Herne. Jens Rohlfing feiert mit seinem Weinhaus Wanne zehnjähriges Bestehen. Im Interview spricht er über die Anfänge und die aktuellen Probleme.

Wer sich mit der Liste der Ehejubiläen auskennt, weiß auch, wann die Petersilienhochzeit gefeiert wird: nach zwölfeinhalb Jahren. Petersilienhochzeit feiert Jens Rohlfing (48) zwar nicht, doch sie gibt ihm Anlass, um das zehnjährige Bestehen seines Weinhauses Wanne zu feiern. Das wollte er schon 2020, aber man kennt das inzwischen: Corona… Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann blickt Rohlfing auf die Anfänge zurück - und auf die aktuellen Probleme.

Herr Rohlfing, eine Weinhandlung in Wanne zu eröffnen. War das nicht, Achtung Wortspiel, eine Schnapsidee?

Das nicht, aber ich war mir schon im Klaren darüber, dass das kein Selbstläufer werden würde. Aber es war dann stellenweise doch recht hart.

Warum?

Es dauerte relativ lange, sich bekannt zu machen, weil der Standort an der Heinestraße (eine Seitenstraße der Hauptstraße, Anm. d. Red) schon deutlicher abseits des Passantenstroms war, als ich mir das gedacht hatte. Ich hatte ja keine Erfahrung im Einzelhandel, bei dem ja die große Devise lautet: Lage, Lage, Lage. Um ein neues Geschäft bekannt zu machen, würde ich mit meiner Erfahrung die Heinestraße 1 jedenfalls nicht empfehlen. Deshalb bin ich schon nach eineinhalb Jahren zum Christuskirchplatz umgezogen. Das hatte aber auch logistische Gründe. Das Ladenlokal war so klein, dass das Lager an der Hammerschmidtstraße war. Wenn jemand fünf Kisten Wein haben wollte, musste ich erst fahren und die holen. Aber mir war schon vor dem Start klar, dass ich Fehler machen würde. Und als Betriebswirt hatte ich Anfangsverluste einkalkuliert.

Sie hatten zwar keine Ahnung von Einzelhandel, aber von Wein. Woher kommt dieses Wissen?

Zunächst hat es mit Interesse zu tun. Ich bin während meines Schüleraustauschs in der französischen Stadt Cahors bei einer Familie gewesen, bei der der Vater einen Weinkeller hatte. Da habe ich schon viel probiert. Da war mein Grundinteresse geweckt. Nach meinem BWL-Studium habe ich in Mannheim für eine Kreditversicherung gearbeitet, und viele meiner Kunden waren an der südlichen Weinstraße. Dort ist es relativ schwierig, Geschäfte zu machen, wenn man keine Ahnung von Wein hat. Dort dreht sich alles um Wein. Unter meinen Kunden waren Winzer, aber auch Weinkommissionäre, Großhändler für landwirtschaftlichen Bedarf, Flaschengroßhändler, Korkproduzenten, Speditionen. Dadurch habe ich deutlich mehr Einblicke bekommen als nur in den Weinbau. Etwa, welche Flaschenformen gerade „in“ sind, wie die Transportwege gestaffelt sind oder wie man welche Qualitäten einkaufen kann. Und selbstverständlich habe ich viele Weine aus der Region kennengelernt.

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Wie haben Sie den Weg zurück nach Wanne gefunden?

Das dritte Kind war unterwegs, deshalb mussten wir für die Familie eine Standortentscheidung treffen. Die Entscheidung fiel dann für unsere Heimatstadt Wanne-Eickel.

Das bedeutet aber noch nicht, dass man einen Weinhandel eröffnen muss...

Das stimmt, aber nach Jahren im Außendienst wollte ich gerne etwas Stationäres machen. Und wenn man in einer Weingegend unterwegs war und feststellt, dass das Weinangebot in Wanne-Eickel nicht besonders groß ist, dann ist die Idee schnell geboren, diese Lücke zu schließen. In Herne gab und gibt es Meimberg. Und ich war der Meinung, dass dieses Angebot in Wanne-Eickel fehlte.

Heimatliebe: Unter den Bezeichnungen Eickeler Marktbrunnen und Wanner Drei-Männer-Eck bietet Jens Rohlfing Wein aus der Pfalz an.
Heimatliebe: Unter den Bezeichnungen Eickeler Marktbrunnen und Wanner Drei-Männer-Eck bietet Jens Rohlfing Wein aus der Pfalz an. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Ist Wanne-Eickel denn überhaupt eine Weintrinkerstadt oder ist es eher eine Bierstadt?

Bier scheint eher die erste Wahl, allerdings wächst der Weinkonsum in Deutschland, da bildet Wanne-Eickel keine Ausnahme. Die Frage ist, welche Qualitäten und Preislagen konsumiert werden. Dazu muss man wissen: Die größten Weinhändler in Deutschland sind Lidl und Aldi. Wir hatten aber vom ersten Tag an einen guten Kundenzulauf. Inzwischen haben wir zwischen 1500 und 2000 Stammkunden.

