Herne. Der Bochumer Gernot Mühge (53) organisiert das International Cycling Film Festival in Herne. Auf dem Weg spielte auch eine Pommesbude eine Rolle.
Der Bochumer Gernot Mühge organisiert das „International Cycling Film Festival“ in den Herner Flottmann-Hallen. Der 53-Jährige erzählt im Interview, wie er auf die Idee kam, sich mit Fahrrad-Filmen zu beschäftigen und welche Rolle eine Pommesbude auf dem Weg spielte.
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Sind Sie selbst ein Pedal-Held?
Ich komme wirklich vom Radsport. Ich bin in einem Bochumer Radsport-Verein, der ein bisschen schräg ist. Wir heißen Team Hollandse Frietjes. Der erste Sponsor war eine Pommesbude im Bermuda-Dreieck. Die hat es nur ein Jahr gegeben, wo jetzt die belgische Pommesbude ist. Wir sind ambitioniert Rennrad gefahren. Irgendwann waren wir in einem Alter, in dem wir nicht mehr so große sportliche Erfolge erzielen konnten. Wir wollten weitermachen und sind durch Zufall auf ein Plakat für ein Filmfestival für Kanufilme in Unna gestoßen. Daraus ist die Idee entstanden. Damals hieß es noch „Internationales Festival des Radsport-Videos“. Das Festival war im ersten Jahr sofort zweitägig. Das war im Jahr 2006. Wir wollten einen Filmpreis verleihen und haben ihn die Goldene Kurbel genannt. Wir wussten nicht, dass das der erste Filmpreis der Welt für Fahrradfilme war. Darauf sind wir heute mächtig stolz.
Es ist wohl eher ungewöhnlich, dass jemand vom Sport zur Kultur kommt ...
Wir sind mehrheitlich linksliberale Akademiker im Club, da war der Weg nicht so weit.
Sie sind ein Riese. Ist das ein Vorteil beim Radfahren?
1,97 Meter, frisch gemessen. Es gibt aber auch viele kleine Radfahrer, die sehr erfolgreich sind. Pantani war zum Beispiel ein eher kleiner Mensch. Im Radsport gibt es alles: Kleine, Große, Dünne, Dicke ...
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Bei solch einem Festival erwartet man hartgesottene Radsportfans im Publikum …
Bei uns kommen alle erst einmal wegen des Fahrrads. Viele wissen, was wir bieten. Viele kommen nicht zum ersten Mal. Aber es sind weniger die Sportler. Es sind eher Menschen, die denken, dass ein Fahrrad gut für die Gesellschaft und die Umwelt ist. Wir zeigen Kunstfilme, wir reden gerne von Arthouse. Das Programm ist jedes Jahr neu, wir suchen aktiv oder Menschen reichen uns etwas ein. Unsere Jury kuratiert das Programm. Jedes unserer Programme hat seinen eigenen Charakter, aber das Fahrrad hat eine ähnliche, positive Bedeutung. Wir sind auch ein politisches Festival, aber Sportler kommen auch, manche sogar auf dem Rad. Mit dem Souvenir Albert Richter vergeben wir ja auch einen Preis für den besten Rennradfilm.
Was steht dieses Jahr auf dem Programm?
Dieses Mal haben wir wieder sehr unterschiedliche Filme. Es gibt leichte Filme. Aber wir haben zum Beispiel einen Film aus Israel, der im vergangenen Jahr für den Kurzfilm-Oscar nominiert war. Es gibt einen sozialkritischen Blick über die Schichten. Wir haben auch eine Dokumentation und zugleich einen Tanzfilm über Fahrradkuriere in Brasilien. Da geht es um prekäre Jobs und das prekäre Leben am Rand der Gesellschaft. Wir haben immer wieder eine neue Perspektive.
Sie betrachten die Filme sehr intensiv. War Kino vorher schon Ihre Leidenschaft?
Ich gehe schon immer gerne ins Kino. Aber ich war kein professioneller Cineast. Wenn man 17 Jahre lang ein Festival macht, dann hat man schon einen Blick auf Filme. Die Filme sind technisch sehr unterschiedlich. Der Film aus Israel ist ein One-Take, 20 Minuten ohne Schnitt. Das ist technisch ein besonderer Film, aber zum Beispiel nicht das, was mich vom Stuhl haut. Ich finde das Gesellschaftspolitische sehr interessant.
Sie begrüßen auch Publikum aus der Critical-Mass-Szene. Die sogenannte kritische Masse demonstriert gegen den motorisierten Verkehr. Als Sie damals angefangen haben, gab es diese Gruppen noch gar nicht. Müssen Sie solch ein Publikum nun auch gezielt bedienen?
