Herne. Bundes- und NRW-Landesregierung wollen verstärkt Pflegekräfte im Ausland rekrutieren. Welche Erfahrungen eine Herner Klinik gemacht hat.
Um dem Fachkräftemangel im Pflegebereich zu begegnen, wollen sowohl Bundes- als auch NRW-Landesregierung verstärkt Personal aus dem Ausland rekrutieren. Dabei stehen Länder wie Brasilien, Mexiko und Indonesien im Fokus. Das Evangelische Krankenhaus Herne ist diesen Schritt bereits 2021 mit der Anwerbung von 15 examinierten Kräften von den Philippinen gegangen. Das sind die Erfahrungen des EvK - und die Pläne.
Zur Einordnung: Auch wenn das EvK über eine eigene Pflegeschule verfügt - die Zahl der Absolventen reicht längst nicht mehr aus, um die Zahl der Abgänge zu kompensieren. Bei der Suche nach Lösungen stieß man auf die Möglichkeit, ausländische Pflegekräfte zu gewinnen. Nach einer Sondierung sei die Entscheidung für die Philippinen gefallen, so Beate Schlüter, Pflegedirektorin im EvK. „Einerseits, weil die Ausbildung dort sehr gut ist, andererseits war es uns wichtig, nicht aus einem Land Kräfte abzuziehen, wo es selbst einen Mangel gibt“, hatte Schlüter bei einem früheren Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion erläutert.
Fünf von 15 Philippinen sind noch da
Im Februar 2021 trafen die 15 Kräfte in Herne ein. Zwei Jahre später sind allerdings nur noch fünf von ihnen in Diensten des EvK. Schlüter interpretiert dies allerdings nicht als Misserfolg, sondern als „ganz normalen Lauf der Dinge“. Konkret: Nur einer sei in die Heimat zurückgekehrt, eine sei der Liebe wegen nach Köln gezogen, andere sind nach Solingen gezogen, weil es dort eine größere philippinische Gemeinschaft gebe.
Konsequenz: Im kommenden September sollen weitere 15 Pflegekräfte von den Philippinen in Herne eintreffen. Die Auswahl sei getroffen, zurzeit liefen die Sprachkurse, so Schlüter im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Die weitergehende Strategie sehe allerdings vor, Kräfte auch aus anderen Ländern anzuwerben. Schlüter: „Unser Ziel ist es, eine gute Mischung zu haben. Wir werden uns in Indien umschauen und in den Balkanstaaten.“ Man werde nicht über Jahre hinweg immer aus demselben Land rekrutieren.
„Sprachkenntnisse sind der Dreh- und Angelpunkt“
Trotz der hohen Fluktuation bei den philippinischen Kräften - die übrigens nach deutschem Tarif bezahlt werden - sieht Schlüter die Experiment als geglückt an. Sie hätten sich fachlich voll in den Klinikalltag integriert, allerdings habe man gemerkt, dass es - auf Grund der Coronapandemie - noch bei den Sprachkenntnissen gehapert habe. „Und Sprache ist der Dreh- und Angelpunkt“, so Schlüter. Die Kräfte seien zunächst zu zweit auf einer Station eingesetzt worden, doch das habe dazu verleitet, nicht Deutsch zu sprechen. Und das behindere und verzögere die Integration in die Gesellschaft.
Um das Ankommen und das Einleben zu erleichtern, hat die EvK-Gruppe vor einem Jahr die Position der Integrationsmanagerin geschaffen und mit Gül-Nihan Cam besetzt. „Nach zwölf Monaten haben ausländische Pflegekräfte zwar die Anerkennung zur Fachkraft abgeschlossen, aber damit sind sie noch lange nicht in unserer Gesellschaft integriert“, sagt sie. Cam ist Hauptansprechpartnerin für alle Sorgen und Nöte.
EvK-Gruppe hat seit einem Jahr eine Integrationsmanagerin
Über sie erfolgt der Erstkontakt zum Herkunftsland. Sie nimmt die Neuankömmlinge in Empfang, sorgt für gute Startbedingungen, bietet Unterstützung bei der Approbation von Ärzten und anderen Anerkennungsverfahren, bei der Anmeldung zu Sprachkursen, bei Behördengängen, Wohnungssuche, bei einem Arztbesuch und auch bei einer anschließenden Familienzusammenführung leistet sie Hilfe. Dank ihres Ehrenamtes als stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrats der Stadt Herne ist sie bestens bei Ämtern, Vereinen und Verbänden vernetzt. „Integrationsmanagement ist eine unglaublich vielfältige Tätigkeit, und manchmal habe ich eher die Rolle einer Mutter als einer Managerin“, sagt Gül-Nihan Cam.
Pflegedirektorin fordert deutliche Vereinfachung der Bürokratie
Das was NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann fordert, nämlich eine neue Willkommenskultur, leistet die EvK-Gruppe bereits selbst. Beate Schlüter spricht der Politik den Willen zur Willkommenskultur ein Stück weit ab. Die Politik suggeriere ständig, dass alles leichter und einfacher gemacht werde - in diesem Fall die Anwerbung von ausländischen Fachkräften - doch „wir merken nichts davon“, so Schlüter. „Es ist nach wie vor eine große Katastrophe.“ Das fange in den deutschen Botschaften in den Herkunftsländern schon an. Es dauere ewig, um einen Termin für eine Visumsbeantragung zu bekommen. Auch in Deutschland dauere Bearbeitung von Unterlagen Monate. Auch Gesetze und Verordnungen seien teilweise veraltet und passten nicht mehr zur Arbeitsrealität. Schlüter: „Das ist manchmal fern jeglicher Logik.“
Und dennoch werde die EvK-Gruppe in Zukunft im Ausland nach Pflegekräften suchen. Schlüter: „Wir haben doch keine andere Wahl!“