Herne. Vier Stunden Unterhaltung, viel Comedy und reichlich Emotionen: In Herne stieg der Wettbewerb „Tegtmeiers Erben“. Wer alles ausgezeichnet wurde.

Am Ende eines vierstündigen Abends, vollgepackt mit Comedy, Preisverleihungen und Reden, gibt es bei „Tegtmeiers Erben“ im Herner Kulturzentrum viele Emotionen. Die beiden Sieger des Abends, Ralf Senkel (Publikumspreis) und Nicole Jäger (Jurypreis), sind so überwältigt, dass sie kaum Worte finden, geschweige denn eine Zugabe auf die Bühne legen können. Aber von Anfang an.

Die Veranstaltung

Also ääährlich: Tegtmeier kennt man doch wohl? Ja, 100 wäre er in diesem Jahr geworden, der Schauspieler und Kabarettist Jürgen von Manger. Er schuf „Adolf Tegtmeier“, die Revier-Type mit Wohnsitz Herne, die vielen Komikerinnen und Komikern zum Vorbild wurde. Nun aber ist er auch schon fast 30 Jahre tot, und der jüngeren Generation sagt er oft wenig bis gar nichts mehr – meinen die Organisatoren und spielen deshalb eingangs ein Video ein, das an Tegtmeier erinnert. „Tegtmeiers Erben“ wollen in diesem Jahr, zur 13. Auflage, sechs Künstlerinnen und Künstler werden: die Comedians Nektarios Vlachopoulos, Jacky Feldmann, Nicole Jäger, Ralf Senkel, Jan van Weyde und Miss Elli. Sie alle sind nominiert und haben bei dem „bundesweiten Wettbewerb für Bühnenoriginale“ jeweils 15 Minuten Zeit, Jury und Publikum für sich zu gewinnen. Miss Elli ist nicht angereist: Sie muss wegen Krankheit passen, sie meldet sich per Videoeinspieler ab.

Sie traten in Herne gegeneinander an: die Comedians (v.l.) Nektarios Vlachopoulos, Jacky Feldmann, Nicole Jäger, Ralf Senkel und Jan van Weyde. Mit im Bild: Moderator und Comedian Helmut Sanftenschneider.
Sie traten in Herne gegeneinander an: die Comedians (v.l.) Nektarios Vlachopoulos, Jacky Feldmann, Nicole Jäger, Ralf Senkel und Jan van Weyde. Mit im Bild: Moderator und Comedian Helmut Sanftenschneider. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Der Publikumspreis

Mann auf dem Stuhl: Comedian Ralf Senkel.
Mann auf dem Stuhl: Comedian Ralf Senkel. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Den holt sich, ganz souverän, der Düsseldorfer Ralf Senkel. Er ist nicht laut, nicht heischend, nicht schrill, so wie viele Comedians heute. Der Mann, eher Kabarettist als Comedian, sitzt stoisch auf einem Stuhl und erzählt in rheinischer Mundart, spricht ruhig, bedacht und, beobachtend – also in bester Tegtmeier-Tradition. Senkel berichtet von seinem „Stoffwechsel-Problem“ (er hat immer nur Jeans und die selbe Trainingsjacke an), von seinen „post-traumatischen Erlebnissen“ in seinem Wohnhaus (er muss immer die Postpakete für seine Nachbarinnen und Nachbarn annehmen) und von Apotheken, die alte Waren gerne mal unter neuem Namen neu herausbringen („Was früher Pferdesalbe hieß, heißt heute Hüa-luron“). Per Zettel und erstmals QR-Code stimmen die 600 Zuschauerinnen und Zuschauer über den Sieger ab, 55 Prozent machten ihr Häkchen bei Senkel – eine klare Sache. Der Sieger, von Oberbürgermeister Frank Dudda mit der Tegtmeier-Kappe als Siegertrophäe ausgestattet, ist überwältigt: „Erbe Tegtmeiers zu sein, ist was ganz Besonderes.“ Dann versagen ihm erst mal die Worte.

Der Jurypreis

„Hauptdarstellerin in der Dixie-Oper“: Nicole Jäger erhält den Preis der Jury.
„Hauptdarstellerin in der Dixie-Oper“: Nicole Jäger erhält den Preis der Jury. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Der geht an Stand-up-Comedienne und Bestseller-Autorin Nicole Jäger. Die Hamburgerin (41), die ihr Gewicht nicht verschweigt, sondern zum Thema macht, kann lustig und ernst. Die Jury in Herne gewinnt sie mit lustig. Erst berichtet sie, wie sie auf einem Open-Air-Konzert „Hauptdarstellerin in der Dixie-Oper“ wird und dabei nackt aus einem versifften Dixie-Klo aufs vermatschte Festivalgelände fällt. Dann lässt sie sich lang und schmutzig über Oralsex aus, sagt, was Männer wollen und Frauen nicht, und rät Letzteren schließlich, ihren schnarchenden Gatten nachts einen halben Fleischwurst-Kringel in den Mund zu schieben – damit auch diese mal wissen, wie sich das alles so anfühlt. „Sie verkörpert ein modernes Frauenbild“ , begründet Juror Michael Lohse (WDR) das Votum der Jury. Und: „Sie hält Männern den Spiegel vor.“ Nicole Jäger ist ebenfalls sprachlos. „Das ist geil, ich freue mich“, kann sie gerade noch sagen. Sie erhält, wie auch Senkel, neben der Tegtmeier-Gedächtnis-Kappe 5000 Euro Preisgeld.

