Herne/Berlin. Ausländische Geheimdienste stehen im Verdacht, das Bahnfunknetz in Herne und Berlin angegriffen zu haben. Fünf Monate später fehlen Beweise.
Der spektakuläre Verdacht, dass ausländische Gruppen oder gar Geheimdienste im Oktober 2022 gezielt das Bahnfunknetz in Herne und Berlin angegriffen hatten, könnte ein Schnellschuss gewesen sein. Nach fünf Monaten gibt es beim Generalbundesanwalt keine Ermittlungsergebnisse, die diese These belegen. Am Ende könnten doch nur einfache Kabeldiebe die Republik in Aufruhr versetzt haben.
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Bahnfunknetz GSM-R am 8. Oktober in Herne und Berlin angegriffen
Offiziell und endgültig ist das Ergebnis noch nicht. Die Ermittlungen seien immer noch nicht abgeschlossen, sagt Staatsanwältin Ines Peterson auf Nachfrage der WAZ. Zu Details wolle man wie üblich keine Auskünfte geben. Die Bundesanwaltschaft verweist aber auf Aussagen des Generalbundesanwalts, dass sich der Verdacht auf eine Täterschaft ausländischer Gruppen bislang nicht habe erhärten lassen. Das deckt sich auch mit weiteren WAZ-Informationen.
Am 8. Oktober hatte es am frühen Morgen quasi zeitgleich Attacken auf Kabel in Herne und Berlin gegeben. Dadurch fiel das Bahnfunknetz (GSM-R) in Norddeutschland aus. Der Zugverkehr musste eingestellt werden. Was aus Sicherheitsgründen nie offiziell bestätigt wurde: In Herne soll es sich um das Hauptnetz gehandelt haben, in Berlin um das Ersatznetz.
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Der Verdacht lag nahe: Die Wahrscheinlichkeit, dass soweit voneinander zufällig parallel beide Systeme beschädigt wurden, galt als äußerst gering. Da man vor dem Hintergrund etlicher anderer Sabotageattacken in Europa nicht an einen Zufall glaubte, wurde noch am selben Tag der Vorwurf eines gezielten (russischen) Angriffs laut.
Politikerstimmen: „Sabotage durch ausländische Mächte“
Unter anderem Grünen-Bahnexperte Anton Hofreiter vermutete Sabotage durch „ausländische Mächte“. Auch Spitzenpolitiker anderer Parteien schlossen sich dem Vorwurf an. Selbst aus Ministerien wurden entsprechende Stimmen laut. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen. Etliche Medien stellten den ausländischen Sabotageakt bereits als Tatsache dar. Die Generalbundesanwaltschaft übernahm den Fall vom in Bochum ansässigen Staatsschutz „wegen des Verdachts der verfassungsfeindlichen Sabotage“. Damals hieß es: „Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts folgt aus der besonderen Bedeutung des Falles.“
Im Umfeld der Bahn hatte es bereits kurz nach der Tat Zweifel an der Theorie gegeben. Angriffe auf die Kabel in und um Herne seien an der Tagesordnung, hieß es gegenüber der Redaktion. Oft seien es Obdachlose oder Junkies, die die Betondeckel von den Kabelkanälen heben. Mitunter seien Kabel mit dem Beil zerhackt, dünnere Kabel einfach nur durchgeknipst worden. Die Schäden entstünden oft wahllos, weil die Täter lange durchprobieren müssten, bis sie wertvolle Kupferkabel finden.
Lokale Polizei bremste beim Sabotageverdacht – alles sei denkbar
Auch die Bochumer Polizei bremste beim Sabotageverdacht: „Wir müssen alle Optionen im Auge haben“, betonte Sprecher Frank Lemanis als einer von nur wenigen Offiziellen gegenüber unserer Redaktion im Oktober. Die Tat folgte allerdings auch nicht dem Muster gezielter rechter oder linker Angriffe. Bekennerschreiben wurden nicht gefunden. Die Bahn selbst verteidigte nach einem WAZ-Bericht, dass die Kabel weitestgehend ungeschützt liegen. Man könne nicht Tausende Gleiskilometer restlos gegen Angriffe sichern. Auch einige Wochen später wurden wieder Kabel durchtrennt.
Wie lange will die Bundesanwaltschaft jetzt noch dem Verdacht des gezielten Sabotageaktes nachgehen? Man ermittle weiter, sagt Ines Peterson. Wie lange man das tue und in welcher Intensität, hänge von unterschiedlichen Faktoren ab. Dass man diesen Verdacht untersuche, sei keine Option gewesen, sondern eine Pflicht.