Wie hält man sich als Händler auf dem Laufenden in den verschiedenen Segmenten?

Von Zeit zu Zeit muss man Produktionsstätten besichtigen, egal ob Grappa-Destillerie oder Weingut. Nur so lernt man neue Dinge kennen. Bei Winzern stehen für mich die Weinberge im Fokus. Dort kann erkennen, wie gewirtschaftet wird. Man kann sehen, wie Rebstöcke beschnitten sind oder welches Alter sie haben. Da gibt es viele Details.

Trotz der Stammkunden. Vor welchen Problemen standen und stehen Sie?

Wir hatten Probleme im Umfeld, für die keiner was konnte, die aber wirtschaftlich für uns schwierig waren. Zum Beispiel die Insolvenz der Moritz-Apotheke. Das war fast der Knockout. Dadurch sank die Kundenfrequenz erheblich, außerdem war die Moritz-Apotheke Untermieter bei uns am Christuskirchplatz. Und im Laufe der Jahre sank generell die Zahl der Kunden, gerade durch die Schließung von Fachgeschäften wie Gewehr oder das Restaurant von Lichte, mit dem wir kooperiert haben. Das führte am Ende zum Umzug weg vom Christuskirchplatz zum Eickeler Bruch..

Das Ladenlokal am Eickeler Bruch entspricht auch nicht der Devise: Lage, Lage, Lage...

...aber von der Logistik her ist es sehr gut geeignet. Es gibt Parkplätze, das Lager ist ebenerdig, man kann hier Verkostungen durchführen. Und es ist noch nah an Wanne, aber auch nah an Eickel und Röhlinghausen, wo die Kaufkraft relativ hoch ist.

Jens Rohlfing hat mit Angela Sulkowski die Wanne-Eickel-Edition von „Pralinen meiner Stadt“ kreiert.
Jens Rohlfing hat mit Angela Sulkowski die Wanne-Eickel-Edition von „Pralinen meiner Stadt“ kreiert. © WAZ FotoPool | Ute Gabriel

Sie feiern das zehnjährige Bestehen ja verspätet wegen Corona. Wie sind Sie mit dem Weinhaus durch die Pandemie gekommen?

Erst mit großer Sorge, dann beruhigt.

Das müssen Sie erklären.

Zuerst wusste niemand, was passiert. Alle hatten Sorge um die eigene Gesundheit. Wenn man ein Geschäft mit Kundenkontakt hat, und der Mensch ist das Risiko, geht man mit einem mulmigen Gefühl zu Arbeit. Immerhin durfte ich öffnen. Allerdings kamen weniger Kunden, weil sie Kontakte vermeiden wollten, außerdem brach das Geschäft mit der Gastronomie weg, das eine wichtige Säule ist. Nur mit dem Endkundengeschäft kommt man nicht hin. Wir haben dann unsere Verkostungen online veranstaltet, das hat sehr geholfen. Im weiteren Verlauf der Pandemie haben die Menschen die Liebe zum Wein und zum guten Essen entdeckt, was zur Beruhigung beigetragen hat. So lief es dann ganz gut...

...aber mit Inflation und Ukrainekrieg nicht mehr?

Das Problem ist massiv. Ich bezahle das Dreifache an Energiekosten. Dazu kamen Lieferengpässe. Also haben wir das Lager gefüllt, und das kostet. Ich kann mich nicht vom allgemeinen Trend entkoppeln. Andere haben inzwischen aufgegeben. Wie Pralinen meiner Stadt.

Dazu haben Sie ja eine besondere Beziehung.

Stimmt. Ich habe die Pralinen-Edition Wanne-Eickel erfunden.

Warum?

Wir hatten bereits Pralinen meiner Stadt im Angebot. Aber die Edition Herne ist in Wanne-Eickel schwierig zu verkaufen. So haben Angela Sulkowski und ich die Wanne-Eickeler Edition entworfen. Ich habe den Text geschrieben, habe die Motive ausgesucht und alles vorfinanziert. Wir haben im ersten Monat viermal so viel Pralinen verkauft wie Wein. Das hat uns bekannt gemacht.

>>> MESSE ZUM JUBILÄUM

• Zum Jubiläum veranstaltet das Weinhaus, Eickeler Bruch 93. am 24. und 25. Februar eine Hausmesse: Neben vier deutschen Weingütern können Besucherinnen und Besucher Weine aus Italien, Spanien, Frankreich und der Schweiz probieren. An zwei weiteren Ständen gibt es verschiedene Spirituosen, Whisky und Rum. „Kreta natürlich“ und „Pottmühle“ präsentieren ihre Feinkost mit verschiedenen Ölen, Essigen, Oliven, Gebäck und mehr.

• Karten kosten 15 Euro für beide Tage und sind im Weinhaus Wanne und unter weinhaus-wanne.de erhältlich.