Die Kunst ist frei. Wir machen das, was wir wollen. Wir sagen, dass wir überhaupt keine Rücksicht aufs Publikum nehmen. Es gibt einige Menschen, die sagen, dass sie mal gerne was Netteres hätten. Wir haben zum Beispiel im Vorprogramm „Das rote Rad“, einen modernen Anti-Kriegsfilm. Das Programm ist sehr fordernd, aber wir sind frei. Und wenn man ehrlich ist, hat sich seit 2006 noch mehr verändert. Damals haben wir noch sechs Videorekorder übereinandergestapelt und Filme von VHS-Kassetten abgespielt.
Wie sah das aus?
Wir haben in Bochum in der Goldkante angefangen, in einem ganz kleinen Laden. Das ist ein Club für Kleinkunst. Dort, an der Herner Straße, ist heute das Café Eden.
Warum sind Sie dann nach Herne in die Flottmann-Hallen gewechselt?
Der Leiter des Theater Kohlenpott, Frank Hörner, war unser Laudator damals. Wir haben uns darüber erhofft, dass das unsere Ernsthaftigkeit unterstreicht. Frank Hörner hat uns in die Flottmann-Hallen geholt. Wir hatten erst total großen Respekt und Lampenfieber. Aber es war großartig. Dann haben wir Leute aus Polen kennengelernt und mehrere feste Standorte für das Festival entwickelt, auch in den Niederlanden und im Kosovo.
Klingt nach einem Hauptberuf?
Wir haben tatsächlich einen Förderantrag gestellt, um das auszubauen. Hier sollen in unserem Büro Menschen fest über europäische Mittel für das Festival arbeiten. Klar, das ist viel für uns mit den ganzen Terminen. Ich bin eigentlich Arbeitsmarktforscher und habe eine Professur für Sozialwissenschaften in Darmstadt.
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Da sind Sie ja noch mehr unterwegs!
Ja, ich bin Wochenendpendler. Aber ich habe meinen Lebensmittelpunkt in Bochum. Das Festival ist dennoch eher ein Saisonbetrieb, vor allem die drei Wochen vor dem Festival in den Flottmann-Hallen. Und bei den Gastspielen kann man natürlich viel Vorbereitetes abrufen. Das sind eher einzelne Abende.
Was ist der beste Fahrradfilm?
Der beste Fahrradfilm, den wir im Programm haben, ist vielleicht Father and Daughter von Michael Dudok de Wit. Dieser Film ist auch Oscar prämiert. White Eye in diesem Programm dieses Jahr gehört auch auf die Bestenliste.
Gibt’s eigentlich mittlerweile auch E-Bike-Filme?
Unsere Vorstellung vom Fahrradfilm ist erst einmal sehr weit. Vergangenes Jahr hatten wir einen Film, da war der einzige Bezug zum Fahrrad, dass die Protagonistin ein Fahrrad-Trikot anhatte. Ein Elektro-Rad hatten wir – glaube ich – noch nicht im Programm.
Stellt sich die Kunst nicht auf die technische Entwicklung ein?
Nein, ich glaube nicht, dass dies notwendig ist. Wenn Kunst ein Elektrorad benötigt, dann wird sie es finden. Ganz praktisch kommen aber auch wenige unserer Gäste mit dem Elektrorad. Wenn man am Straßenrand schaut, ist der Anteil ja sehr hoch mittlerweile. Unter unseren Gästen sind die aber eher unterrepräsentiert. Die meisten kommen konventionell und treten komplett selbst.
>>> PROGRAMM >>>
Das 17. Internationale Cycling Film Festival findet am Wochenende von Donnerstag, 16. März, bis Samstag, 18. März, in Herne und Bochum statt.
- Donnerstag, 16. März:
- 19 Uhr: Fantastische Fahrradfilme auf Fassaden, Startpunkt: Glocke Bochum Rathaus, Eintritt frei.
- Freitag, 17. März:
- 20 Uhr: Kurzfilme des ICFF, Retrospektive Jörn Staeger und Abenteuer auf dem Rad, Flottmann-Hallen, Eintritt: 6 Euro.
- Samstag, 18. März:
- 15.30 Uhr: Critical Mass zu den Flottmann-Hallen, Startpunkt: Glocke Bochum Rathaus.
- 17 Uhr: ICFF-Sonderprogramm: Spielfilm „Das rote Rad“, Spezialprogramm zur Schokofahrt, Theatersaal in den Flottmann-Hallen, Eintritt frei.
- 20 Uhr: ICFF-Hauptprogramm und Wettbewerb um die 17. Goldene Kurbel, Flottmann-Hallen, Eintritt: 6 Euro.