Gelsenkirchen. Der Ton wird rauer im Tarifstreit im öffentlichen Dienst. Abermals wird in Gelsenkirchen gestreikt. OB Karin Welge gerät zunehmend in den Fokus.
Es sind nicht mehr ganz so viele Teilnehmende wie bei den Streiks der vergangenen Wochen, dennoch sind noch einige Hundert Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Stadt Gelsenkirchen und der städtischen Tochterunternehmen bei Nieselregen und kühlen Temperaturen am Donnerstagvormittag in gelben Westen vor das Hans-Sachs-Haus und die evangelische Altstadtkirche gezogen. Ihre Forderungen in den laufenden Tarifverhandlungen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Städte und des Bundes sind unverändert: 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro monatlich. Außerdem 200 Euro mehr für Auszubildende und Beschäftigungsgarantien. Doch der Ton wird rauer.
„Wir sind die, die den Laden am Laufen halten, die bepöbelt, bespuckt und beleidigt werden. Wir sind es wert, dass wir angemessen bezahlt werden. Frau Welge, das Argument, die Städte hätten kein Geld, zieht bei uns nicht mehr. Unsere Forderungen sind weder überzogen noch unrealistisch, sie sind gerechtfertigt“, richtete Nina Brouka, Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung, das Wort direkt an die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin, die bekanntermaßen auch Präsidentin der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände ist und somit auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzt.
„Karin Welges Kritik ist eine bodenlose Frechheit“
Und Brouka ist nicht die Einzige, die Welge direkt ins Visier nimmt. Im Gegenteil. Alle Rednerinnen und Redner richten das Wort an die SPD-Politikerin, die freilich nicht selbst unter den Zuhörern ist. Die Botschaft aber wird schon in der obersten Etage des Hans-Sachs-Hauses ankommen, ist sich auch Hasan Sahin sicher. Der Mitarbeiter der Kernverwaltung wird laut und nachdrücklich, als er am Rednerpult Welge für ihre Kritik an den Gewerkschaften kritisiert.
„Die Streikaufrufe mögen der Dramaturgie der Gewerkschaften entsprechen. Angemessen macht sie das noch lange nicht“, hatte Karin Welge wiederholt deutlich gemacht, was sie vom Arbeitskampf der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst hält. Die Gelsenkirchener Verwaltungschefin sprach auch von „üblichen, antiquierten Ritualen“ der Gewerkschaften und forderte die Arbeitnehmerseite stattdessen auf, zunächst alle vereinbarten Verhandlungsrunden abzuwarten, ehe die Bürgerinnen und Bürger immer wieder durch die Arbeitsniederlegung in Mitleidenschaft gezogen werden.
Sahin hält die Kritik an den Streiks seinerseits für „eine bodenlose Frechheit“. „Wir sind das Rückgrat der Gesellschaft und wir verdienen es, angemessen bezahlt zu werden“, unterstrich das Gewerkschaftsmitglied unter lautem Applaus. Zum Schluss bemühte Sahin mit Blick auf Welges Kritik auch ein Zitat von Bertolt Brecht: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
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Derweil machte auch ein Verdi-Sprecher keinen Hehl daraus, dass die Gewerkschaft während der gerade laufenden Tarifverhandlungen „natürlich auch vermehrt Kolleginnen und Kollegen ansprechen, Mitglied zu werden. Denn je stärker und mächtiger wir sind, desto besser können wir für faire und bessere Arbeitsbedingungen streiten.“
Karin Welge hatte zuletzt auch gegenüber der WAZ Gelsenkirchen erklärt, dass sie das von Arbeitgeberseite unterbreitete Angebot für ein gutes hält, während die Forderungen der Gewerkschaften die Finanzplanung der Städte sprengen und damit zulasten der Bürgerinnen und Bürger gehen würden.
Bund und Kommunen hatten ihren 2,5 Millionen Beschäftigten fünf Prozent mehr Lohn und 2500 Euro Einmalzahlungen bei 27 Monaten Laufzeit angeboten. Die Gewerkschaft Verdi hatte das als „Frechheit“ abgelehnt. Die dritte Verhandlungsrunde ist für Ende März geplant.