Herne. Warum English for Runaways in Herne nicht gut ankommt, wie Münte geehrte wurde, wieso die Linke weiterhin alt aussieht - das „Politgeflüster“.
Warum es bei der Digitalisierung in Herne hakt, welche Ehre dem Erfinder der klaren Kante zuteil wurde, wieso die Linkspartei im Rat weiterhin alt aussieht - die wöchentliche Kolumne „Politgeflüster“.
Digital ist besser
Das Rathaus will bei der Digitalisierung der Stadt durchstarten. So hat sie zuletzt einen eigenen Fachbereich Digitalisierung ins Leben gerufen und will Wanne nun mit einem Stadtlabor sogar zum Zentrum der Digitalisierung machen. Dass es in Sachen Digitalisierung noch reichlich Nachholbedarf gibt, ist bekannt: So landete Herne bei einem Städte-Ranking zuletzt auf Platz 54 von 81. Nachholbedarf gibt es offensichtlich aber auch bei der Präsentation der Pläne. Als Pierre Golz, Leiter des neuen Fachbereichs Digitalisierung, der Politik nun das geplante Stadtlabor vorstellte, muckten im Digitalausschuss die Lautsprecher, Folge war unerträgliches, lautes und langanhaltendes Fiepen im Saal. Und in der Bezirksvertretung Wanne wurde er gebeten, die Ausführungen verständlicher zu machen. „Smart City-Lösungen“, „Think Tank“, „Co-Creation-Space“ oder „Smart People Zone“, dieses Begriffe verstehe doch kein Mensch, so ein Vorwurf. Die Politgeflüster-Redaktion prophezeit: Dass die Stadt im Digitalranking unter die ersten fünf kommt, in politischen Sitzungen eine funktionierende Lautsprecher-Anlage präsentiert und beim Thema Digitalisierung auf englische Worte verzichtet, ist so sicher wie der Bundesliga-Aufstieg von Westfalia Herne oder der Klassiker-Status von „Digital ist besser“, dem Debütalbum der Band Tocotronic.
Ehrung für Münte in Abwesenheit
Wenn jemand Franz Müntefering, dem Erfinder der klaren Kante („Opposition ist Mist“), mit einer „Smart People Zone“ kommen würde, würde der ehemalige SPD-Chef ihm wohl kurz und knapp „Sprich Deutsch!“ entgegnen. Dem Wahl-Herner ist in dieser Woche eine besondere Ehre zuteil geworden: Der 83-Jährige ist im Rahmen der Feierlichkeiten zum 160. Geburtstag der SPD mit dem August-Bebel-Preis ausgezeichnet worden. Den Preis musste allerdings seine Gattin Michelle Müntefering entgegennehmen, weil er sich laut SPD-Pressemitteilung in einer Reha von einer „schweren Operation“ erholten. Was sagen wir da alle? Gute Besserung!
Linke vor Radikalschnitt
Einen Thinktank (deutsch: Denkfabrik) hat die Herner Linkspartei vor der Kommunalwahl 2020 nicht in Anspruch genommen, denn sonst wäre wohl nicht das passiert, was passiert ist. Die Linke zog mit einer dreiköpfigen Ü-60-Fraktion in den Rat ein, sprich: Die drei gewählten Stadtverordneten - Veronika Buszewski, Andreas Ixert, Klaudia Scholz - waren älter als 60. Jüngere Kandidatinnen und Kandidaten guckten nach dem schlechten Wahlergebnis in die Röhre, weil sie von der Partei nur auf hinteren Listenplätzen ab 4 gesetzt worden waren und somit den Einzug in den Rat verpassten. Das wollte die Linke zumindest ein wenig heilen und kam damals zu dem Schluss, dass Ixert und Scholz ja nach zweieinhalb Jahren freiwillig den Rat verlassen könnten. Zweieinhalb Jahre plus einen Monat nach der Kommunalwahl ist nun klar: Daraus wird (vorerst) nichts, weil es auf der Ratsreserveliste unter anderem wegen diverser Wohnsitzwechsel zurzeit keine jüngeren Nachrück-Kandidaten gibt. 2025 werde es aber einen radikalen Schnitt geben, signalisierte nun Linken-Co-Vorsitzender Patrick Gawliczeck auf Anfrage. Denn: Buszewki, Ixert und Scholz träten nicht mehr an. Die Linke strebe die Kandidatur einer „offenen Liste“ an und wolle dafür gezielt auch Nicht-Parteimitglieder ansprechen, oder ums modern auszudrücken: Menschen aus der Not-be-a-member-of-a-party-Fraktion.