Herne. Der ehemalige Herner Chefarzt Christoph Wiemer engagiert sich in seinem Ruhestand für die Ukraine. Nun hat er dort eine Krankenstation aufgebaut.

Als sich der Herner Arzt Dr. Christoph Wiemer vor zwei Jahren auf den bevorstehenden Ruhestand vorbereitete, freute sich der damalige Chefarzt am Evangelischen Krankenhaus (EvK) in Castrop-Rauxel vor allem auf eines: mehr Zeit für seine große Leidenschaft, das Rudern auf dem Rhein-Herne-Kanal. Daraus wurde nichts. Kaum war er in Rente, da begann der Ukraine-Krieg, und der Chirurg fand eine neue Lebensaufgabe: den Menschen im Krieg zu helfen. Nun wurde in der Ukraine eine Krankenstation eröffnet, die der 67-Jährige angestoßen und mit aufgebaut hat.

Als der Krieg begann, packte Christoph Wiemer mit seiner Frau zunächst in Bochum Hilfspakete und verlud sie auf Lastwagen, dann fuhr er an die polnisch-ukrainische Grenze und kümmerte sich in einem polnischen Flüchtlingslager in Chelm um Verletzte. Später wagte er sich ins Zentrum der Ukraine, half in einem Dorf auf dem Land in einem Flüchtlingslager, behandelte Kriegswunden und Krankheiten der Evakuierten. Dort, nahe der Stadt Tscherkassy, lag eine verwaiste Krankenstation. Eine neue Idee war geboren: „Mein Ziel war es, diese wieder zu neuem Leben zu erwecken.“

Im polnischen Chelm an der ukrainischen Grenze arbeitete Christoph Wiemer im vergangenen Jahr in einem Flüchtlingslager.
Im polnischen Chelm an der ukrainischen Grenze arbeitete Christoph Wiemer im vergangenen Jahr in einem Flüchtlingslager. © Wiemer

Herne: Arzt sammelte 36.000 Euro in wenigen Monaten

Im Herbst 2022 erzählte der Mediziner gegenüber der WAZ von seinen Plänen. Ebenso im Bekanntenkreis und in Vorträgen. Das Echo war groß: 36.000 Euro habe er in wenigen Monaten sammeln können. „Mit dem Geld konnte die Station kernsaniert werden“, erzählt Christoph Wiemer. Die Handwerker vor Ort hätten ebenfalls einen Beitrag geleistet und auf ihren Lohn verzichtet, deshalb seien allein Materialkosten angefallen. Mit den Spenden habe zudem eine Krankenschwester angestellt werden können.

„Mittlerweile läuft der Betrieb“, freut sich der ehemalige Unfallchirurg. Im Februar, zur offiziellen Eröffnung, sei der Bezirksgouverneur gekommen und habe eine Eröffnungsrede gehalten, es habe Musik gegeben, und er, als Initiator, habe ebenfalls „eine kleine Ansprache“ halten dürfen. „Für die Dorfgemeinde war es ein kleines Volksfest wert“, schaut er zurück. Und bekennt: „Es war für mich eine tief bewegende Aktion.“ Es sei toll, „was in so kurzer Zeit gestemmt werden konnte“. Viele Menschen hätten geholfen, der Aufbau der Krankenstation sei eine „Team-Angelegenheit“ gewesen, betont er.

Die Eröffnung der Krankenstation wurde ein „kleines Volksfest“. Mit im Bild: Christoph Wiemer (2.v.r.).
Die Eröffnung der Krankenstation wurde ein „kleines Volksfest“. Mit im Bild: Christoph Wiemer (2.v.r.). © Wiemer

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Mit im Boot sei vor allem auch die Gesellschaft Bochum-Donezk e.V., für die er zum Kriegsbeginn die Pakete gepackt hat. Die Gesellschaft, seit vielen Jahren aktiv, betreibe seit kurzem ein Kriegskinderheim in der Ukraine und begleite nun auch die Krankenstation. Das sei wichtig: „Um so etwas machen zu können, braucht man ein eng geknüpftes Netzwerk.“ Durch die „Hilfe zur Selbsthilfe“ soll es mit Hilfe der Krankenstation langfristig für die umliegenden Dörfer und für die Flüchtlinge wieder eine medizinische Versorgung geben.

Was kommt als nächstes? Nach der Eröffnung begleitete der Arzt einen Vertreter der Gesellschaft Bochum-Donezk auf einer Fahrt in den Süden des Landes. In einem Dorf bei Cherson am Ufer des Dnepr hätten sie in Zusammenarbeit mit der Organisation „Save Ukraine“ Carepakete verteilt. Die Menschen, erzählt er, seien auf diese Unterstützung zwingend angewiesen: „Sie haben seit Monaten keinen Strom, kein Gas, Wasser nur gelegentlich.“ Das Verteilen der Pakete auf dem Dorfplatz sei alles andere als ungefährlich gewesen: Als sie die Pakete den Menschen aushändigten, sei das Dorf vom russisch-besetzten Ufer des Dnepr aus mit Mörsergranaten beschossen worden. Passiert sei nichts – zum Glück.

So sieht die Krankenstation nach der Kernsanierung aus.
So sieht die Krankenstation nach der Kernsanierung aus. © Wiemer

Auf der Rückreise hätten sie schließlich das Dorf Alexandriwka besucht, das zu Beginn des Krieges schwer getroffen worden sei: „Hier gibt es eigentlich kein Haus, welches nicht zumindest beschädigt ist, die meisten sind komplett zerstört, so auch die Schule, der Kindergarten und die Krankenstation.“ Letztere, das ist sein neues Ziel, soll nun ebenfalls wieder hergerichtet werden. „Ich kann nicht die ganze Ukraine retten“, sagt der Mediziner. Aber er könne eben hier und da helfen, nun eben in Alexandriwka. Bewegen könne man damit viel.

Rudern kann er auch noch später.

In Herne-Mitte zu Hause: Dr. Christoph Wiemer.
In Herne-Mitte zu Hause: Dr. Christoph Wiemer. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Weitere Informationen zur Gesellschaft Bochum-Donezk e.V. gibt’s auf der Internetseite des Vereins www.bochum-donezk.de.