Herne. Das Evangelische Krankenhaus in Herne hat im Kopftuch-Streit eingelenkt. Nun dürfen Beschäftigte Kopftücher tragen – aber nur spezielle.

Im Kopftuch-Streit in Herner Kliniken hat nun auch die Evangelische Krankenhausgemeinschaft eingelenkt. Beschäftigte in allen Krankenhäusern der Gruppe dürfen im Dienst jetzt Kopftücher tragen. Das sagt EvK-Sprecherin Andrea Dopatka auf Anfrage der WAZ. Vor knapp einem Jahr hatte bereits die katholische St. Elisabeth-Gruppe, der zweite große Krankenhausträger in Herne, den Weg für Kopftücher freigemacht.

Auslöser des Kopftuch-Streits in Herne war Kritik von Musliminnen, die sich diskriminiert fühlten. Sie durften wegen ihrer Kopftücher in den Herner Krankenhäusern keine Praktika machen. Darunter eine 14-Jährige, die 2022 ein dreiwöchiges Pflichtpraktikum zur Berufsorientierung am EvK absolvieren wollte. „Ich wollte sehen, wie es wäre, Ärztin zu sein“, sagte die Schülerin damals zur WAZ. Das Bewerbungsgespräch sei sofort beendet worden, nachdem sie ankündigte, dass sie ihr Kopftuch auch im Praktikum tragen wolle. Die 14-Jährige und ihre Eltern sprachen von Rassismus.

Herne: „Kopftuch widerspricht der Pflicht zur Neutralität und Loyalität“

Lehnte das Tragen von Kopftüchern bei den Beschäftigten bislang ab: Heinz-Werner Bitter, Chef der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft.
Lehnte das Tragen von Kopftüchern bei den Beschäftigten bislang ab: Heinz-Werner Bitter, Chef der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft. © FUNKE Foto Services | Joachim Haenisch

Die Evangelische Krankenhausgemeinschaft wies das damals zurück. Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter sagte: „Das Evangelische Krankenhaus Herne ist ein Krankenhaus unter kirchlicher Trägerschaft. Unsere Einrichtung definiert sich bewusst als christliches Haus. Das Tragen eines Kopftuchs im Dienst widerspricht der Pflicht der Arbeitnehmerinnen zur Neutralität und Loyalität gegenüber dem kirchlichen Träger.“ Das Kopftuch sei aus Sicht des kirchlichen Trägers ein bewusstes Statement – und damit nicht mit der geforderten Pflicht der Neutralität und Loyalität vereinbar.

EvK-Chef Heinz-Werner Bitter verwies dabei auch auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Das hatte 2014 entschieden, dass kirchliche Einrichtungen das Tragen eines Kopftuches als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben verbieten dürfen. Mit dem Urteil wurde das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen höher bewertet als das individuelle Recht auf Religionsfreiheit und die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

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Das ließ unter anderem die Medizin-Fachschaft der Ruhr-Uni nicht gelten. Das EvK sei seit kurzem Akademisches Lehrkrankenhaus der Bochumer Ruhr-Uni. Da könne es nicht sein, dass muslimische Medizinstudentinnen, die dort im Rahmen ihres Studiums arbeiten wollten, ihr Kopftuch ablegen müssten, hieß es. Wer als Akademisches Lehrkrankenhaus an die Ruhr-Uni angebunden sein wolle, der müsse sich auch den Werten der Uni anschließen, zu denen Diversität, Toleranz und kulturelle Sensibilität gehörten – und somit auch die Akzeptanz eines Kopftuchs. Die Fachschaft riet zu einer Lösung wie an den Kliniken der St. Elisabeth-Gruppe. Diese hatte nach Protesten der Medizin-Studierenden vor einem Jahr im Kopftuch-Streit zuerst eingelenkt und erlaubt Beschäftigten nun Kopftücher. Dazu lässt sie weiße Kopftücher mit eigenem Logo produzieren und stellt sie den Muslima bei der Arbeit zur Verfügung.

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Einen ähnlichen Weg geht nun auch die Evangelische Krankenhausgruppe, die in Herne zwei Kliniken in Herne-Mitte und Eickel betreibt. Jedem Mitarbeitenden sei es nun gestattet, im Dienst eine Kopfbedeckung zu tragen, teilt EvK-Chef Heinz-Werner Bitter auf WAZ-Anfrage mit. „Dabei handelt es sich um ein quadratisches, weißes Stück Stoff, das den strengen Hygienevorschriften des Unternehmens entspricht.“ Auf Antrag könne das Kopftuch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Bestandteil der vom Krankenhaus gestellten Dienstkleidung ausgehändigt werden. „Diese Kopfbedeckung wird in fünffacher Ausfertigung ausgegeben und ist personalisiert. Gewaschen wird sie zusammen mit der übrigen Dienstkleidung.“

Warum der Sinneswandel? „Mit diesem Schritt möchten wir als Arbeitgeber signalisieren, dass wir unseren Mitarbeitenden offen und tolerant gegenüberstehen.“ Und: „Die von uns vorgegebene Kopfbedeckung kann von jedem getragen werden, der dies möchte – auch unabhängig vom Geschlecht.“