Lkw-Reifen liefern viele Daten. Das Herner Unternehmen Stiebling hat mitgeholfen, damit eine Software zu entwickeln, die hilft, Kosten zu sparen.

Erfolgreich scheitern - das ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Doch der Herner Reifenhändler Stiebling hat diesen Widerspruch aufgelöst und hat damit die Digitalisierung in der Branche, aber auch bei Speditionen und anderen Fuhrparkbetreibern vorangetrieben.

Laufleistung, Benzinverbrauch oder Profiltiefe liefern Hinweise auf den optimalen Reifen

Dieser Satz hat inzwischen eine gewisse Berühmtheit erlangt: „Daten sind das Erdöl des 21. Jahrhunderts.“ Und bei Fahrzeugen und Reifen gibt es jede Menge Daten: Laufleistung, Benzinverbrauch oder Profiltiefe. Doch diese Daten seien in der Vergangenheit nie „gefördert“ worden, so Alexander Stiebling, Geschäftsführer des Herner Unternehmens Reifen Stiebling, im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Der mobile Reifenservice habe bis vor einiger Zeit noch im Papyruszeitalter gesteckt: Bei jedem Einsatz habe der Fahrer einen gelben Zettel ausgefüllt, die spätere Verarbeitung in einer Rechnung in der Verwaltung habe mehrere Mitarbeiter gebunden.

„Das ist im Jahr 2023 nicht mehr zeitgemäß“, so Stiebling, doch es habe bislang keine Software existiert, die die vielen Tausend Daten, die täglich entstehen, zusammenfasst, um daraus Schlüsse zu ziehen. „Wir haben vor einigen Jahren versucht, diese Software für Reifenhändler zu entwickeln, doch das hat sich als zu komplex erwiesen, deshalb haben wir irgendwann das Projekt abgebrochen“, beschreibt Alexander Stiebling das Scheitern. Doch von der Idee an sich sei er überzeugt gewesen.

In der Zentrale des mobilen Reifenservice von Stiebling können die Mitarbeiter sehen, wo sich die Wagen gerade befinden und wissen, welcher am schnellsten am Ort einer Panne sein kann.
In der Zentrale des mobilen Reifenservice von Stiebling können die Mitarbeiter sehen, wo sich die Wagen gerade befinden und wissen, welcher am schnellsten am Ort einer Panne sein kann. © Joshua Gerken

Herner Unternehmen diente als Entwicklungsobjekt

Dass sie doch noch in einen Erfolg mündete, dafür sorgte das Kölner Start-up „Tire Task“, das die Software letztendlich zur Marktreife gebracht hat. Die interagiert nämlich nicht nur mit Reifen Stiebling, sondern potenziell mit allen anderen Reifenhändlern. „Allerdings sind wir die Ersten, die das Programm in vollem Umfang nutzen“, so Stiebling. Und: Das Herner Unternehmen hat quasi als Entwicklungsobjekt gedient, um alle möglichen Anwendungen zu erfassen. „Unsere Mitarbeiter haben ganz viel Input gegeben, welche Vorgänge beachtet werden müssen.“ Das Team des Start-ups sei auf den Montagewagen mitgefahren und habe unter Fahrzeugen gelegen, um zu verstehen, auf welche Details es ankommt.

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Einsparpotenzial liegt bei mehreren Tausend Euro pro Jahr

Doch welchen Nutzen hat diese spezielle Form der Digitalisierung? Für die Antwort benötigt Stiebling nur ein Wort: Kosten. Ein Reifen habe einen großen Einfluss darauf, wie viel Sprit ein Lkw verbraucht. Wenn man alle relevanten Daten habe wie Reifendruck, Temperatur, Spritverbrauch oder die Route, die der Lkw nehme, könne man den optimalen Reifen auswählen - sogar für jede einzelne Lkw-Achse. Bei der richtigen Reifenwahl könne ein Spediteur fünf bis acht Prozent Dieselkosten einsparen. Je nachdem wie groß die Flotte sei und wie viele Kilometer sie fahre, könne das im Jahr Tausende Euro ausmachen.

Dennoch empfiehlt Stiebling die Einführung dieser Software auch bei anderen Händlern. Denn je mehr mitmachten, desto besser werde die Datenbasis. „Das System wird immer besser, je mehr Händler es nutzen.“ Stiebling sieht gute Chancen, dass sich „Tire Task“ als Branchenstandard durchsetzt.

Betrieb des mobilen Reifenservice läuft inzwischen papierlos

Das Herner Unternehmen selbst nutzt die Digitalisierung für seinen mobilen Montageservice. Zettel und Stift sind dort seit einigen Monaten Vergangenheit, der komplette Betrieb läuft papierlos. Heute könne man auf dem Computerbildschirm sehen, wo welcher Montagewagen gerade unterwegs ist. Werde von einem Kunden eine Panne gemeldet, könne man über „Tire Task“ den Montagewagen finden, der am schnellsten vor Ort sein kann. Nun könne der Fahrer noch im Wagen auf dem Tablet sehen, welche Reifen auf welcher Achse auf den Pannenwagen montiert sind, und er könne sofort checken, ob dieser Reifen im Lager liegt. „Früher mussten immer erst per Telefon die Reifengrößen abgefragt werden, da konnten Fehler passieren, dann musste jemand ins Lager laufen und nachsehen“, beschreibt Stiebling die Vergangenheit. Auch die Ausfertigung der Rechnung geschehe quasi mit einem Tastendruck.

All dies steigere die Effizienz im Unternehmen, so Stiebling - und dies wolle er als Wettbewerbsvorteil nutzen. Denn gerade für die größeren Kunden und öffentliche Auftraggeber spiele Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle - und wenn durch die Digitalisierung Treibstoff gespart werden könne, trage Stiebling dazu bei, dieses Ziel zu erreichen.