Herne/Bochum. Ein Lehrer einer Herner Schwimmschule soll eine Kollegin vergewaltigt haben. Vor Gericht gehen seine Anwälte nun einen ungewöhnlichen Schritt.
Im Vergewaltigungsprozess gegen einen ehemaligen Lehrer einer Herner Schwimmschule wollen die Verteidiger das mutmaßliche Opfer vermessen lassen. Hintergrund für den außergewöhnlichen Beweisantrag ist es, den vom Opfer geschilderten Tatablauf als anatomisch unmöglich einzuordnen – und die Frau so indirekt als Lügnerin hinzustellen.
Der Schwimmlehrer, ein Duisburger, hatte die Vergewaltigungsvorwürfe einer Kollegin am 11. Mai beim Prozessauftakt vor der 4. Strafkammer über seine Verteidigerin sofort bestritten. Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass der Schwimmlehrer die Frau am 12. Juni 2021 – an ihrem ersten Probe-Arbeitstag – in der Schwimmschule in Baukau zweimal massiv sexuell bedrängt und missbraucht hat. Zunächst in einem Durchgangsraum, später im Schwimmbecken, als die Schwimmlehrerin laut Anklage gerade ein Kind über Wasser hielt und keine Hand frei hatte.
Beide Szenen hatte die Frau offenbar zuletzt im Prozess als Zeugin genauso geschildert. „Irgendwann habe ich mich gestreckt und hatte dann eine Chance, an die Türklinke zu greifen.“ So soll die Schwimmlehrerin unter anderem das Ende des ersten mutmaßlichen Übergriffs in der Mitte eines Durchgangsraums beschrieben haben. Aus Angst vor Entdeckung soll der Angeklagte dann von ihr abgelassen haben. Insbesondere an diesem Vorwurf sähen die zwei Verteidiger des Schwimmlehrers massive Zweifel. Sie beantragten jetzt nicht nur einen Ortstermin in der Herner Schwimmschule, um Abstände und Entfernungen an dem mutmaßlichen Tatort unter die Lupe zu nehmen. Darüber hinaus forderten die Verteidiger wörtlich, „die Zeugin in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der Tatsache, dass deren Armlänge weniger als ein Meter beträgt“. Was nichts anderes bedeutet, als die Arme der Frau zu vermessen.
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Nach der Argumentation der Verteidigung soll nämlich ein Erreichen der Klinke von der Mitte des Raumes anatomisch unmöglich sein. Die Entfernung betrage angeblich mindestes eineinhalb Meter. Da die Zeugin aber „immer wieder betont“ habe, „starr an einem Punkt“ – und zwar in der Raummitte – gestanden zu haben, erschüttere das massiv ihre Glaubwürdigkeit, hieß es.
Die Richter haben den Antrag entgegengenommen, aber bislang noch nicht öffentlich darüber entschieden. Die Anklage lautet auf zweifache Vergewaltigung und Körperverletzung. Der Angeklagte arbeitet nach eigenen Angaben inzwischen nicht mehr als Schwimmlehrer, sondern als Kraftfahrer. Für den Prozess sind derzeit noch drei Verhandlungstage bis zum 12. September anberaumt.