Herne. Aus Furcht vor einem Gasmangel hat die evangelische Kirche in Herne Wärmestuben eingerichtet. Warum sie vor allem menschliche Wärme bieten.

Als Russlands Präsident Wladimir Putin im Zuge seines Überfalls auf die Ukraine den Gastransport nach Deutschland kappte, machte sich Angst breit - Angst vor kalten Wohnungen, in denen Menschen frieren und sich nur notdürftig mit Decken wärmen. Manche Städte bereiteten sogenannte Wärmeinseln vor. In Herne entschloss sich die evangelische Kirche, Wärmestuben einzurichten. Die Herner WAZ-Redaktion hat eine dieser Stuben besucht.

Das befürchtete Szenario einer Gasmangellage ist zwar doch nicht eingetreten, doch das muss nichts heißen. Angesichts der explodierten Energiepreise mögen manche Menschen freiwillig frieren, weil sie Angst vor der Abrechnung ihres Energieversorgers haben - oder sie besuchen eine der Wärmestuben. An jedem Donnerstag öffnet die „Futterkrippe“ im Gemeindezentrum der Gemeinde in Sodingen von 12.30 bis 15 Uhr. Die Gäste bekommen zunächst ein Mittagessen, da das ehrenamtliche Team immer für 30 Personen kocht, bleibt genug übrig, um eine Portion mit nach Hause zu nehmen. Danach können sie noch bei Gesellschaftsspielen zusammensitzen.

Andrea Berendes, die ehrenamtliche Organisatorin der Sodinger „Futterkrippe“, versucht Menschen anzusprechen, die kaum noch soziale Kontakte haben.
Andrea Berendes, die ehrenamtliche Organisatorin der Sodinger „Futterkrippe“, versucht Menschen anzusprechen, die kaum noch soziale Kontakte haben. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Der improvisierte Speiseraum ist gut gefüllt an diesem Donnerstag, etwa ein Dutzend Frauen und Männer lassen sich es schmecken. Das Angebot sei vom ersten Tag an gut angenommen worden, erzählt Andrea Berendes im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Das Wort „Erfolg“ mag die ehrenamtliche Organisatorin verständlicherweise nicht benutzen. Ein Erfolg wäre es vielmehr, wenn Angebote dieser Art nicht notwendig wären.

+++ Nachrichten aus Herne – Lesen Sie auch: +++

Als die Entscheidung gefallen war, Wärmestuben anzubieten, hat Berendes diesen Begriff etwas weiter gedeutet. Als sie damit begann, das Angebot in Sodingen mit Plakaten und Faltblättern bekannt zu machen, sei es auch darum gegangen, alleinstehende und verarmte Menschen zu finden. Manche hätten sich im Zuge der Corona-Pandemie ängstlich zurückgezogen und hätten nur noch vereinzelt oder gar keine Sozialkontakte mehr.

Christa Heß, Stephanie Weiler, Monika Solle, Heike Lach und Cordula Skrabaczewski (von links) engagieren sich ehrenamtlich in der Wärmestube. Was nicht gegessen wird, können die Gäste mit nach Hause nehmen.
Christa Heß, Stephanie Weiler, Monika Solle, Heike Lach und Cordula Skrabaczewski (von links) engagieren sich ehrenamtlich in der Wärmestube. Was nicht gegessen wird, können die Gäste mit nach Hause nehmen. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die Gespräche mit den Gästen offenbaren, dass Berendes den richtigen Gedanken hatte. Die drei Herren (Namen tun hier nichts zur Sache), die an einem der Tische sitzen, kommen seit der „Premiere“ der Wärmestube im November. Einer erzählt, dass er Hartz IV bekomme, da müsse er eben sparen. Zu Hause in seiner Wohnung selbst zu kochen? Das könne er sich nicht leisten, deshalb besucht er an allen sieben Tagen der Woche ein Mittagsangebot, das entweder gar nichts kostet, oder nur einen Euro. Die anderen beiden Männer sind längst in Rente. „Wir kommen hierhin, weil wir alleinstehend sind und so ein bisschen Kontakt bekommen“, erzählt einer. So sind zweieinhalb Stunden des Tages schon mal gefüllt.

Die Erwachsenen diskutieren Politik, ein Junge spielt Mau-Mau

Inzwischen kennen sich die Stammgäste untereinander, jeden Donnerstag werden die persönlichen Erlebnisse der vergangenen Woche ausgetauscht. Daneben wird auch die politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland und der Welt diskutiert, der Berichterstatter der WAZ wird mit der Frage konfrontiert, was er denn vom neuen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hält. Auf die Antwort kommt es nicht so sehr an, es folgt eine kleine Tirade auf den einen oder anderen Politiker. Einer der Älteren fasst seine Meinung mit dem Satz „das ist doch alles Irrsinn“ zusammen. Ein bisschen würde es auf seine persönliche Lage passen. 51 Jahre habe er in die Rentenkasse eingezahlt, nun sitzt er in der Wärmestube.

Das Wort Rente und seine Bedeutung wird der kleine Junge im Grundschulalter wohl noch gar nicht kennen. Mit zwei ehrenamtlichen Helfern spielt er Mau-Mau und „4 gewinnt“. Er kommt regelmäßig mit seiner Mutter. Auch sie bezieht Hartz IV, zieht ihre beiden Söhne alleine groß. Deshalb sucht sie nach sozialen Angeboten, die wenig Geld kosten, aber viel Spaß machen. In der Sodinger Kirchengemeinde hat sie eins gefunden.

So erfüllt die Wärmestube ihren Zweck, nur auf eine etwas andere Weise: Auch wenn sie keine körperliche Wärme bieten muss, so liefert sie doch manchen Menschen dringend benötigte menschliche Wärme.

>>>WEITERE WÄRMESTUBEN

Ludwig-Steil-Forum (Europaplatz 2): mittwochs, 12-16 Uhr; Gemeindehaus Sodingen (Mont-Cenis-Straße 327): donnerstags, 12.30-15 Uhr; Gemeindehaus Crange (Unser-Fritz-Straße 26): samstags, 12-18 Uhr; Gemeindehaus Eickel (Richard-Wagner-Straße 12): dienstags, 13-18 Uhr; Gemeindehaus Holsterhausen (Ludwig-Steil-Straße 25): mittwochs, 14-18 Uhr; Gemeindehaus Röhlinghausen (Göddenhoff 8), freitags, 14-18 Uhr.