Herne. Um Defizite aus der Corona-Zeit bei Schülern aufzuarbeiten, plant die Stadt langfristige Angebote. Herner Grüne kritisieren das mangelnde Tempo.
Das Schuljahr geht zu Ende, die Lücken, die durch den Unterrichtsausfall während des Lockdowns entstanden sind, werden aber bleiben. Die Herner Grünen kritisieren, dass die Stadtverwaltung nicht genug tue, um den Schülerinnen und Schülern kurzfristig, auch schon in den Sommerferien, etwa mit entsprechenden Nachhilfe-Angeboten zu helfen. Schulamtsleiter Andreas Merkendorf weist die Kritik entschieden zurück.
Fabian May, schulpolitischer Sprecher der Grünen-Ratsfraktion, zeigt sich „schockiert, wie schlampig die Verwaltung es verpasst, Fördergelder abzurufen.“ Zwar räumt der Stadtverordnete ein, dass das von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek angekündigte Aufholprogramm in Milliardenhöhe schlecht gemacht und das Abrufen dieser Gelder derzeit schwierig sei. Das gelte jedoch nicht für das NRW-Programm „Extra-Zeit fürs Lernen.“
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Der Herner Grüne wirft der Verwaltung und Schulamtsleiter Andreas Merkendorf im Speziellen vor, sich hinter dem geforderten Eigenanteil von 20 Prozent zu verstecken. „Diese Mittel kann man immer irgendwo auftreiben“, meint May, der selbst Lehrer ist. Der Stadtverwaltung mangele es an Kreativität.
Kritik in politisch heißer Phase
Harter Tobak in einer politisch heißen Phase, in der Andreas Merkendorf (SPD) am Dienstag im Rat zum neuen Schuldezernenten gewählt werden sollte. Ein Amt, das zuvor die Grüne Gudrun Thierhoff inne hatte. Der am Dienstagnachmittag frisch gewählte Schuldezernent empfindet die Kritik als unberechtigt. „Wir können zusichern, dass wir allen Kindern, die Lust und Bedarf haben, ein Angebot bieten werden“, sagt er im Gespräch mit der WAZ. Ihm sei es aber wichtiger, längerfristig und nachhaltig zu planen anstatt Schnellschüsse abzufeuern.
Eine neue Stabsstelle, die vor sechs Wochen eingerichtet wurde, solle die Aufholprogramme für die Folgen von Corona koordinieren. Doch all das dauere eben seine Zeit. „Vor sechs bis acht Wochen war die Inzidenz so hoch, da wussten wir noch gar nicht, dass wir im Mai wieder in die Schulen können“, erinnert Merkendorf. Auch die Schulleiter, mit denen er während der gesamten Pandemie sehr engen Kontakt pflegte, hätten ihm signalisiert, dass sie nun erstmal sehen wollten, welche Defizite die Schüler wirklich haben, und dann erstmal Ferien bräuchten nach diesem für alle anstrengenden Schuljahr. Auch die freien Träger, die häufig ebenfalls Förderprogramme aufsetzten, hätten sich erstmal wieder aufstellen müssen.
Längerfristige Konzepte zur Förderung
Merkendorf setzt auf Nachhaltigkeit und möchte vor allem mit dem Beginn des neuen Schuljahres in enger Kooperation mit den Schulen sehen, wo und wie gezielte Unterstützung aussehen kann. „Wir planen im nächsten Jahr knapp 50.000 Euro städtische Eigenmittel bereitzustellen“, kündigt er an. Damit könnten, bei einem Eigenanteil von 20 Prozent, rund 250.000 Euro investiert werden. Noch in den Sommerferien gebe es neben bewährten „Summerschools“ aus dem Programm „Extra-Zeit zum Lernen“ an fünf Grundschulen (Freiherr-vom-Stein, Michael, Kunterbunt, Horst und Jürgens Hof) in Kooperation mit dem Kommunalen Integrationszentrum eine Sprachlernbegleitung.
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Zudem hofft Merkendorf auf rund 2 bis 2,5 Millionen Euro für Herne, wenn die Richtlinien für das Förderprogramm des Bundes feststünden. In Kooperation mit dem Talentkolleg Ruhr sollten dann Nachhilfe-Programme an den Schulen nach Unterrichtsschluss oder auch an den Wochenenden aufgesetzt werden.
Wichtiger als zeitlich begrenztes Geld aus Fördertöpfen sei es aber, die Schulen längerfristig zu stärken mit mehr Lehrer- und Schulsozialarbeiterstellen und kleineren Klassen, betont Merkendorf. „Da bleibt das Land bis jetzt jede Antwort schuldig.“
Herne habe sich mehr als andere Kommunen systematisch auf den Weg gemacht. „In den Sommerferien starten die ersten Programme, nach den Ferien folgen weitere“, sagt Merkendorf. Nach seinem Gefühl sei da - anders als die Herner Grünen es beurteilen - keine Zeit zu viel verstrichen.
>>>WEITERE INFORMATIONEN: Extra-Zeit zum Lernen verlängert
• Die Bezirksregierung Arnsberg teilt auf WAZ-Anfrage mit: „Die Stadt Herne als Schulträger hat bisher keine Mittel bei uns abgerufen.“ Allerdings könnte es sein, dass freie Träger Gelder beantragt hätten, die in Herne eingesetzt werden.
• Das Programm „Extra-Zeit zum Lernen“ wurde von der NRW-Landesregierung zudem verlängert, um die durch die Pandemie entstandenen Lernlücken zu kompensieren. Für den Zeitraum März 2021 bis Sommer 2022 hat die Landesregierung 36 Millionen Euro an Fördermitteln für das Programm zur Verfügung gestellt, um freiwillige außerschulische Angebote, die vor Ort von Trägern geplant und durchgeführt werden, umzusetzen.