Herne. Inflation und gestiegene Energiepreise machen sich auch bei der Herner Schuldnerberatung bemerkbar. Die hat den Jahresbericht für 2022 vorgelegt.

Die Schuldnerberatung Herne hat Bilanz für das vergangene Jahr gezogen. Geschäftsführerin Andrea Leyk erläuterte im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion, dass die Folgen der Inflation und der gestiegenen Energiepreise inzwischen in der Beratungsstelle angekommen sind.

„Unser Klientel ändert sich ein wenig“, so Leyk. Zwar wäre ein großer Teil der Hilfesuchenden nach wie arbeitslos, doch es würden sich zunehmend Menschen an die Schuldnerberatung wenden, die ein niedriges oder sogar mittleres Einkommen hätten und nun Kredite nicht mehr bedienen könnten, weil das Geld in die erhöhten Raten für Strom und Gas fließen müsse. Leyk: „Da sind ganz solide Familien dabei mit einem Einkommen von etwa 2000 Euro netto im Monat, die vielleicht einen Kredit mit einer monatlichen Rate von 200 bis 250 Euro haben.“ Und diese Raten könnten sie plötzlich nicht mehr zahlen, weil zuerst die Kosten für Strom und Gas beglichen werden müssten. Die mögliche Folge: Privatinsolvenz.

Appell: Die Menschen sollen sich frühzeitig melden

Daneben würde es auch die Bürgergeld-Empfänger hart treffen, weil das Jobcenter zwar die Gasrechnung übernehme, doch Strom aus dem Regelsatz bezahlt werden müsse.

Was Leyk noch nicht gesehen hat: einen Ratsuchenden mit einer wahnsinnig hohen Nachzahlung für Strom oder Gas. In diesen Fällen gäben sich die Stadtwerke aber immer gesprächsbereit und böten eine Ratenzahlung an, die Zusammenarbeit sei wirklich gut. Darüber hinaus stünden für solche Fälle Fonds wie „Herne solidarisch“ zur Verfügung. Leyks Appell: „Die Menschen sollen sich frühzeitig bei uns melden, damit keine Energie- oder Mietschulden entstehen.“

Andrea Leyk, Geschäftsführerin der Schuldnerberatung Herne, hat registriert, dass auch Menschen mit mittlerem Einkommen finanzielle Probleme bekommen.
Andrea Leyk, Geschäftsführerin der Schuldnerberatung Herne, hat registriert, dass auch Menschen mit mittlerem Einkommen finanzielle Probleme bekommen. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Abgesehen davon setze sich in der Arbeit der Schuldnerberatung der Trend der vergangenen Jahre fort: In Herne beträgt die Verschuldungsquote 16,44 Prozent und liegt damit etwa doppelt so hoch wie der bundesweite Durchschnitt. Im vergangenen Jahr lag die Quote in Herne bei 16,82. Von den 401 kreisfreien Städten und Landkreisen weisen nur Bremerhaven, Pirmasens, Gelsenkirchen und Neumünster höhere Quoten auf.

Die Gesamtverschuldung liegt bei mehr als 19 Millionen Euro

Die Ursachen der Überschuldung haben sich nicht verändert: Bei rund 27 Prozent der Ratsuchenden ist Arbeitslosigkeit die Ursache der Verschuldung. Weitere Hauptursachen sind unwirtschaftliche Haushaltsführung, Trennung und Scheidung, Erkrankung, Sucht sowie ein längerfristiges Niedrigeinkommen. Die Beratungsstelle hat im vergangenen Jahr 631 Menschen umfassend betreut, 282 Frauen und 349 Männer. Für die Verfahren dieser nahmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kontakt zu 7489 Gläubigern auf. Die Höhe der Gesamtverschuldung der Klientinnen und Klienten lag bei 19,71 Millionen Euro. Das entspricht einer Durchschnittsverschuldung von rund 38.742 Euro.

Hoffnung auf personelle Verstärkung

Dass die Zahl der Klientinnen und Klienten nicht gestiegen ist, liegt laut Leyk daran, dass das Team schlicht nicht mehr Beratungen durchführen könne. Allerdings betont sie auch, dass es bisher keine Warteliste gebe, „wir sind zwar immer am Limit, aber wir werden dem Andrang nach wie vor Herr“. Allerdings stehe das Telefon niemals still. Die Schuldnerberatung hat im Jahr 2022 fast 4300 Telefonkontakte registriert. Leyk hofft, dass ab April - mit Unterstützung des Jobcenters - personelle Verstärkung kommt, die in diesem Bereich und in der Verwaltung für Entlastung sorgen kann.

+++ Nachrichten aus Herne – Lesen Sie auch: +++

Weitere Zahlen aus dem Jahresbericht: In den weitaus meisten Fällen liegt die Schuldensumme unter 10.000 Euro bzw. zwischen 10.000 und 25.000 Euro, die meisten Schuldner hatten zwischen elf und 20 Gläubiger. Ein Viertel der Ratsuchenden war zwischen 30 und 40 Jahre, ledige Ratsuchende waren mit rund 47 Prozent erneut am stärksten vertreten. Die größte Gläubigergruppe sind Telekommunikations- und Inkassounternehmen, es folgen Banken und Sparkassen und der Versandhandel. Die meisten Ratsuchenden kommen Herne-Mitte, gefolgt von Wanne-Mitte.

>>> ZAHLREICHE INFORMATIONSVERANSTALTUNGEN

• Neben der Beratung hat die Beratungsstelle ein Reihe von Informationsveranstaltungen durchgeführt und hat an der Aktionswoche der Schuldnerberatungen teilgenommen.

• Hinzu kam die Weihnachtsaktion, bei der die Beratungsstelle 60 Lebensmittelgutscheine verschenkt hat.