Der Ehrenpreis

Aus der Hand von Tegtmeier-Nichte Monika von Manger (r.) erhält Ina Müller den Ehrenpreis.
Aus der Hand von Tegtmeier-Nichte Monika von Manger (r.) erhält Ina Müller den Ehrenpreis. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Zur langjährigen Tradition von „Tegtmeiers Erben“ gehört, dass zusätzlich zu den Wettbewerbsgewinnerinnen und -gewinnern zwei herausragende Künstlerinnen und Künstler mit Ehrenpreisen ausgezeichnet werden. Den „Tegtmeier-Ehrenpreis“ erhält in diesem Jahr die Sängerin, Musik-Kabarettistin, Buchautorin und Fernsehmoderatorin Ina Müller (58). Laudator Jürgen von der Lippe (75) zeichnet ihr Leben und ihre Leistungen per Videoeinspieler nach und bilanziert: „Du hast nicht nur alles richtig gemacht, sondern richtig gut gemacht.“ Mit einem nordisch-kurzen „Moin“ tritt Müller auf die Bühne, nimmt den undotierten Ehrenpreis – die acht Kilo schwere, bronzene Tegtmeier-Kappe – entgegen. Und sitzt dann schon wieder auf ihrem Sitzplatz in den vorderen Reihen. Eine Einlage gibt es nicht.

Der Lebenswerk-Preis

Großer Applaus: Lilo Wanders wird für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Großer Applaus: Lilo Wanders wird für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Mit dem „Jürgen-von-Manger-Preis für ein Lebenswerk“ wird die Moderatorin und Künstlerin Lilo Wanders (69) ausgezeichnet. Als sie im hellen Glitzerkleid die Bühne betritt, ist der Jubel groß. Autor und Unternehmer Erik Flügge (37) hält die Laudatio, erinnert daran, was Wanders in der Gesellschaft bewegt hat. Die Figur habe nicht nur die Menschen auf der Bühne – Hamburger Schmidt-Theater – und im Fernsehen – Stichwort „Wa(h)re Liebe“ – bestens unterhalten, sondern viele auch befreit; diese könnten heute „anders mit ihrer Sexualität umgehen“. Nicht zuletzt fördere sie queere Menschen. Auch wenn sie nun den Preis für ihr Lebenswerk bekomme: „Es ist noch lange nicht vorbei“, kündigt Flügge an. Von ihr könne man noch viel erwarten. Lilo Wanders, ebenfalls ausstaffiert mit bronzener Kappe, verbeugt sich, ganz Diva, und schreitet auf ihren Platz, untermalt vom Beifall.

Extra-Einlage

Carsten Bülow und Monika von Manger präsentieren einen Ausschnitt aus ihrem Programm „Tegtmeier-Abend“ und führen „Der Schwiegermuttermörder“ auf.
Carsten Bülow und Monika von Manger präsentieren einen Ausschnitt aus ihrem Programm „Tegtmeier-Abend“ und führen „Der Schwiegermuttermörder“ auf. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Mein lieber Scholli: Auf Zugaben muss das Publikum verzichten. Dafür steigen der Dortmunder Schauspieler Carsten Bülow und Tegtmeier-Nichte Monika von Manger in die Bütt. Sie präsentieren den Sketch „Der Schwiegermuttermörder“. Er gibt in dem Klassiker mit Schnauzbart und Kapitänsmütze den Tegtmeier, sie im Kostümchen die Anklägerin. Die Zuschauerinnen und Zuschauer haben ihren Spaß. Wer einen Nachschlag will: Der Tegtmeier-Abend mit Bülow & von Manger steigt am Samstag, 2. Dezember, 19.30 Uhr, in den Flottmann-Hallen.

+++ Noch mehr Bilder von Tegtmeiers Erben 2023 gibt es hier in unserer Fotostrecke +++

Und sonst?

Führte „Zeremonienmeister“ Helmut Sanftenschneider wie gewohnt souverän durch den launigen und langen, aber nie langatmigen Abend. An der Gitarre präsentiert er Weihnachtsklassiker im modernen, klimagerechten Gewand, animiert die Gäste zum lautstarken Jubeln und bat um viele Lacher: „Wenn Sie eine Pointe nicht verstehen – lachen Sie trotzdem.“ Das tun sie.