Herne. Kanadagänse machen in Herne zu viel Dreck: Die Politik fordert eine Eindämmung der Tiere und ihrer Hinterlassenschaften. Aber geht das überhaupt?
In Herne gibt die Politik beim Thema Kanadagänse keine Ruhe. Zu viele Tiere und zu viel Dreck auf Gehwegen, in Gewässern und auf Spielplätzen – so lautet der Tenor. In der nächsten Sitzung des Umweltausschusses soll einmal mehr darüber diskutiert werden, wie man die Gänse und ihre Hinterlassenschaften in den Griff kriegen kann. „Es besteht Handlungsbedarf“, sagt Pascal Krüger, Vorsitzender des Umweltausschusses, zur WAZ.
Seit Jahren wird in Herne über das Thema Kanadagänse diskutiert, zum Teil kontrovers und hochemotional. Ein zufriedenstellendes Ergebnis für alle Beteiligten gibt es bislang nicht. „Das Problem reißt nicht ab“, sagt nun CDU-Ratsfrau Barbara Merten zur WAZ. Zu viele Gänse hätten sich in der Stadt breitgemacht, es gebe „massive Beschwerden“ von Bürgerinnen und Bürgern über Vogelkot, etwa im Schlosspark Strünkede, im Stadtgarten Eickel, im Dorneburger Park oder an den Ostbachteichen. „Die Lage hat sich nicht beruhigt“, klagt sie. Besonders ärgerlich: Nun würden auch viele Spielplätze „zugekotet“. „Man kann Kinder dort gar nicht mehr unbesorgt spielen lassen“, schimpft sie.
Ähnlich äußert sich Ratsherr Andreas Hentschel-Leroy, Sprecher der SPD im Umweltausschuss. „Die Gänse gehören nicht hier hin“, sagt der 53-Jährige zur WAZ. Und fügt an: „Sie sind ein Riesenproblem.“ Der Vogelkot nerve die Menschen, stellenweise seien die Tiere auch „sehr aggressiv“. Die beiden Stadtverordneten fordern nun Maßnahmen, die endlich Wirkung zeigen.
Herne: „Gänse kennen keine Stadtgrenze“
Was tun? Das Wort „Abschießen“ nimmt keiner mehr in den Mund – zu aufgeladen war die Debatte vor der Corona-Pandemie. OB Frank Dudda musste seinerzeit gar ein Machtwort sprechen und den geplanten Abschuss der Tiere stoppen. CDU-Ratsfrau Barbara Merten (65) fordert deshalb „nur“ eine „Regulierung“ der Tiere – „in welcher Form auch immer“. Dagegen haben auch Andreas Hentschel-Leroy (SPD) und Pascal Krüger (Grüne) nichts – im Gegenteil. Merten fordert zudem, dass die Fütterungsverbote endlich kontrolliert und Verstöße geahndet werden. Die Menschen verfütterten alles mögliche an die Gänse, nicht nur trockenes Brot: „Alte Bananenschalen, Paprikareste – alles wird ins Wasser gekippt.“ Konsequenzen habe das für die Bürgerinnen und Bürger keine.
Pascal Krüger, der Vorsitzende des Umweltausschusses, will das Thema nun auf die Tagesordnung des Ausschusses setzen, der am 26. September tagt. Unabhängig von ihm will auch Barbara Merten (CDU) darum bitten. Ziel soll es sein, die Population oder zumindest die Hinterlassenschaften der Gänse einzudämmen. Dazu sollen auch Experten eingeladen werden. „Ich sehe die Jagd nicht als geeignetes Mittel“, sagt der 37-jährige Krüger schon mal vorab. Denkbar seien aber andere Maßnahmen wie ein Eiertausch, die Kontrolle von Fütterungsverboten oder das Aussäen von Grassorten, die Gänse abschrecken. Mit diesen „Lenkungsmaßnahmen“ könne man aber nur versuchen, das Problem ansatzweise in den Griff zu bekommen, so der Grüne. „Man wird mit der Population leben müssen“, ahnt er. Denn: „Gänse kennen keine Stadtgrenze.“ Würden die Tiere hier vertrieben, kämen neue aus den Nachbarstädten angeflogen. Das Problem müsse man deshalb eher interkommunal angehen.
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Ähnlich äußern sich Stadtgrün-Chef Heinz-Jürgen Kuhl und Jürgen Heuser, Leiter der Biologischen Station Östliches Ruhrgebiet in Herne, gegenüber der WAZ. „Die Tiere gehen dorthin, wo es Angebote gibt“, sagt Kuhl. Angebote in Herne seien die Wasserflächen und das angrenzende Grün sowie das Essen, das Bürgerinnen und Bürger an die Tiere verteilten. Die Verwaltung verfolge aber bereits mehrere Lösungsansätze, um die Gänsepopulation zu regulieren.
So würden die Uferzonen von Gewässern wie im Ostbachtal und im Dorneburger Park bepflanzt oder zum Teil eingezäunt, um den Tieren den Zugang zum Wasser zu erschweren. Auch würden in Teilen der Parks „Langgraswiesen“ angelegt, die nur zweimal im Jahr gemäht würden, freie Sichtachsen reduziert und Gehölzrückschnitte eingeschränkt. Zudem würden weitere Hinweise auf ein Fütterungsverbot aufgestellt, und es gebe eine verstärkte Kontrolle durch den Kommunalen Ordnungsdienst, um das Verbot auch durchzusetzen. Wirkung zeige das alles aber nur über mehrere Jahre hinweg – und das nur in Ansätzen.
Das verdeutlichen auch die Worte von Jürgen Heuser von der Biologischen Station. Die Zahl der Gänse, das habe eine Zählung im vergangenen Jahr ergeben, sei „nicht weniger geworden“. Man könne die Zahl durch Maßnahmen zwar steuern, aber nicht drastisch senken. Selbst wenn man Gänse brutal abschießen würde, würden die freien Plätze durch Tiere aus Nachbarstädten schnell wieder belegt, erklärt er. Im Rhein-Ruhr-Gebiet gebe es einfach zu viele der Tiere. Kurzum: „Wir werden mit den Gänsen leben müssen – auch mit der Zahl.“