Herne. Fan-Rivalitäten in der Herner SPD-Fraktion, eine doppelte Dezernenten-Wahl und eine Geschmacksfrage – unsere Politkolumne „Politgeflüster“.
Für wen schlägt in der Herner SPD-Fraktion das Fußball-Herz? Warum wurde im Rat fürs neue Sozialdezernat gleich zweimal der neue Chef beziehungsweise die neue Chefin gewählt? Und sollte sich städtisches Spitzenpersonal politisch im Vorstand einer Herner Partei engagieren? Hier unser „Politgeflüster“.
Das Kalkül
Schlägt das Herz der Herner Genossinnen und Genossen eher für den FC Schalke 04 oder für den VfL Bochum? SPD-Vize Alexander Vogt ist auf Nummer sicher gegangen. In seiner Vorstellungsrede auf dem Wahlparteitag am Samstag, 4. März, im Kulturzentrum verwies er auf das bevorstehende Revierderby und verkündete, dass er eine Stehplatz-Dauerkarte bei einem Erstligisten aus dem Revier habe. Welcher das sei, wolle er lieber erst nach der Abstimmung verraten. Was er dann zumindest gegenüber der WAZ auch tat: Er und sein Sohn (12) hätten eine Dauerkarte beim VfL Bochum. Im engeren Vorstand herrscht damit - zumindest fußballerisch - ein klassisches Patt: Michelle Müntefering und Olaf Semelka ticken für Null Vier, Hendrik Bollmann und Vogt für den VfL. Vogts Kalkül ging übrigens auf: Er erzielte mit 92,9 Prozent ein besseres Ergebnis als bei der Wahl im August 2022.
Die Abstimmung
Die Wahl der neuen Sozialdezernentin Stephanie Jordan am Dienstag, 7. März, dauerte länger als geplant. Denn: Die (auf Wunsch der Grünen geheime) Wahl musste wiederholt werden. Weil die Stadt nicht wusste, wie viele der drei finalen Kandidaten von den Fraktionen letztendlich zur Wahl vorgeschlagen werden, hatte die Stadt vorsorglich mehrere Stimmzettel angefertigt: mal mit einem, mal mit zwei, mal mit drei Kandidaten, jeweils zusätzlich mit dem Feld „Enthaltung“. Nach der Wahl – aber noch vor der Verkündung des Ergebnisses – forderten die Grünen plötzlich ein weiteres Feld „Nein“ auf dem Stimmzettel. Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) gab dem statt und ließ neue Stimmzettel kopieren – „damit wir auch jede Klarheit beseitigen“, wie er es formulierte. Dieses Feld „Nein“, das es laut Stadt bislang nicht bei Dezernentenwahlen gegeben hat, mache aber durchaus Sinn, würden Nein-Stimmen doch im Gegensatz zu Enthaltungen und ungültigen Stimmen mitgezählt, bekennt Stadtsprecher Christoph Hüsken. Nun gebe es Rechtssicherheit. Das Ergebnis im zweiten Wahlgang: Stephanie Jordan erhielt 38 Stimmen und wurde damit im ersten Wahlgang gewählt; nötig waren dafür 31 Stimmen. Benjamin Roth erhielt sechs, Katrin Linthorst zwei Stimmen. Außerdem gab es 14 Nein-Stimmen und eine Enthaltung.
Die Geschmacksfrage
16 Kandidatinnen und Kandidaten für zwölf Plätze: Anders als beim engeren Vorstand gab es beim SPD-Wahlparteitag einen echten Wettstreit. Wie schon 2021 setzte sich unter anderem der frühere Juso-Chef Pierre Golz durch. Seine Wahl stand diesmal allerdings unter einem anderen (beruflichen) Vorzeichen: Der 34-Jährige ist seit einigen Wochen Leiter des städtischen Fachbereichs Digitalisierung, was er weder in seiner schriftlichen Vorstellung als Bewerber („Mitarbeiter Stadt Herne“) noch im mündlichen Vortrag im Kuz („Ich arbeite als Diplom-Verwaltungswirt“) an die große Glocke hing.
Die Personalie wirft eine grundsätzliche Frage auf: Sollte sich eine Führungskraft der Stadtverwaltung Herne politisch im Vorstand einer Herner Partei engagieren? Eine Geschmacksfrage, die Golz für sich (mit Billigung von OB Dudda?) mit ja beantwortet hat. Diese bzw. eine ähnliche Frage könnte man auch dem Herner Grünen-Vorsitzenden Stefan Kuczera stellen, der beim unter anderem für Herne zuständigen Regionalverband Ruhr (RVR) Planungsdezernent ist. Aus rein formaler Sicht spricht wie bei Golz nichts dagegen, doch im RVR soll die Entscheidung Kuczeras fürs Spitzenamt im Grünen-Kreisverband nicht soo gut angekommen sein, so war zu hören.