehr Beiträge daraus zur Haushaltskonsolidierung als jetzt wollen und dürfen wir den Menschen in unserer Stadt nicht aufbürden.“
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Am Ende stimmte nur die FDP gemeinsam mit SPD und CDU für den Haushalt; das waren 37-Ja-Stimmen. Die anderen Parteien und Gruppen sagten Nein – 15 Stimmen. Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) sprach nach dem Ja für den Haushalt von einem „wichtigen Signal“. Auch wenn nun in Herne nicht plötzlich Honig fließen werde: Die Stadt habe die Weichen gestellt, damit der Haushalt genehmigt werden könne. Damit könne die Stadtentwicklung weiter vorangetrieben werden.
OB zufrieden über Haushaltsgenehmigung
Im Februar kam nun die gute Nachricht: Die Bezirksregierung Arnsberg als zuständige Aufsichtsbehörde hat den Haushalt der Stadt Herne für das Jahr 2024 genehmigt. Die Genehmigung habe die Stadt zu einem erfreulich frühen Zeitpunkt im Jahr erreicht, heißt es in einer Mitteilung der Verwaltung. „Ich freue mich sehr darüber, dass die Bezirksregierung unseren Etat genehmigt hat. Das ist ein wichtiger Impuls für die weitere dynamische Entwicklung unserer Stadt. Das zeigt auch die Leistungsfähigkeit unserer Mitarbeitenden, die an vielen Stellen an der Erstellung des Haushalts mitgewirkt haben. Ihnen danke ich dafür ausdrücklich“, erklärte Oberbürgermeister Frank Dudda.
Auch der Kämmerer meldet sich zu Wort. „Verwaltung und Politik haben bei der Aufstellung, der Beratung und der Verabschiedung des Haushalts im Sinne unserer Stadt konstruktiv zusammengearbeitet. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagte Kämmerer und Stadtdirektor Hans Werner Klee und ergänzte weiter: „Die frühe Genehmigung unseres Haushalts zeigt, dass alle Beteiligten gut und verantwortungsvoll gearbeitet haben.“ Trotz des positiven Signals aus Arnsberg bleibe die Finanzlage Hernes ausgesprochen angespannt. Daher mahnte Klee abermals an: „Wir benötigen dringend eine Altschuldenlösung. Einerseits erhalten wir immer wieder Aufgaben von Bund und Land übertragen, die diese nicht gegenfinanzieren und auf der anderen Seite lassen sie uns bei der Altschuldenlösung im Regen stehen. Handlungsfähige Kommunen sind aber das Rückgrat unserer Demokratie.“