Herne. Noch immer sind viele Herner verschuldet. In nur vier deutschen Städten ist die Verschuldungsquote höher. Was die Beratungsstelle dazu sagt.

Noch immer hat Herne eine hohe Überschuldungsquote. Zwar hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert, trotzdem liegt Herne mit 16,44 Prozent wie auch schon im vergangenen Jahr auf dem fünftletzten Platz in Deutschland. Das geht aus dem Schuldneratlas Ruhrgebiet 2022 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform Bochum hervor. Im vergangenen Jahr lag die Überschuldungsquote, bei der die Zahl der Schuldner in Relation zur Einwohnerzahl gesetzt wird, in Herne bei 16,82 Prozent.

Trotz der leichten Verbesserung um 0,38 Prozent: Nur in Bremerhaven, Gelsenkirchen, Pirmasens und Neumünster ist die Quote noch höher als in Herne. Im Ruhrgebiet liegt Herne somit vor Gelsenkirchen auf dem vorletzten Platz. Am höchsten ist die Schuldnerquote in Herne mit 20,38 Prozent im Gebiet der Postleitzahl 44653, dazu gehören Teile von Baukau, Crange, Unser Fritz, Wanne und Wanne-Süd. Am niedrigsten ist sie mit 12,99 Prozent im Postleitzahlbereich 44625, dazu gehören Teile von Herne-Mitte, Herne-Süd, Holsterhausen und Sodingen.

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Zahlen in Herner Beratungsstelle konstant

Hauptgrund für die starke Verschuldung in Herne sei weiterhin die hohe Arbeitslosigkeit, sagt Andrea Leyk, Geschäftsführerin der Schuldnerberatung Herne. Ein weiterer Grund seien Lebenskrisen, wie etwa psychische Erkrankungen, die häufig zu einem Einkommensverlust führten. Allerdings sagt sie auch: „Ich weiß nicht, wie sich die Quote im Schuldneratlas berechnet.“ Fest stehe nur, dass die Fallzahlen in der Herner Beratungsstelle seit Jahren konstant blieben. Personell schaffe es die Schuldnerberatung zurzeit noch, alle Anfragen zu bearbeiten. „Wir haben derzeit keine Warteliste“, so Leyk.

Allerdings rechnet sie damit, dass es im kommenden Jahr schlimmer werden könnte. Durch die Energiekrise gerieten auch Menschen in finanzielle Schwierigkeiten, die einem Job nachgingen, deren Gehalt aber nicht ausreiche, um die steigenden Energiekosten zu stemmen. „Einige Menschen versuchen zunächst, einen Kredit aufzunehmen, um die Rechnungen bezahlen zu können – aber so ein Kredit kostet natürlich auch Geld.“ Wenn dieser nicht bezahlt werden könne, sei der nächste Schritt der Weg zur Schuldnerberatung. „Das werden auch Menschen sein, für die Schuldnerberatung bisher ein Fremdwort war“, so Leyk.

Auch Creditreform gibt als Hauptgrund für die hohen Verschuldungsquoten die Arbeitslosigkeit an, dicht gefolgt von Erkrankung, Sucht, Unfall und unwirtschaftlicher Haushaltsführung. Aber auch Trennung, Scheidung und Tod, langfristige Niedrigeinkommen und gescheiterte Selbstständigkeiten gehören laut Creditreform zu den Gründen, warum sich viele Menschen verschulden.

Andrea Leyk, Geschäftsführerin der Herner Schuldnerberatung, sieht die Arbeitslosigkeit als einen Grund für die hohe Verschuldungsquote in Herne.
Andrea Leyk, Geschäftsführerin der Herner Schuldnerberatung, sieht die Arbeitslosigkeit als einen Grund für die hohe Verschuldungsquote in Herne. © Foto: Carsten Siegmund / FUNKE Foto Service

Deutsche Gesellschaft steht vor einer „Zeitenwende“

Die leichten Verbesserungen in der Verschuldungsquote für die Jahre 2021 und 2022 dürften jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Gesellschaft auch aus der Perspektive der Überschuldungsforschung vor einer „Zeitenwende“ steht, teilt Creditreform mit. Nicht nur Deutschland sehe sich innerhalb kürzester Zeit mit zwei großen und historisch einmaligen Krisen konfrontiert: der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

In Verknüpfung führten beide zu einer dramatischen Belastung der finanziellen Möglichkeiten der deutschen Bevölkerung, heißt es in dem Bericht von Creditreform. „So setzen galoppierende Energiepreise private Haushalte zunehmend unter finanziellen Druck, da sie die explodierenden Kosten für Heizen, Warmwasser und Strom kaum noch werden bezahlen können.“ Zugleich sei der Anteil derjenigen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland, die regelmäßig etwas (an)sparen konnten, von 70 Prozent im Jahr 2020 auf mittlerweile nur noch 50 Prozent gesunken. Dabei gerate auch zunehmend die Mitte der Gesellschaft unter Druck, heißt es.

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Auch im Niveau-Städteranking 2022 von IW Consult, das sich mit verschiedenen Wirtschaftsfaktoren beschäftigt, landet Herne weit hinten: wie schon 2021 erneut auf Platz 69 von 71, dahinter liegen nur Duisburg und Gelsenkirchen.

Besser sieht es beim Dynamikranking von IW Consult aus, das nicht den Status Quo, sondern die Entwicklung der Städte beleuchtet. Dort landet Herne auf Platz 34 von 71 (vergangenes Jahr: 42). OB Frank Dudda sprach angesichts der steigenden „Dynamik“ Hernes im Rat von einem „Hoffnungsschimmer“.

Der Schuldneratlas Deutschland untersucht, wie sich die Überschuldung von Verbrauchern innerhalb Deutschlands kleinräumig verteilt und entwickelt. Überschuldung liege dann vor, wenn die zu leistenden Gesamtausgaben höher sind als die Einnahmen. Die vorliegende Analyse basiere auf den Daten und Karten der Creditreform Tochterfirmen Creditreform Boniversum GmbH und microm Micromarketing-Systeme und Consult GmbH (beide Neuss).