Herne. 2019 riefen Stadt und Politik für Herne die Verkehrswende aus. Die Zahl der Kfz-Anmeldungen steigt trotzdem an. Aktuelle Zahlen und Reaktionen.

Mit einem Beschluss für ein Gesamtkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ wollten Stadt und Politik 2019 nicht weniger als eine Verkehrswende in Herne einleiten. Das Hauptziel: Stärkung des Rad- und Fußverkehrs, weniger Raum für den Autoverkehr. Gemessen an der Gesamtzahl der Kfz-Zulassungen 2022 ist Herne diesem Ziel bisher nicht wirklich näher gekommen.

Die Zahl der zugelassenen privaten und gewerblichen Fahrzeuge hat in Herne und Wanne-Eickel im vergangenen Jahr erneut zugenommen, und zwar um 1437 auf insgesamt 97.651. Heißt: Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird Herne im Jahr 2024 die magische Grenze von 100.000 Zulassungen überschreiten.

Seit 2015 steigt der Wert damit Jahr für Jahr um jeweils mehr als 1000 Kraftfahrzeuge – mit einem Ausreißer. Nach Angaben der Verwaltung ist die Zahl der Kfz-Zulassungen in Herne 2021 identisch mit der von 2020. Das überrascht umso mehr, da es noch 2020 den höchsten prozentualen Anstieg seit 2015 gegeben hatte (frühere Zahlen liegen der Stadt nicht vor). Ein Erfassungs- oder Übermittlungsfehler? Nein, betont Stadtsprecher Patrick Mammen gegenüber der WAZ. Die Zahl sei korrekt.

Herner Grüne: SPD und CDU tragen Mitschuld an der Entwicklung

Bewerten will die Herner Verwaltung den neuerlichen Zuwachs (plus 1,5 Prozentpunkte) beim motorisierten Verkehr – dazu zählen auch Motorräder – im vergangenen Jahr nicht. Ganz anders die Politik. „Der Stadt ist es nicht gelungen, den Autotrend zu brechen“, erklärt Grünen-Ratsherr Pascal Krüger (37) auf Anfrage. Das führe zu einem höheren CO2-Ausstoß, einer Zunahme der Luftverschmutzung und dem Zustellen von immer mehr Flächen, so der Vorsitzende des Umweltausschusses.

Pascal Krüger (Grüne) ist Vorsitzender des Herner Ausschusses für Umweltschutz.
Pascal Krüger (Grüne) ist Vorsitzender des Herner Ausschusses für Umweltschutz. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Die Koalition aus SPD und CDU trage eine Mitschuld an dieser Entwicklung, weil sie sich im Rat gegen konkrete Ziele beim sogenannten Modal Split gewehrt habe. Hintergrund: Der Modal Split gibt Aufschluss über die prozentualen Anteile der einzelnen Verkehrsmittel an der gesamten Verkehrsleistung. In Herne ist der Autoanteil überproportional hoch.

Die Grünen fordern „eine ambitionierte Strategie mit Push- und Pullmaßnahmen“, sprich: eine Kombination aus Mobilitätsangeboten und klaren restriktiven Regelungen. Darunter zu verstehen sei unter anderem, so Krüger, dass Stadtplanung nicht vom Auto, sondern vom Umweltverbund aus gedacht werde. Als Beispiele nennt er fußgängerfreundliche Wege und Ampelschaltungen, mehr Investitionen ins Radnetz und Verbesserungen bei Bus und Bahn durch eine regionale Planung für städteübergreifende Mobilität. Und: Zur Erhöhung des Drucks auf Autofahrer (Push-Faktor) kann sich der Grüne Änderungen bei der Parkraumbewirtschaftung vorstellen.

Auch interessant

Überrascht über die „nicht erfreuliche Entwicklung“ bei den Kfz-Zulassungen ist der SPD-Stadtverordnete Roberto Gentilini (61). Verstehen könne er den neuerlichen Anstieg nicht: „Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass die Zahl sinken wird“, erklärt der Vorsitzende des Ausschusses für Digitales, Infrastruktur und Mobilität (DIM). Denn: Es seien ja durchaus bereits zahlreiche Maßnahmen beschlossen bzw. umgesetzt worden.

An der einen oder anderen Stelle hake es allerdings, was der Sozialdemokrat vor allem auf den Personalmangel in der Verwaltung zurückführt. Und: Weitere Projekte seien nötig, zum Beispiel beim Ausbau des Radwegenetzes. Zusätzliche Effekte erhofft sich Gentilini durch den jüngsten Beschluss des DIM-Ausschusses, die bisherige Arbeitsgruppe für Radverkehr um die Bereiche ÖPNV sowie Fußverkehr zu einem Arbeitskreis „Klimafreundliche Mobilität“ zu erweitern.

Nachrichten aus Herne – Lesen Sie auch:

Deutlicher Anstieg bei der Zahl der Elektroautos

Deutlich angestiegen ist in Herne in den vergangenen Jahren die Zahl der Elektroautos. 2022 gab es hier sogar ein Plus von 46,7 Prozentpunkten. Die von der Stadt übermittelten Zahlen der angemeldeten E­-Autos: 849 in 2019, 1568 in 2020, 2814 in 2021 sowie 4126 in 2022.

Noch mehr Zahlen: Ende 2021 lag die Quote der privat angemeldeten Autos bei 544 je 1000 (erwachsene) Einwohnerinnen und Einwohner, so berichtet die Stadt. Herne liege damit, wie andere Städte im Ballungsraum Ruhrgebiet, deutlich unter dem bundesweiten Schnitt von rund 700 Pkw auf 1000 Einwohner.