Arnsberg. Bundesarbeitsminister, Vizekanzler, SPD-Parteivorsitzender, Generalsekretär: Franz Müntefering wird 80 Jahre alt. Dafür setzt er sich weiter ein.

Manchmal mischt er sich noch ein, wenn er gefragt wird. Neulich etwa, als ganz Deutschland mal wieder über das angeblich bevorstehende Ende der großen Koalition diskutierte. „Wir können unserer Verantwortung für die Menschen nicht durch die Flucht in die Opposition entkommen“, sagte Franz Müntefering . Typisch: kurz, prägnant, auf den Punkt. Sauerländisch halt. Fragen von Journalisten kontert er noch immer gerne mit dem Satz: „Das ist doch Unsinn.“ An diesem Donnerstag wird der ehemalige SPD-Vorsitzende und Vizekanzler 80 Jahre alt.

Der Bundestag wird ihn bei einem Empfang ein bisschen feiern, aber eigentlich mag Müntefering kein großes Brimborium. „Mir geht es gut“, sagte er am Mittwoch, als wir ihn telefonisch auf dem Hauptbahnhof in Hannover erreichen. Auf dem Weg zu Markus Lanz. „80 ist ein schönes Alter. Ich mache fröhlich weiter“, sagt Müntefering.

„Opposition ist Mist“

Geboren am 16. Januar 1940 in Neheim-Hüsten, die Eltern waren Bauern. Acht Jahre Volksschule, kaufmännische Lehre, dann Industriekaufmann. Der Kampf gegen Widerstände prägte von Anfang an seine politische Karriere: Die Christdemokraten dominierten das Sauerland früher noch mehr als heute. Müntefering absolvierte die Ochsentour: Stadtrat in Sundern, Mitglied des Bundestags, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen, Verkehrsminister im Bund unter Kanzler Gerhard Schröder, dann Arbeitsminister und Vizekanzler in der großen Koalition.

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In der Zwischenzeit prägte er Sätze wie „Opposition ist Mist“ und „Das ist das schönste Amt neben Papst – Vorsitzender der SPD zu sein.“ Das sehen viele Sozialdemokraten heutzutage offensichtlich anders. „Münte“ ebnete Schröder den Weg ins Kanzleramt und prägte die in der SPD umstrittene Agenda 2010 maßgeblich. Im November 2007 trat er zurück, um seine krebskranke Frau Ankepetra bis zu ihrem Tod zu pflegen. 2009 heiratete er die 40 Jahre jüngere Michelle, heute Staatsministerin im Auswärtigen Amt.

Der Mann, der den Deutschen die Rente mit 67 beschert hat, sitzt zwar seit sieben Jahren nicht mehr im Bundestag, der Schaukelstuhl im Wohnzimmer ist aber noch immer nicht sein bevorzugtes Möbelstück. Müntefering, der heute in Herne wohnt, engagiert sich als Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes, als Chef der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und als Experte für die Themen Sterbebegleitung, alternde Gesellschaft und Ehrenamt. Das Buch, das er letztes Jahr veröffentlichte, trägt den Titel „Unterwegs“. Und nicht: „Am Ziel.“

Stimme der Älteren

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Den älteren Menschen in Deutschland eine vernehmbare Stimme zu geben, das ist ihm jetzt eine Herzensangelegenheit. „Wenn es den Alten gut gehen soll, dann muss es den Jungen auch gut gehen“, sagt er. Müntefering will keine Spaltung, er will den Ausgleich. Und mehr gesellschaftliche Solidarität: „Das kann der Staat nicht verordnen, das geht nur im Miteinander.“ Er freut sich, dass Menschlichkeit vielerorts schon gut funktioniert, etwa in der Sterbebegleitung. Und bei der Integration. Sie abzulehnen, „sei purer Egoismus“, wird er wieder ein bisschen politisch. Dagegen müsse man sich wehren.

„Franz Müntefering ist Sauerländer durch und durch“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese, Nachfolger im sauerländischen Wahlkreis. „Er hat immer das große Ganze im Blick. Auch heute noch. Auch nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik engagiert er sich für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Das verdient Respekt und Anerkennung.“ Und fast möchte man hinzufügen: woll.