Das Herner Bauunternehmen Heitkamp geht ungewöhnliche Wege bei der Suche nach Azubis. Vor wenigen Tagen trafen acht Mongolen in Wanne ein.

Der Nachwuchsmangel bei Unternehmen verschärft sich immer weiter. Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, registriert zahlreiche Plakate, mit denen Firmen junge Menschen auffordern: Bewirb Dich! Dieser Mangel spiegelt sich auch in Zahlen wider: NRW-weit gibt es nur noch etwa 16.000 Jugendliche für rund 32.000 freie Lehrstellen, beim Herner Azubi-Speeddating vor wenigen Tagen bestätigten Betriebe, dass sie sich nun bei den Jugendlichen bewerben. Manche Firmen gehen deshalb ungewöhnliche Wege, um Azubis zu ergattern. Der Weg des Herner Bauunternehmens Heitkamp führte bis nach Ostasien - vor wenigen Tagen sind acht Auszubildende aus der Mongolei in Wanne-Eickel eingetroffen.

Heitkamp wurde aus der Mongolei wegen seiner Brückenschnellbausysteme angefragt

Den Impuls für diese Art der Nachwuchsgewinnung lieferte ein Straßenbauprojekt in der Mongolei. Dort ist eine rund 1000 Kilometer lange Autobahntrasse in Planung, die von Russland im Norden bis nach China im Süden reichen wird. Investitionssumme: rund 1,3 Milliarden Dollar. Da auf Grund der klimatischen Verhältnisse (sehr kalte Winter, sehr heiße Sommer) die Zeit, in der gebaut werden kann, sehr knapp bemessen ist, sei Heitkamp auf seine Brücken-Schnellbausysteme angesprochen worden, erzählt Geschäftsführer Jörg Kranz im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.

In diesen Gesprächen habe er erwähnt, dass seine Firma dringend Auszubildende suche. „Haben wir“, habe die mongolische Seite erklärt. Da die deutsche Ausbildung nach wie vor ein hohes Ansehen genieße, sei eine Kooperation mit dem mongolischen Straßenbauverband vereinbart worden. Inhalt: Heitkamp hilft mit seinen Brückenbausystemen, falls gewünscht. Im Gegenzug kommen Auszubildende aus der Mongolei nach Herne.

Im Februar dieses Jahres wurde die Kooperation mit dem mongolischen Straßenbauverband geschlossen. Im Bild (v.l.): Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda, Heitkamp-Geschäftsführer Jörg Kranz, der Präsident der mongolischen Straßenbauverbandes, Byambaa, und die externe Beraterin, Prof. Dr. Enkhzaya.
Im Februar dieses Jahres wurde die Kooperation mit dem mongolischen Straßenbauverband geschlossen. Im Bild (v.l.): Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda, Heitkamp-Geschäftsführer Jörg Kranz, der Präsident der mongolischen Straßenbauverbandes, Byambaa, und die externe Beraterin, Prof. Dr. Enkhzaya. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Im Juni seien zwei Heitkamp-Mitarbeiter in die Mongolei geflogen, um dort mit den potenziellen Azubis Bewerbungsgespräche zu führen, erzählt Sabrina Kranz, Referentin der Heitkamp-Geschäftsführung. Allerdings mussten für die Anwerbung gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. So hätten alle Auszubildenden am Goethe-Institut in der Hauptstadt Ulan Bator einen Deutsch-Kurs absolvieren müssen, um als Nicht-EU-Ausländer in Deutschland arbeiten zu dürfen. Angesichts dieser Hürde kann Jörg Kranz es nicht verstehen, dass der Etat der Goethe-Institute gekürzt werden soll. Sie seien elementar bei der Bewältigung des Fachkräftemangels.

Heitkamp hat schon die Zusage für eine Übernahme nach der Ausbildung gegeben

Vor wenigen Tagen nun hat die Heitkamp-Geschäftsführung die acht Auszubildenden - sechs Männer und zwei Frauen im Alter von 17 bis 27 Jahren - an der Firmenzentrale in Wanne empfangen. Das Unternehmen hat zahlreiche Vorarbeiten geleistet, damit die Azubis nicht nur ihre dreijährige, tariflich bezahlte Ausbildung erfolgreich abschließen, sondern sich auch eine Existenz in Herne aufbauen können. Kranz: „Die jungen Leute haben schon jetzt unsere Zusage, dass wir sie nach der Ausbildung übernehmen werden.“ Das Unternehmen hat sein altes Verwaltungsgebäude auf dem Pluto-Zechengelände - in Sichtweite der neuen Firmenzentrale - umgebaut, sodass die Azubis in unmittelbarer Nähe wohnen.

Die Neuankömmlinge absolvieren bei Heitkamp einen weiterführenden Deutschkurs. Die Kosten dafür trägt das Unternehmen.
Die Neuankömmlinge absolvieren bei Heitkamp einen weiterführenden Deutschkurs. Die Kosten dafür trägt das Unternehmen. © Johannes Scholten

Daneben gibt Heitkamp ihnen eine Art „Gebrauchsanweisung Deutschland“ an die Hand, begleitet bei Behördengängen, hilft bei der Kontoeröffnung, zeigt die Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung. Neben einem weiterführenden Deutschkurs hat Heitkamp einen Seniorpaten engagiert, der mit der Gruppe Ausflüge unternehmen soll, um den Neuankömmlingen die Region und die Kultur zu zeigen. Die eigentliche Arbeit auf den Baustellen hat noch nicht begonnen, doch die mongolischen Azubis besuchen inzwischen das Ausbildungszentrum der Bauindustrie in Hamm.

In der Mongolei Auszubildende gewinnen - damit sei Heitkamp bundesweit sicher ein Vorreiter, sagt ein Sprecher der Zentralen Arbeitsvermittlung des Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage der Herner WAZ-Redaktion. Bei Fachkräften steige die Zahl der Firmen, die außerhalb der EU suchen, doch im Bereich der Auszubildenden gebe es bislang nur Einzelfälle.

Im November sollen auch Fachkräfte aus der Mongolei kommen

Doch warum ist Heitkamp diesen weiten Weg für neue Azubis gegangen? Da Heitkamp schon seit einigen Jahren Probleme habe, Fachkräfte zu gewinnen, sei es Strategie, sie selbst auszubilden, erklärt Sabrina Kranz. Im vergangenen Jahr seien zwar rund 30 Azubis gestartet und in diesem Jahr 24. Allerdings: „Wir rekrutieren aus einem größeren Pool, doch es ist schwierig, die Azubis hinterher zu halten.“ Viele brächen die Ausbildung auch ab.

Die acht Auszubildenden bilden nur den Auftakt für weitere Rekrutierungen. So sollen im November Facharbeiter aus der Mongolei kommen. Jörg Kranz sieht das nicht als Einbahnstraße. In den vier Monaten, in denen das Klima in der Mongolei Straßen- und Brückenbau zulasse, könnten die Facharbeiter in ihrer Heimat arbeiten, den Rest des Jahres auf den Heitkamp-Baustellen. Ein weiterer ungewöhnlicher Weg, um dem Fachkräftemangel begegnen.

>>> ZUSAMMENARBEIT MIT EINER HOCHSCHULE

■ Die Kooperation mit der Mongolei hat noch einen dritten Baustein.

■ Heitkamp hat eine Zusammenarbeit mit der deutsch-mongolischen Hochschule vereinbart mit dem Ziel, zwei Werkstudenten im Rahmen eines Stipendiums nach Herne zu holen.