Herne. Die Herner Grünen haben eine neue Kreisvorsitzende. Mal wieder, muss man sagen. Warum es in der Parteispitze seit 2011 selten Kontinuität gab.
Nach dem überraschenden Rücktritt der Co-Vorsitzenden Claudia Kriescher zu Beginn des Jahres ist die Doppelspitze der Grünen mit der Nachwahl von Vivien Wefringhaus inzwischen wieder komplett. Schaut man sich die häufigen Wechsel in der Führung des Kreisverbandes seit 2012 und die bisweilen unschönen Begleitumstände (siehe unten) an, drängen sich zwei Erkenntnisse auf. Erstens: Bei den Grünen kann man sehr schnell Karriere machen. Zweitens: Von Kontinuität kann im Vorstand keine Rede sein. Das soll sich nun ändern, so zumindest die Ansage.
Herner Grünen-Vorsitzende will die Partei längerfristig führen
Die Grünen könnten „längerfristig“ auf sie zählen, signalisierte Wefringhaus in ihrer Bewerbung um den Parteivorsitz und aktuell auch im Gespräch mit der WAZ. Hintergrund: Die 25-Jährige hat nach Abschluss ihres ersten juristischen Staatsexamens in Bochum ihre Promotion im Völkerrecht – „grünes“ Thema: Kreislaufwirtschaft – begonnen. Anschließend stehe das zweite juristische Staatsexamen an, das wie die Promotion rund zwei Jahre in Anspruch nehmen werde, so Vivien Wefringhaus.
Nach ihrem Parteieintritt 2020 hat es nur gut eineinhalb Jahre gedauert, bis die Hernerin das Spitzenamt im Grünen-Kreisverband übernommen hat. Noch rasanter verlief die Karriere ihrer Vorgängerin Claudia Kriescher, die nur zwölf Monate für diesen großen Sprung „benötigte“. Auch die langjährige Vorsitzende Susanne Marek war 2011 zum Zeitpunkt ihrer Wahl zur Co-Vorsitzenden (neben Dietmar Jäkel) erst rund zwei Jahre in der Partei.
Personaldecke bleibt bei Herner Grünen dünn
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Der große Unterschied zwischen 2011 und 2022: Die Mitgliederzahlen haben sich nahezu verdoppelt. Und trotzdem kann die Partei für ihre Spitzenämter im Kreisvorstand noch immer nicht aus dem Vollen schöpfen. Das liege nicht zuletzt daran, dass die Mehrheit der Aktiven auch in die Arbeit im Rat, in den Ausschüssen und in den Bezirksvertretungen eingebunden ist, wie der seit 2021 amtierende Co-Vorsitzende Stefan Kuczera gegenüber der WAZ andeutet.
Hinzu kommt, dass der 40-Jährige als Vorsitzender aus beruflichen Gründen politisch nicht frei schalten und walten kann, wie es für eine (Oppositions-)Partei eigentlich angezeigt wäre. Hintergrund: Kuczera muss als Planungsdezernent des Regionalverbandes Ruhr (RVR) und Wahlbeamter gewisse Rücksichten nehmen – zum Beispiel gegenüber Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD), der ja auch Vorsitzender des Ruhr-Parlaments beim RVR ist. Für den Herner Kreisverband ist diese fehlenden Beinfreiheit offenbar kein Problem: Hält man ein Ohr in die Partei rein, hört man von Mitgliedern viel Lob für Kuczera.
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Wie Wefringhaus kann sich der Wahl-Herner – der gebürtige Dortmunder und langjährige Wuppertaler verlegte 2015 seinen Lebensmittelpunkt nach Herne-Mitte – ein längerfristiges Engagement im Vorstand gut vorstellen. Eine Fortsetzung der „dynamischen Mitgliederentwicklung“ erwartet Kuczera übrigens vorerst nicht: „Wir sind im Bund und im Land in der Regierung. Das sind Zeiten, in denen Mitglieder auch mal den Blues kriegen, weil unangenehme Entscheidungen getroffen werden müssen“, sagt er.
>>> WEITERE INFORMATIONEN: Die Herner Grünen-Vorsitzenden seit 2011
Von 2008 bis 2011 führt Dietmar Jäkel die Partei allein; das Amt der Co-Vorsitzenden bleibt – in Ermangelung an Kandidatinnen – in der sonst so frauenbewegten und durchquotierten Partei unbesetzt. 2011 rückt Susanne Marek in die Doppelspitze auf. Nach dem jähen Rücktritt Jäkels im Jahr 2013 bilden Marek und Sabine von der Beck bis 2016 das rein weibliche Führungsduo.
Nach dem Rückzug von Ratsfrau von der Beck Anfang 2016 – sie ist zudem noch Grünen-Chefin im Ruhrparlament – wird sie durch den früheren Genossen Wilfried Kohs ersetzt. Der einstige WHE-Betriebsrat gibt sein Amt aber schon nach fünf Monaten aus Unzufriedenheit wieder ab. 2020 tritt er aus der Partei aus.
2017 wird Pascal Krüger neuer Parteichef. Die bei den Grünen (theoretisch) groß geschriebene Trennung von Amt und Mandat ist weiterhin komplett aufgehoben: Krüger gehört wie die Co-Vorsitzende Susanne Marek dem Rat an.
Anfang 2020 tritt Susanne Marek nach einem Eklat zurück. Sie wird ersetzt durch Claudia Kriescher. 2021 gibt auch Pascal Krüger sein Amt ab, Stefan Kuczera übernimmt. Nach der Kommunalwahl tritt Claudia Kriescher zunächst von ihrem Ratsmandat und Anfang 2022 auch vom Parteivorsitz zurück. Vivien Wefringhaus wird nachgewählt als Co-Vorsitzende.