Herne. Der Fachkräftemangel wird größer. Das Herner Bauunternehmen Heitkamp will Mongolen holen, doch Chef Jörg Kranz klagt über Bürokratie-Hürden.

Der Fachkräftemangel in Deutschland wird immer prekärer. Erst vor wenigen Tagen warben Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil unter anderem in Brasilien um Kräfte für die Pflegebranche. Bei Jörg Kranz, Geschäftsführer des Herner Bauunternehmens Heitkamp, lösen diese Bemühungen ein verständnisloses Kopfschütteln hervor. Der Grund: Heitkamp hat selbst erfolgreich Fachkräfte im Ausland angeworben. Doch nach mehr als einem halben Jahr ist es von zehn Kräften lediglich einer gelungen, nach Herne zu kommen. „Wir fahren mit unseren Bemühungen vor eine Betonmauer“, so Kranz – und meint damit die deutsche Bürokratie.

Zur Einordnung: Heitkamp hat Anfang 2022 eine Kooperation mit der Mongolei vereinbart, als eine Folge hat das Wanner Traditionsunternehmen acht Auszubildende nach Herne geholt. Bei der Auswahl vor Ort habe man aber parallel auch zehn Facharbeiter dafür gewinnen können, nach Herne zu kommen. Alle hätten in der Mongolei schon in der Baubranche gearbeitet, aber keiner von ihnen habe naturgemäß die klassische dreijährige deutsche Facharbeiterausbildung. Doch dafür hätten einige von ihnen ein Ingenieurstudium absolviert. „Und alle haben mehrere Jahre Berufserfahrung“, so Kranz im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.

Mongolen haben Häuser verkauft und Berufe aufgegeben

Um nach Deutschland zu kommen, hätten die Mongolen teilweise ihre Berufe aufgegeben, ihre Häuser verkauft und im Goethe-Institut in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator Deutsch gelernt. Doch beim Versuch, die Facharbeiter nach Deutschland zu holen, habe sein Unternehmen vor riesigen bürokratischen Hürden gestanden.

Im Zentrum steht nach den Worten von Kranz die sogenannte IHK FOSA mit Sitz in Nürnberg. Dabei handelt es sich um das bundesweite Kompetenzzentrum deutscher Industrie- und Handelskammern zur Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse. „Die IHK FOSA leistet einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung in Deutschland und zur besseren Integration von Migrantinnen und Migranten in die deutsche Gesellschaft“, heißt es auf der Internetseite.

Mit den mongolischen Auszubildenden hat Heitkamp bislang sehr gute Erfahrungen gemacht.
Mit den mongolischen Auszubildenden hat Heitkamp bislang sehr gute Erfahrungen gemacht. © Johannes Scholten

Doch laut Kranz zog sich diese Feststellung unerklärlich in die Länge. Als man zu Beginn dieses Jahres in einer Videokonferenz mit der verantwortlichen Mitarbeiterin gesprochen habe, habe diese die Gesetzeslage erläutert und gesagt, dass diese ordnungsgemäß abgearbeitet werde. Hinzu sei gekommen, dass Unterlagen auf dem Postweg hätten geschickt werden müssen und wochenlang nicht auffindbar gewesen seien. „Wir haben dann irgendwie versucht, Bewegung reinzubringen“, so Kranz, doch dabei sei man an Grenzen gestoßen. Die Gesetzeslage sehe eben vor, dass man für ausländische Arbeitskräfte bestimmte Mindestanforderungen vorweisen müsse. Das bedeute: Eigentlich müssten die Mongolen eine Ausbildung haben, die vergleichbar mit dem deutschen Ausbildungssystem sei. Doch diese klassische Vorzeigeausbildung gebe es eigentlich nur in Deutschland. „Diese Maßstäbe werden angelegt, um Facharbeiter ins Land zu holen. Das kann nicht klappen“, betont Kranz.

Heitkamp hat mehrere Bundesministerien angeschrieben - ohne Erfolg

Er habe daraufhin alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um vielleicht doch noch eine positive Lösung herbeizuführen. Heitkamp habe Briefe an mehrere Bundesministerien geschrieben, habe an Bundestagsabgeordnete geschrieben – und teilweise nicht mal eine Antwort erhalten. Hilfe habe es schon gar nicht gegeben. Kranz: „Es sind ja alle im System gefangen.“

Das Ende vom Lied: Die Menschen hätten umsonst Deutsch gelernt, hätten umsonst ihre Häuser verkauft. Die Unterkünfte, die Heitkamp vorbereitet habe, stünden seit Oktober vergangenen Jahres völlig umsonst leer. „Dabei haben wir doch den Bedarf“, so Kranz. Doch drei von den zehn Ausgewählten seien mittlerweile abgesprungen und hätten sich nach Südkorea orientiert. Von den verbliebenen sieben sei am Dienstag der erste eingetroffen – und wolle als studierter Ingenieur auf dem Bau arbeiten. Das zeige doch die Motivation, sich eine Existenz aufzubauen.

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Für die sechs Mongolen, die noch in ihrer Heimat ausharren, in der Hoffnung, nach Herne kommen zu dürfen, lässt Kranz nicht locker. Bei Heitkamp will man den deutschen Lehrplan nachzeichnen, die mongolischen Bewerber können dann abhaken, was sie davon alles schon erfüllt haben. Wenn das alles ins Deutsche übersetzt worden sei, würden die Unterlagen wieder an die IHK FOSA geschickt in der Hoffnung, dass man dort den Daumen hebt. Doch das dauere weitere Monate.

Jörg Kranz: So verspielt Deutschland Vertrauen

Für Kranz ist klar: „Das kann nicht der Weg sein. Man kann doch nicht durch die Welt reisen und um Fachkräfte werben, wenn man nicht vorher die Rahmenbedingungen ändert.“ Heitkamp traue sich gar nicht mehr, in der Mongolei Facharbeiter anzusprechen. „Mit tun die Menschen leid, bei denen wir hohe Erwartungen geweckt haben, die wir wegen der Bürokratie nicht erfüllen können.“ So verspiele Deutschland Vertrauen. Bei Heitkamp überlege man nun, ob man den Mongolen, die nach wie vor auf Arbeit in Herne hoffen, Geld spendet, um deren finanzielle Verluste abzufedern.